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Cameron:

Ich war nervös. Es war lächerlich, immerhin ging ich nur auf eine Beerdigung.

Es lag wohl eher daran, dass ich Noah wiedersehen würde, sobald ich aus dem Zimmer kam.

Er war letzte Nacht nicht zurückgekommen und eigentlich war ich ihm auch ziemlich dankbar dafür. Das hätte ich echt nicht brauchen können.

Schlafen hatte ich nicht wirklich können, daher war ich sehr früh duschen gegangen, um niemanden über den Weg zu laufen.

Ich stand nun schon seit einer Stunde vor dem Spiegel und richtete mich her.

Als die Tür plötzlich aufging, sah ich schreckhaft dorthin, aber es war nur Dave. Mal wieder.

„Du solltest du echt angewöhnen anzuklopfen", meinte ich.

Er kam auf mich zu und richtete mein Jackett. „Und du solltest dich entscheiden. Noah als dein Freund oder Noah als dein Bruder. Beides geht nicht." Dave legte die Hände auf meine Schultern und übte einen bestimmenden Druck darauf aus. „Er kann dieses hin und her nicht gebrauchen. Er bracht feste Hände, er braucht halt. Und wenn du ihm das nicht geben kannst, dann sag ihm das, sonst wird er an der Enttäuschung sterben, wenn du ihm jetzt Hoffnung machst."

„Wieso?", fragte ich nicht verstehend.

„Weil er dich liebt"

„Nein" ich schüttelte den Kopf, da ich das nicht gemeint hatte. „Wieso ist es meine Aufgabe, mich um ihn zu kümmern? Du bist mehr sein Bruder als ich es jemals sein werde. Wieso bist du nicht für ihn da? Du kennst ihn viel besser als ich, du verstehst ihn, er vertraut dir..."

Dave seufzte. „Ich würde, wenn ich könnte. Aber ich bin selbst am Arsch und wenn er bei mir bleiben würde, würde ich ihn da nur mit reinziehen."

Dave presste die Lippen zusammen, seine Augen trugen einen leichten Schimmer in sich. „Ich hab ein Leben lang alles für ihn getan. Aber jetzt in ein Punkt erreicht, an dem ich nicht mal mehr mir selbst helfen kann. Es wäre egoistisch, ihn noch mehr auszunutzen, als ich es eh schon tue. Er braucht dich, Cameron. Du bist der einzige, den er außer mir an sich ranlässt. Aber nicht, damit du es nur noch schlimmer machst. Du musst ihm helfen. Sei sein Engel. Rette ihn. Oder lass es. Aber nichts dazwischen. Und vor allem: Lebe mit den Konsequenzen und stehe dazu, was auch immer du tust"

Ich nickte verstehend. So ein großer Bruder war echt ganz nützlich...

„Brauchst du Hilfe?", fragte ich ihn dann, weil ich das so aus seiner kleinen Rede rausgehört hatte.

Er lächelte leicht. „Nett, dass du fragst. Ja, ich brauche Hilfe. Aber es gibt nichts, das mir helfen könnte."

„Wir finden bestimmt einen Weg", versicherte ich ihm.

Er klopfte mir auf die Schulter. „Du bist echt korrekt, Cameron. Aber nicht mal Superhelden können alle retten. Ich habe mich schon lange damit abgefunden, eines der Opfer zu sein, solange Noah irgendwie gerettet wird" Er lächelte mich nochmal an und ließ mich dann einfach in dem Zimmer stehen, ohne mir die Möglichkeit zu geben, weiter nachzufragen.

Seufzend sah ich wieder in den Spiegel.

Ich wusste, Dave hatte Recht. Ich musste mich entscheiden und eigentlich hatte ich das durch die Worte, die ich gestern an Noah gerichtet hatte, längst.

Bevor ich aus dem Zimmer ging, stand ich noch eine Weile vor der Tür herum und amtete tief durch, da Noah mir jederzeit über den Weg laufen konnte und wir dann wohl oder übel über gestern Abend sprechen mussten.

Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt