Kapitel 69

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Madisons POV:

Es fühlte sich an wie ein Dejavu, nur viele Jahre später. Diesmal rannte ich nicht sondern lief langsam fast schon vorsichtig, um die Erinnerungen in mich aufzusaugen. Früher war ich diesen Weg oft gegangen, ja fast jeden Tag. Sechs Jahre ging ich ihm dann aus dem Weg, lief sogar extra länger um hier nicht entlanglaufen zu müssen. Jeder Schritt fühlte sich so neu und fremd und doch gleichzeitig so altbekannt an. Ich wusste nicht ob es mein Herz weiter zerriss oder es sich nach und nach von selbst zusammen flickte.

Es tat weh. Doch gab es unterschiedliche Dinge aus den unser Herz leiden konnte. So wie Jins Schmerz als er über seine Mutter schrieb, wie mein Schmerz wenn ich meine Freunde sah, die ich so sehr vermisste oder den Schmerz den ich Namjoon gegenüber verspürte wenn ich ihn in meiner Nähe spürte. Es schmerzt nicht nur wenn wir leiden sondern auch wenn wir etwas lieben. Die letzten Jahre hat mein Herz mir genau gesagt was zutun war, doch hatte ich eher auf meinen Kopf gehört.

Stimmte der Spruch "Herz über Kopf" doch? Früher hätte ich den Kopf geschüttelt. Wieso sollte ein Organ wie das Herz das rationale Denken übertrumpfen, wenn es um Entscheidungen ging? Das war bevor ich wusste wie man liebte. Noch heute verstand ich das Wort ,,Liebe" nicht genau. Vermutlich hätte das auch ein Satz aus Namjoons Mund sein können, denn wie ich dachte er sehr sachlich. Doch wir beide lernten dass wir mit diesem Denken falsch lagen.

Wenn es um unsere Gefühle für einander ging war logisches Denken sinnlos, denn es war etwas entstanden dass man mit bloßen Worten nicht beschreiben konnte. Ein Blick, eine Berührung oder nur die bloße Präsenz wirkte Wunder. An manchen Tagen war es ein kleines kribbeln in der Brust, an anderen Tagen eine so übermannende Wärme die die Antarktis auftauen könnte.

Die Straßen waren älter geworden, so wie wir. Als wir zusammen kamen waren wir jung, sehr jung sogar. Ich war offiziell nicht mal volljährig. Es war Winter, nun waren sechs ein halb Jahre seit dem Konzert vergangen dass unsere Leben verändert hat. Fünf Jahre war es her als ich mich von ihm trennte. Vor fünf Jahren hatte ich nicht nur mein Leben zerstört sondern auch das einer geliebten Person.

Ich habe versucht meine eigenen Gefühle vor mir zu verstecken, habe versucht sie zu überdecken, dabei war doch die einzige Person die mich wieder aufbauen konnte er. In den letzten Jahren lebten wir sehr gegensätzlich. Wärend ich ihm aus dem Weg gegangen war, versucht habe mich abzulenken, hat er versucht meine Nähe auf eine andere Art und weise zu suchen.

Die ganze Zeit hatte ich es nicht bemerkt, ich hab es einfach nicht gesehen. Doch jedes Mal wenn Namjoon durch den Park ging oder zu meiner Mutter in den Laden ging, wollte er mir damit etwas näher kommen. Die Sicht auf der Parkbank die wir zu jeder Jahreszeit beobachtet hatten oder die Zimtschnecken meiner Mutter waren wie eine Droge für ihn. Es waren Erinnerungen an mich an denen er sich festhielt.

Anfangs dachte ich er wolle mich damit provozieren, damit ich mich schlecht fühlte, doch seine Absicht war ganz anders. Wenn ich genau darüber nachdachte gab es auch etwas an dem ich festgehalten hatte. Meine Briefe waren mein Rückzugsort in die Realität nach der ich mich sehnte. Jins Erzählungen hielten mich zuzmindest noch ein Stück weit in dieser Welt. In der Welt in der ich glaubte nicht mehr sein zu können.

Eine Schneeflocke fällt. Ich bleibe stehen. Ich legte meinen Kopf in den Nacken. Die kühle Luft streift über meine Haut, sie wehte Teile meines Ponys zur Seite. In Kanada war ich ein Freak mit meiner blassen Haut, hier war ich beliebt für Kosmetikspots. Eine Schneeflocke verfängt sich in meinen Wimpern, ich blinzelte sie weg und richtete meinen Kopf wieder gerade. Der Knoten an meinem Mantel hatte sich gelöst so dass er nun offen an mir herunter hing.

Mir war nicht kalt. Es gab Sommertage an denen ich mehr Kälte verspürte als jetzt. Es hatte nichts mit dem Wetter zutun. Neben mir lag ein Kiosk. Es war dieser an dem ich Namjoon nach meinem ersten Abend in Korea das zweite Mal traf. An dem Tag an dem er  mir den Park zeigte. Die Schaufenster waren leer. Es sah so aus als wäre eine ganze Weile keine Person darinn gewesen. Er hatte geschlossen.

Ich setzte wieder einen Fuß vor den anderen. An der Kreuzung sah ich mich um. Von hier aus konnte ich das Gebäude sehen in dem ich mit Eun-Woo gewohnt hatte. Es war nicht weit weg vom Park. Als die Ampel grün wurde lief ich über die Straße. Die Scheinwerfer der Autos würden mich unter normalen Umständen nervös machen. Wenn man mich erkennt, würden in wenigen Minuten einige Jornalisten bereits hier herumlungern.

Es hatte bereits gedämmert als ich losgelaufen war, doch jetzt war es stockduster. Das Café meiner Mutter würde demnächst schließen. Vielleicht war Namjoon schon auf dem Rückweg, vielleicht war er auch woanders hingegangen. Ich ließ den Gedanken fallen. In dem Moment war es mir egal. Ich würde jetzt nicht zurückgehen. Jetzt werde ich keinen Rückzieher mehr machen.

Der Boden unter meinen Füßen wurde plötzlich uneben. Ich stand nicht mehr auf festem Boden. Bereits am Eingang des Parkes bestand der Boden aus Kieß. Meine Schuhe hatten einen breiten Absatz mit dem ich ohne umzuknicken vorankam. Alleine war ich bei Nacht noch nie in den Park gekommen. Meistens hatte mich Namjoon begleitet. Sterne waren nicht zu sehen, nur der Mond scheinte zwischen den Wolken hindurch.

Die Schneeflocken wurden immer dicker. Auf dem Boden legte sich bereits eine dünne Schneeschicht ab. ,,Schneeflocken haben immer sechs Ecken, dass ist von Forschern bewiesen und meiner Meinung nach ein Wunder der Natur." hatte Namjoon zu mir einmal gesagt. Es war zur Weihnachtszeit. In dem Jahr hatte es in Seoul zwar nicht geschneit aber mein Vater hatte mir das Buch ,,Schneefall" geschenkt.

Ich hatte das Buch heute noch, auch wenn es derzeit noch in einem der Kartons lag. Ich war vielleicht fähig Klamotten auszumisten, doch bei Büchern war das etwas ganz anderes. Man konnte doch keine Bücher weg geben. Ich steckte meine Hände in meine Manteltasche. Wasserrauschen trieb mich an. Meine Schritte wurden schneller. Ich hörte das plätschern des kleinen Sees ganz in der Nähe.


The Bright Love BTS FF (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt