Noah:
„Das geht gar nicht richtig weg!" Alec und Cameron schrubbten sich über die Nägel und stanken das Haus mit dem Nagellackentferner voll. Sie wirkten richtig verzweifelt.
Sandy saß gelangweilt daneben und machte ihre Haare, während sie die Jungs kritisch beobachtete.
„Mann!" Cameron klang echt frustriert, aber so wie er das machte, würde es niemals funktionieren. Da brauchte er sich gar nicht wundern.
Ich setzte mich zwischen ihm und Alec aufs Sofa, weil da noch genügend Platz war, kippte nicht gerade wenig Nagellackentferner auf einen Wattepad, nahm Camerons Hand und half ihm beim Schrubben.
„Eigentlich finde ich, der Nagellack steht dir" Das konnte ich echt nicht unterdrücken. „Und er ist so ausdrucksstark"
Und ja verdammt, ich grinste. Verklagt mich doch.
Cameron schnaubte, ließ mich aber weiter den Lack wegmachen, doch er grummelte dabei missmutig: „Klar, solange ich mich blamiere, geht's dir gut"
Ich zuckte mit den Schultern. „Also ich finde das nicht blamabel."
„Aber ich bin doch kein Mädchen", jammerte Cameron.
„So wie du dich benimmst schon", brummte Alec. Er war heute nicht so gut drauf wie sonst, weil er seinen riesigen Kater hatte und den Nagellack auch nicht wieder runter bekam.
„Fresse!", knurrte Cameron nur zurück.
Er ging ja richtig nett mit seinen Freunden um.
„Mach mal schnell weiter" Ich hob Cameron den Wattepad hin, während ich mein Handy rauszog und in meiner Galerie nach einem Bild suchte.
Als ich es gefunden hatte, musste ich schmunzeln, hielt es Cameron hin.
Seine Augen wurden ganz groß. „Bist das du?!"
Ich nickte grinsend. „Dave und ich haben eine Wette verloren und mussten uns deshalb als Mädchen verkleiden und einen Tag so durch die Stadt laufen. Das schlimmste waren nicht mal unsere Füße, die so wehgetan haben, weil wir auf den Highheels laufen mussten, sondern eher, dass seine Freunde uns die Beine gewaxt haben"
„Uhh!", machte Sandy und schüttelte die Hand als habe sie sich verbrannt. „Das war bestimmt schrecklich"
Ich nickte schnell. „Ich verstehe bis heute nicht, wieso es ein Rasierer nicht auch getan hätte"
Cameron starrte sprachlos auf das Bild, genau wie Alec mit offenem Mund
„Also wenn du ein Mädchen wärst, dann würde ich dich auf jeden Fall abschleppen wollen", meinte Alec staunend, als er mich dann wieder ansah.
Ich zog einen Mundwinkel hoch, steckte mein Handy zurück und schrubbte dann weiter an Camerons Fingernägeln herum.
Er war irgendwie so seltsam ruhig.
Vielleicht hätte ich ihm das Bild nicht zeigen sollen. Jetzt glaubte er bestimmt erst recht, ich sei total der Verrückte.
Irgendwann war ich mit Camerons Fingern fertig und half auch Alec, den Lack loszuwerden. Als die beiden sich die Hände wuschen gingen, kam Max die Treppen runter.
Sein erster Gang führte ihn in die Küche, er aß erstmal etwas und nahm Tabletten. Das sah so routiniert aus, als wohnte er hier.
Als Alec ohne Cameron zurückkam, sah ich ihn fragend an. Auch ohne nachzufragen, wusste er, was ich wissen wollte. „Er will duschen"
Ich nickte verstehend.
Ich fragte seine Freunde, ob sie noch was brauchten und ging dann in mein Zimmer, nachdem sie verneint hatten.
Erst als ich alleine dort lag, fiel mir auf, wie sehr Camerons Nähe mir eigentlich half, auch wenn er gar nichts besonders tat.
Ich hatte gelächelt. Ich war unbeschwert gewesen. Wenn auch nur für einen kurzen Moment.
Aber jetzt, wo ich hier so alleine herum lag und an das Bild dachte, das ich gezeigt hatte, wurde alles nur noch schlimmer.
Ich vermisste Dave. Und ich vermisste meine Mutter. Aber beide konnten einfach nicht mehr bei mir sein.
Zwar war Dave nicht bei de Autounfall gestorben, doch verloren hatte ich ihn damals trotzdem, sowie alles andere.
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Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)
General Fiction-Alles an mir war gelogen. Die Antwort auf jedes „Wie geht es dir?", auf jedes „Alles okay?", auf jedes „Es tut mir leid", die Reaktion auf jeden Versuch, mich zu trösten, auf jede Behauptung, dass man mich verstehen würde. Denn das konnte keiner.- ...