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Noah:



Ich kann nicht fassen, dass ich nur blöd nebendran gestanden war, als dieser Ken mit Cameron geflirtet hatte.

Der hatte ihn doch durch seinen bloßen Blick schon ausgezogen. Ne, das sah ich gar nicht ein.

Selbst beim Abendessen dachte ich noch daran, weshalb ich meinen Ärmel voll in den Teller hielt.

„Super!", meinte ich ironisch und zog den Hoodie über den Kopf, ohne nachzudenken.

Im Shirt saß ich da und aß weiter. Meine Gedanken waren einfach woanders.

Solange, bis ich bemerkte, dass Cameron mich anstarrte.

Er beobachtete jede Bewegung meiner Arme, doch nicht um der Bewegung willen.

Als ich realisierte, dass ich im Shirt hier saß, sprang ich auf, snappte mir meinen Hoodie und rannte die Treppen hoch.

Aber Cameron folgte mir. „Jetzt hab ichs eh schon gesehen!"

„Dann vergiss es wieder!", gab ich durch die geschlossene Tür meines Zimmers zurück.

Ich lehnte mich mit klopfendem Herzen von innen dagegen und hoffte, er würde einfach nachgeben.

Doch er tat es nicht. „Noah, rede mit mir"

Er klang flehend, leidend.

Gequält schloss ich meine Augen und atmete tief durch. Ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte und wenn ich es ihm sagte, dann würde ich mich wenigstens zuhause nicht mehr verstecken müssen.

Ich pumpte meine Lungen mit Luft voll, ehe ich mich umdrehte und die Tür öffnete.

Cameron sah mich an. Aber nicht auf meine Arme, sondern in meine Augen.

Es verging eine Zeit, in der wir uns still anstarrten. Ich überlegte mir die passenden Worte, doch sie fielen mir nicht ein.

Als ich beschloss, dass es jetzt mit dem Gestarre reichte, ging ich einen Schritt zurück und machte ihm somit Platz, sodass er ins Zimmer kommen konnte.

Zögerlich trat Cameron ein und sah mich an, während ich die Tür schloss.

Danach drehte ich mich zu ihm um.

Wollte ich das jetzt echt tun? Ich wusste, dieser Moment konnte viel in der Beziehung zwischen Cameron und mir ändern, sie verfestigen und ich entschied mich dafür.

Ich ging an ihm vorbei, setzte mich auf mein Bett und klopfte dann neben mich, damit er herkam.

Er verstand die Aufforderung und setzte sich neben mich, sah stumm auf den Boden vor uns.

Ich sah ihn an. Wie von allein streckte sich meine Hand nach ihm aus, ich drehte seinen Kopf zu mir.

Seine blauen Augen sahen mir schmerzerfüllt entgegen. Ich erwiderte den Blick ruhig.

Ich hatte keine Angst mehr, sowie noch vor ein paar Minuten. Ich fühlte mich sicher runter seinem Blick. Ich wusste, er würde es gerne wissen, was mit mir los war, doch er würde mich niemals dazu drängen. Er würde mich verstehen. Und mich beschützen. Deshalb wollte ich mich ihm anvertrauen.

„Jetzt frag schon", sagte ich leise, ruhig.

Ich war nicht mal nervös.

Er schluckte, sah von meinen Augen zu meinen Armen.

Vorsichtig streckte er die Hand nach meiner aus, nahm sie in seine und zog sie zu sich, sodass er meinen Arm besser sehen konnte. Und all die Narben darauf.

Mit einer Hand hielt er meine Finger mit seinen verschränkt, mit der anderen fuhr er vorsichtig über meinen Unterarm. „Wo..." Er räusperte sich. „Woher hast du die?"

Er sprach leise, als habe er Angst, mich zu verschrecken. Aber ich wusste, dass ich keine Angst haben musste, obwohl es an der Zeit war, auszupacken.

Ich könnte ihn auch einfach aus meinem Zimmer schicken, aber ich wollte nicht. Er hatte mir von der schlimmsten Zeit seines Lebens erzählt und jetzt war ich dran.

„Zigaretten", meinte ich.

Ich hörte, wie er die Luft scharf einzog, sah von seiner Hand in sein Gesicht hoch, doch er mustere meinen Arm und sah also aus, als habe er nun die Schmerzen, die ich damals gehabt hatte.

„Und wer...?" Für einen kurzen Moment biss ich die Zähne zusammen, aber ich würde nicht mehr weinen. Nicht deshalb. Der physische Schmerz war nichts, gegen den psychischen. „Mein Stiefvater"

Seine Augen öffneten sich, er sprach schneller, als er denken konnte. „Aber er war doch immer so nett..."

Mein Schnauben klang bitter. „Matt doch auch oder?"

Er schluckte und nickte niedergeschlagen, sah zu meinem Arm zurück.

Mit dem Finger fuhr er vorsichtig über die Brandnarben, ganz sanft, als wollte er den Schmerz wieder gutmachen. Und das tat es... Auf eine gewisse Weise...


Das Herz meines Bruders (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt