Sondergenehmigung (mit Julian Draxler)

Ohne Aleyna, ohne mich

"Komm, ich hab Essen mitgebracht. Das tut dir bestimmt gut.", erhebt Mama sich. Ich versuche, zu lächeln. "Danke Mama, aber ich hab mit Leyla gegessen. Lass' du es dir schmecken.", blicke ich sie an. Sie schaut mich einige Sekunden an, bevor sie mir einen Kuss auf die Stirn drückt. "Sei nicht so bestürzt. Du bist die Tochter von Dortmunds bester Anwältin. Wenn du nicht argumentieren kannst, warum du diese Genehmigung bekommen musst, müssten wir mal nachforschen, ob du bei der Geburt nicht vertauscht wurdest.", scherzt sie, um mich aufzuheitern. Ich muss tatsächlich lachen. "Ich liebe dich, Mama. Iss' lieber, bevor dein Essen kalt wird.", bitte ich sie, mich alleine zu lassen. Sie lächelt. "Ich liebe dich auch, meine Große. Und egal, was kommt, ich bin stolz auf dich. Und das kannst du auch sein, egal, was passieren mag. Du hast seitdem du 15 bist die Aufmerksamkeit von ganz Fußball-Deutschland auf dich gezogen, du hast erlebt, wovon jede Frau in diesem Sport nur träumen kann. Du bist mit deinem jungen Alter bereits zum Vorbild gereift, hast so viele mit deiner Leidenschaft motiviert und inspiriert. Lass' dich von so einem Schriftstück jetzt nicht runterziehen. Du wirst kriegen, was du willst. Du weißt es selbst.", baut sie mich ein weiteres Mal auf. Ich umarme sie nochmal ganz fest, bevor sie mein Zimmer verlässt. Ich schließe hinter ihr die Tür und atme einmal tief durch, bevor ich den Brief in die Hand nehme und abfotografiere. Ohne etwas dazuzuschreiben, schicke ich ihn in die WhatsApp-Gruppe meines DFB-Teams. Keine 5 Sekunden später klingelt bereits mein Handy, es ist Armin. "Bist du zuhause?", fragt er. "Ja, warum?", gebe ich zurück. "Bin in 30 Minuten bei dir.", höre ich, bevor er auflegt. Ich öffne die Gruppe und lese mir die Antworten der Jungs durch. "Wen wollen die verarschen? Was für Komplikationen?", schreibt Lennard. "Junge, wenn es sein muss, bezahl ich alle angeblichen Umstände, was stimmt mit denen nicht?", fragt Marvin. Ich muss kurz lachen, bevor ich weiter lese. "Ohne Aleyna, ohne mich. Stehe bestimmt nicht für den Verband auf dem Spielfeld, wenn die sich nicht den Aufwand machen wollen, weil sie sich zu fein sind.", fügt Marvin hinzu. Wieder muss ich lächeln. Obwohl es so lächerlich klingt, was die Jungs schreiben, weiß ich, dass sie es wirklich so meinen. Sie würden ernsthaft lieber auf ihre eigene Nationalmannschaftskarriere scheißen, als zuzusehen, wie der DFB mit mir macht, was sie wollen. Was für ein Glück habe ich eigentlich, so tolle Menschen um mich herum zu haben? Wir sind einfach eine Familie, die nicht einmal derjenige zerstören darf, für den wir eigentlich auf dem Platz stehen. Ich liebe diese Jungs einfach und will mir gar nicht vorstellen, was wäre, wenn ich nicht mehr gemeinsam mit ihnen auflaufen könnte.
"Haha, beruhigt euch, Jungs. Erstmal: Ich liebe euch. Aber bleibt noch etwas entspannt. Ich werde Widerspruch einlegen und für meine Genehmigung kämpfen. Ich weiß nicht, ob es was bringt, aber ich werde alles dafür tun. Und selbst, wenn es nicht klappen würde, würde ich jeden Einzelnen von euch töten, wenn er deswegen seine eigene Karriere zerstört. Ich bin halt einfach im falschen Körper geboren, dafür könnt ihr herzlich wenig.", versuche ich die Stimmung zu lockern, als es auch schon an der Tür klingelt.