Cameron:
„War gestern noch alles okay?"
Montagmorgen. Frühstück.
Noah zog denselben Scheiß ab, wie immer beim Essen, zermanschte es etwas, kaute und trank, sodass es so aussah, als würde er echt essen.
Aber ich konnte es ihm nach dem Gespräch gestern nicht mehr übel nehmen. Ich hoffte einfach nur, es würde sich bessern.
Meine Dad und Mum fragten nun schon zum dritten Mal, ob gestern mit Noah noch alles in Ordnung gewesen war. Ich wollte ihnen ins Gesicht schreien, dass es das Offensichtlich nie war, doch ich ließ es sein. Sie taten ja auch nur ihr Bestes. Auch wenn da bei weitem nicht genug war.
Ich nickte also nur als Antwort und brummte eine Zustimmung.
Noah dagegen lächelte total geschauspielert zu meinem Dad „Mir geht's echt gut. Das gestern war nichts Schlimmes. Ich war wahrscheinlich einfach ein bisschen überarbeitet."
Dad erwiderte das Lächeln und nickte einverstanden. „Mach dir aber nicht so einen Stress. Du kannst die Jahrgangsstufe wiederholen, das wäre völlig in Ordnung. Dann hast du dein Abi halt sowie Cameron auch erst mit 19."
Noah winkte ab. „Ach was, das geht schon klar. Wir haben halt diese Woche ein paar Klausuren, aber danach wird es wieder schön entspannt"
Lügner.
Ich hasste es, ihn lügen zu sehen. Er tat es so verdammt gut. Er hatte so viel Übung. Und würde ich die Wahrheit nicht kennen, würde auch ich ihm diese Lügen abkaufen.
Nach dem Essen fuhren Noah und ich zur Schule. Ich wollte ihm echt böse sein, weil er meine Eltern so scharmlos belog, aber ich wusste, dass er das als nötig erachtete und eigentlich war es das ja auch, damit er nicht aufflog.
Meine Eltern würden sich auch nur unnötige Sorgen machen und nichts ändern können, deshalb verstand ich Noah da schon, aber keine Ahnung. Es fühlte sich einfach nicht richtig an.
Ich griff unter dem Fahren nach seiner Hand. Er drückte meine leicht.
Schon seit Wochen hatte er diese abwehrende Körperhaltung nicht mehr und lief auch nicht mehr ständig mit diesen Kopfhörern herum, sondern nahm auch ein bisschen an der Welt teil.
„Wann hast du eigentlich dein erstes Date mit Ken?", wollte Noah irgendwann wissen.
Ich seufzte „Keine Ahnung. Ist mir grade auch egal"
Das stimmte. Im Gegensatz zu Noah konnte Ken mir am Arsch vorbeikriechen. Doch trotzdem wollte ich ihn ausnutzen.
Ich brauchte meine Ablenkung irgendwoher und von Noah würde ich niemals das bekommen, was Ken mir geben wollte.
Wieso konnte ich nicht einfach in Ken verliebt sein? Er war doch hübsch, nett, konnte was im Bett. Er war eigentlich total perfekt. Es wäre so viel einfacher, ihn zu lieben statt Noah.
Aber wäre es einfach, wäre es ja nicht das Leben.
„Hast du Geld dabei?", fragte Noah wie aus dem nickte.
Ich nickte. „Wieso?"
Aus dem Augenwinkel sah ich ihn mit den Schultern zucken. „Vielleicht kauf ich mir in der Pause was zu Essen. Kannst du mir dann was leihen?"
„Klar", meinte ich sofort.
Dieser Vorsatz von ihm brachte mir sofort bessere Laune.
Er wollte es ändern. Er wollte es verbessern. Er war auch stark genug dazu. Er brauchte einfach nur etwas Zeit. Und ich wollte diese mit ihm verbringen.
Als wir in der Schule ankamen, wurden wir von unseren Freunden begrüßt und begannen sofort ein Gespräch mit ihnen.
Ich legte wie immer einen Arm um Noahs Schultern, doch diesmal tat er etwas ziemlich Verwirrendes. Er drehte mir den Körper zu und umarmte mich. Einfach so. Mitten auf dem Pausenhof schmiegte er sich an mich und hatte auch nicht mehr vor loszulassen.
Ich musse leicht lächeln, als ich die Umarmung erwiderte.
„Was ist denn mit dem los?", fragte Max dann verwirrt in die Runde.
„DER kann dir hören", nuschelte Noah an meine Brust. „und DER braucht halt manchmal einfach eine Umarmung. Was dagegen?" Er drehte den Kopf, sodass er Max herausfordernd ansehen konnte.
Dieser hob abwehrend die Hände. „Nein, Mann, gar nicht. Im Gegenteil" Er schnappte sich Sandy und drückte sie fest an sich. „Maxie braucht auch viel Liebe"
Sandy lachte und küsste ihren Freund.
Ich grinste runter zu Noah und er zu mir hoch.
Keine Ahnung, was dieser Blick zu bedeuten hatte.
Ich kam nicht mal auf die Idee, wie auffällig es war, wie ein Pärchen mit meinem Bruder hier herum zukuscheln, bis Alec das Ganze unterbrach, indem er „Gruppenkuscheln!" rief und somit dafür sorgte, dass er und Mandy (Max und Sandy) im nächsten Moment an Noah und mir klebten und uns durchknuddelten.
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Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)
General Fiction-Alles an mir war gelogen. Die Antwort auf jedes „Wie geht es dir?", auf jedes „Alles okay?", auf jedes „Es tut mir leid", die Reaktion auf jeden Versuch, mich zu trösten, auf jede Behauptung, dass man mich verstehen würde. Denn das konnte keiner.- ...