Noah:
Der Samstagnachmittag war weniger brisant verlaufen. Cameron hatte mein Zimmer aufgeräumt und war danach mit mir in meinen Musik-Raum gegangen, wo ich ein wenig gespielt hatte.
Ich hatte ihm auch ein bisschen was beigebracht, aber ich glaubte nicht, dass er sich das merken würde. Er war nicht so wirklich der Typ für Musik. Sein Ding war eher Sport. Sowie den, den er grade machte.
Es war Sonntagvormittag und ich wollte Cam um seine Hilfe bei Chemie bitten, weil ich damit einfach nicht klarkam. Ohne zu klopfen, ging ich in sein Zimmer.
Er machte gerade Liegestütze mitten im Raum und sah verwirrt zu Tür.
Als er mich sah, begann er zu lächeln, machte weiter. „Was gibt's?"
Meine Augen waren geweitet und ich starrte auf das Spiel seiner Muskeln bei jeder Bewegung. Das Sonnenlicht brach auf den leichten Schweißperlen seiner nackten Haut, während er sich immer wieder auf und ab drückte.
Oh scheiße.
Ich räusperte mich, in dem Wunsch, mich irgendwie davon losreißen zu können. Ich hatte keine Ahnung, was mit mir los war, doch ich stellte fest, dass mein Bruder heiß war. Verdammt heiß.
Ich schaffte es, mich zu beruhigen, als Cam sich lachend aufrichtete und auf mich zukam. „Du lässt sich viel zu leicht aus der Fassung bringen" Schmunzelnd blieb er vor mir stehen und nahm mir die Blätter ab, die ich in der Hand hatte. „Oh Chemie", meinte er und schnaufte tief durch. „Das ist nicht so deine Stärke, mh?"
Ich schüttelte den Kopf. „Eigentlich ist gar nichts meine Stärke, was Schule angeht"
Er lachte leicht. „Ach so schlimm ist es nicht. Ich hab dein Zwischenzeugnis genau gesehen. Die Fünfer hast du ja fast alle raus"
„Außer in Chemie"
Er nickte, legte eine Hand auf meine Schulter „Das kriegen wir auch noch hin."
Dankbar lächelte ich ihn an. „Heißt das, du hilfst mir?"
„Ich werde dir immer helfen", meinte er ernster als zuvor und strich mit dem Daumen über meine Wange.
Er machte das total oft, aber ich mochte das irgendwie. Es ließ mich so behütet fühlen. Sicher. Obwohl es nur eine total leichte Berührung war.
Seine Hand strich nach oben durch meine Haare. Er strich sie nach hinten, wodurch er meine Stirn küssen konnte. Dadurch zog er mich näher zu sich und ich bekam den vollen Schweiß-Geruch ab.
Ich musste leicht lachen, obwohl der Moment echt schön war.
„Was ist?" Er lächelte mich verwirrt an.
„Du stinkst", meinte ich.
Er lachte und wuschelte mir durch die Haare. „Es gibt Jungs, die stehen auf Männerschweiß. Ich zum Beispiel"
Ich schüttelte mich. „Eklig"
Er lachte leicht.
Ich versuchte krampfhaft, nicht auf seinen trainierten Oberkörper zu sehen, da mir das nur Komplexe machen würde und sah stattdessen in seine blauen Augen. Die hatten auch einiges zu bieten.
„Okay, ich geh zuerst duschen und dann machen wir Chemie.", beschloss er.
Ich nickte einverstanden.
Ich fand jetzt nicht, dass er total schlimm roch, wenn er verschwitzt war, doch etwas penetrant und ich mochte seinen unverschwitzten Cameron-Geruch einfach mehr.
Daher war ich froh, als er ins Bad ging und mich in seinem Zimmer zurückließ.
Das erste, was ich tat, war das Fenster aufzureißen und dann setzte ich mich auf seinen Schreibtischstuhl und drehte mich eine Weile, bis mir schwindelig wurde und ich fast runterfiel.
Ich konzernierte mich darauf, dass die blöde Welt sich gefälligst nicht mehr drehen sollte, doch mir wurde schwarz vor Augen und ich spürte, wie mein Körper total leicht wurde.
***
„Hei, Noah. Komm schon, Kleiner. Mach die Augen auf" Ich spürte, wie mir jemand leicht auf die Wange schlug, einen kalten Lappen auf meiner Stirn und Nässe.
Verwirrt öffnete ich die Augen und fühlte mich, als würde ich aus einem Winterschlaf erwachen.
Das erste, was ich sah, waren Cams Augen, die sich leicht weiteten und dann vor Freude strahlten, als er mir um den Hals fiel. „Gott, ich hatte solche Angst... Mach das nie wieder!"
Ich war total verwirrt.
Was war überhaupt passiert?
Mein Hirn arbeitete ziemlich langsam, fühlte sich an, als sei es mit Watte vollgestopft.
Ich brummte und tätschelte Cam den Kopf, damit er sich beruhigte.
Er hatte sich sorgen um mich gemacht, doch warum hatte ich nicht so richtig verstanden. Egal, es freute mich trotzdem. Es zeigte, dass ich ihm wichtig war.
„Was ist denn passiert?", wollte ich dann leise wissen.
Wo war ich überhaupt?
„Was passiert ist?" Fast schon hysterisch schnellte Cam auf und sah mich total vorwurfsvoll an. „Ich war nur schnell duschen und dann komme ich zurück und du liegst bewusstlos da. Ich dachte zuerst, du willst mich nur verarschen, aber von wegen! Ich wollte schon den Krankenwagen rufen, aber Dad meinte, du seist nur bewusstlos."
Er schüttelte den Kopf, während er mich besorgt ansah und durch meine Haare strich. „Wann hast du das letzte Mal was gegessen, Noah?"
Und da erklärte sich auch mir der Grund für meine Bewusstlosigkeit. Ich erinnerte mich auch tatsächlich daran, wie ich in Cams Zimmer gesessen hatte.
Ich zuckte mit den schulten und sah, wie Cameron wütend etwas sagen wollte, als Dad und Kate das Wohnzimmer betraten, in dem ich auf dem Sofa lag.
Sie musterten mich beide besorgt und drückten mich fest, sowie Cam eben.
Ich musste ihnen ja echt wichtig sein, wenn sie wegen so ein bisschen Ohnmacht so ein Drama machten.
Ich mochte es eigentlich gar nicht, im Mittelpunkt zu stehen, doch dieses Kümmern gerade gefiel mir ziemlich gut.
Aber trotzdem wollte ich dafür sorgen, dass das nicht mehr nötig sein würde, denn sonst würde es nur zu auffällig werden...
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Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)
General Fiction-Alles an mir war gelogen. Die Antwort auf jedes „Wie geht es dir?", auf jedes „Alles okay?", auf jedes „Es tut mir leid", die Reaktion auf jeden Versuch, mich zu trösten, auf jede Behauptung, dass man mich verstehen würde. Denn das konnte keiner.- ...