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Cameron:

Noahs Zimmertür war offen, aber trotzdem klopfte ich an, damit ich seine Aufmerksamkeit bekam.

Er lag auf dem Boden und hob den Kopf, um mich anzusehen. „Komm rein", meine er nur, ehe den Kopf wieder ablegte.

Ich setzte mich neben ihn und sah ihn eine Weile stumm an, während er an die Decke blickte.

Ich wusste nicht, ob ich etwas sagen sollte. Die Sache mit der Adoption war scheiße kompliziert und ich war absolut nicht dafür. Das würde ihn nur noch mehr zu meinem Bruder machen und das wollte ich nicht, egal wie egoistisch dieser Gedanke war.

Ich überlegte gerade, was ich sagen sollte, als er zu sprechen begann.

„Was heißt Familie eigentlich?"

Ich sah ihn verwirrt an, doch er blickte weiterhin auf die Decke. „Bisher dachte ich immer, Mum, mein Stiefvater und Dave seien meine Familie. Naja und Dad natürlich. Aber jetzt? Weißt du, obwohl bei dem Autounfall nur Mum gestorben ist, fühlt es sich so an, als sie ich als einziger übrig geblieben. Als hätte ich gar keine Familie. Aber dann sitze ich mit euch am Tisch, sehe wie glücklich Kate und Dad sind und weiß, dass du und deine Eltern eine Familie seid. Aber was mache ich da? Ich bin Dads Sohn, ja. Ich gehöre zu ihm, aber nicht zu euch."

Er schüttelte den Kopf und sah mich dann an. „Du bist nicht mein Bruder, das fühlt sich einfach nicht richtig an. Klar, wenn ich bei dir bin, dann fühle ich mich weniger so, als sie ich komplett einsam, aber... Es ist irgendwie anders als bei Dave, weißt du? Und dann ist da noch deine Mum. Manchmal erinnert sie mich an meine eigene. Sie ist so lieb und nett und sie... Sie würde alles für dich tun."

Er schluckte, legte den Kopf wieder zurück und sah erneut stur an die Decke. „Diese Adoption würde mich zu einem Teil eurer Familie machen. Aber nur auf den Papier. Ich denke, manchmal gehöre ich mehr zu euch, manchmal weniger. Ich glaube nicht, dass ich wirklich mehr dein Bruder wäre, wenn ich auch dein Adoptivbruder wäre, wenn man von der rechtlichen Seite mal absieht. Ich glaubte auch nicht, dass ich nicht mehr der Sohn meiner Mutter wäre, wenn deine mich adoptieren würde. Aber sie wäre auch niemals meine Mutter. Wir können machen, was wir wollen, das wird nichts daran ändern, dass ich einfach nicht richtig zu euch gehöre. Auf dem Papier. Aber was, wenn das alles weder wichtig noch nötig ist? Wenn Familie nicht beim Blut aufhört, wenn es kein Stammbaum ist, keine DNS, sondern ein Gefühl?"

Er sah wieder zu mir, stütze sich auf den Ellbogen ab, um ich besser ansehen zu können. „Wenn ich mich nicht so fühle, als sei ich dein Bruder, bin ich es dann überhaupt? Wenn ich mich bei euch so fühle, als gehöre ich zu euch, ändert es dann etwas daran, dass ich es eigentlich nicht tue? Woher soll ich denn wissen, worauf es ankommt, wonach ich entscheiden soll?" Er sah mich hilfesuchend an.

Ich wusste, er erwartete die Ultimative Lösung von mir, den Rat seines Lebens, doch diese hatte ich nicht. Ich wusste nur eines.

„Ich denke, es ist egal, was auf dem Papier steht. Wichtig ist nur, was du fühlst, Noah. Zu schreiben, dass du mein Bruder bist, ist etwas ganz anderes als es zu fühlen. In dem Moment, in dem dein Leben vorbei ist, was bringt es dir da, was auf irgendeinem Dokument steht?" Ich sah ihn direkt an, machte ein kurze Pause.

Ich hätte bei seiner Rede auch gerne eine Denkpause gehabt...

„Es wird nur zählen, was du in deinem Leben gefühlt hast, wen du und wer dich geliebt hat, denn genau das gibt deinem Leben einen Wert."

Nachdem ich fertig war, legte ich mich zu ihm auf den Boden, stützte mich auf einem Ellbogen ab und legte eine Hand auf seine Wange. „Lass deine Gefühle entscheiden. Denn mit denen musst du dann auch Leben"

Er lächelte mich an.

Ich fühlte mich super, weil er wieder lächelte, weil ich ihn dazu gebracht hatte, einfach, weil er mich dabei ansah.

Es war wieder einer dieser Momente, in dem ich erkannte, sie sehr mich alles zu ihm zog, aber auch, wie ich mich selbst zurück zerrte, weil es nicht richtig war.

Ich war so ein Heuchler. Laberte ihm etwas vonGefühlen vor und hielt mich dann selbst nicht daran. Doch dies war etwasanderes. ER war davon betroffen, wie lange ich die Stärke hatte, gegen meinenDrang anzukämpfen. Aber ich wusste, mit jedem Blick von Noah, mit jedem Lächelnund jeder Berührung brach er meinen Willen immer weiter. Die Frage war nur, wielange ich mich dagegen wehren konnte

Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt