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Noah:

Ich saß bestimmt stundenlang einfach nur da, in dem Stillen, leeren Wohnzimmer und dachte nach. Über einfach alles.

Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.

Menschen, die ich geliebt hatte, Menschen, die ich liebte und Menschen, die ich immer lieben würde.

Ich vergoss dabei zugegebenermaßen auch die ein oder andere Tränen, wusste aber nicht so recht wieso. Es lag einfach an allem.

Aber obwohl ich mir sicher war, dass ich ohne Daves Anwesenheit heute nicht so drauf wäre, verweigerte ich den Gedanken daran, dass er Schuld war. Das war er nicht. Ich war schuld und das war es, was mich fertig machte.

Ich hatte meine Mutter auf dem Gewissen, den Vater meines Bruders und ich würde ihn auch noch auf dem Gewissen haben. Ich war derjenige, der für seine Drogensucht verantwortlich war. Er war das Opfer in dieser Geschichte. Er war derjenige, der alles tat, um zu überleben, selbst, wenn ihn das langsam aber sicher umbrachte.

Ich hatte das Leben meines Bruders zerstört und ich fragte mich, was ich eigentlich mit Cams Leben machte.

Er hatte seine Freunde, seine Familie, einen Verehrer.

Ohne mich könnte er so sorglos sein. Er könnte offen zu seiner Beziehung mit Ken stehen, Dad wäre stolz auf ihn und würde ihm nicht immer vorwerfen, er sei ein schlechter Einfluss für mich, er könnte sich auch mal um sich selbst kümmern...

Cams Leben wäre ohne mich besser, das wusste ich.

Es war so egoistisch von mir, trotzdem bei ihm bleiben zu wollen.

Ich liebte ihn so sehr. Das war, was schmerzte.

„Hei, Noah" ich hörte Kates Stimme, die etwas verwirrt klang und sah zu ihr.

„Hei"

Besorgt musterte sie mich. „Alles okay? Wo ist dein Bruder?"

Autsch.

„Hat nh Date"

Kate zog die Augenbrauen hoch, als sie erkannte, wie sehr mir das missfiel. „Mögen wir das nicht?", fragte sie und setzte sich zu mir.

Ich zuckte mit den Schultern. „Ken ist ganz nett... er ist reich und gutaussehend... er hat Cam viel zu bieten" ... im Gegensatz zu mir.

„Mhm", mache Kate nachdenklich. „Hast du Angst, dass Cameron weniger Zeit für dich hat, wenn er wieder eine Beziehung hat? Oder, dass er wieder so unerträglich eingebildet wird?"

Als sie mich das fragte, sah ich sie an und erkannte ihr Grinsen. „Ach Schätzchen", seufzte sie. „In seiner Beziehung mit Matthew diesem hässlichen Dödel konnte ich ihn auch nicht leiden und er ist mein eigener Sohn! Er lässt sich etwas zu einfach von den Leuten um ihn herum beeinflussen... Aber ich bin froh, dass das wenigstens bei dir gute Auswirkungen hat" Sie rubbelte über meinen Kopf und ich musste irgendwie lächeln.

Ich fühlte mich so akzeptiert von ihr...

Würde das auch noch so sein, wenn sie wüsste, dass ich ihren Sohn liebte? Dass wir uns nähergekommen waren, sowohl emotional als auch sexuell?

Würde sie mich immer noch akzeptieren, wenn sie meinen Wunsch kannte, mich ihm vollkommen hinzugeben und zu spüren wie wir eins wurden?

Die Antwort war irgendwie klar: Nein.

Wieso sollte sie auch? Das zu unterstützen wäre fast noch schlimmer als es selbst zu empfinden. Ich wusste das.

Bevor wir weiter reden konnten, schwang die Tür auf und ich hörte ein Geschrienes: „Bin zuhause!" von meiner Lieblingsstimme, ehe Cam aus dem Flur ins Wohnzimmer trat.

Er sah mich neben seiner Mutter auf dem Sofa sitzen, sein Lächeln ging zurück, als er erkannte, dass es mir nicht gut ging.

Es passierte schon wieder. Ich machte ihn traurig. Das wollte ich nicht. Niemals.

„Ich werde mich mal ans Kochen machen. Später will ich genaue Infos über dein Date und diesen Ken" Kate zwinkerte Cam zu, tätschelte seine Schulter beim Vorbeigehen und ließ ihn mit mir hier zurück.

Sobald sie weg war, bewegte er sich auf mich zu. „Was ist los? Du siehst so traurig aus. Hat Dave was gemacht? Oder Alec? Oder Mum? Bitte rede mit mir Noah" Er setzte sich zu mir, nahm meine Hände, die bis dahin an meinen angezogenen Beinen gelegen waren.

Ich schüttelte den Kopf. „Es ist nichts, ich hab nur nachgedacht"

Cam seufzte.

Er wusste, dass meine Gedanken oft in eine dunkle Ecke führten. Eigentlich immer, nur nicht wenn er da war. Er war wie mein Licht und ich eine Motte, die dieses nicht teilen wollte.

Ehe ich mich versah, war er auch schon an mich herangerutscht und hatte die Arme um mich gelegt.

Er gab mir einen Kuss auf den Kopf und legte seinen dann auf meinem ab. „Was hat dich dazu gebracht?"

Er wusste, meine Gedanken auszusprechen war schwerer als einfach den Grund für mein Abdriften zu nennen. Dieser war einfach.

„Alles", flüsterte ich, schmiegte mich an ihn. „Ich hab mir vorgestellt, wie du deinen Spaß mit Ken hast und Dave war auch wieder so komisch drauf und keine Ahnung... Es ist alle scheiße"

„Sch, sag das nicht, jetzt bin ich ja wieder da", flüsterte er, drückte mich fester.

Ich schloss die Augen, wollte es genießen, aber konnte nicht.

Es war als hätte man einen Schalter umgelegt, der dafür sorgte, dass ein kleiner Noah in mir die ganze Zeit schrie, die egoistisch ich war, was für ein schlechter Mensch. Er zeigte mir all meine Fehler auf und, dass ich Cam in all das mitreinzog. Er sorgte dafür, dass der kleine Teil in mir, den Cam niemals erreichen können würde, um ihn zu erhellen, mich nur noch mehr verachtete dafür, dass ich hier in den Armen meines Bruders saß, mich von ihm trösten ließ und das auch noch genoss.


Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt