Stille

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Alexander

Ist es gerade bei euch still? Oder hört ihr irgendwelche kleine Geräusche, die so alltäglich sind das ihr sie bereits überhört? Hättet ihr gerade gerne schweigende Ruhe oder braucht ihr immer irgendetwas was ein Geräusch von sich gibt. Sei es das Radio, das ticken der Uhr oder der Fernseher, der nur läuft, damit es nicht komplett Still ist?

Jeder geht anders mit Stille um. Und die Stille ist wie ein wandelnder Mensch. Sie hat so viele Charakterzüge. Manchmal ist sie freundlich und man genießt ihre Anwesenheit aber manchmal da verflucht man sie, würde sie am liebsten wieder weg schicken.

Die Stille ist meine beste Freundin. Sie ist mein Schatten und das schon eine sehr lange Zeit. Ich mochte sie. Solange bis ich ihn kennen lernte.

Meine Geschichte fängt an einem typischen Montag an. Ob man es glaubt oder nicht auch dieser Tag hat nur vierundzwanzig Stunden. Stellt euch mal vor der Montag würde zum Beispiel Dienstag heißen, würden wir ihn dann auch so verfluchen?

Ich arbeitete wie jeden Montag in dem Hotel welches ich zusammen mit meiner Schwester Isabelle leitete. Dabei zog ich mich gerne eher als Stellvertreter zurück und erledigte den Papierkram, den Izzy nur allzu gern liegen ließ. Dafür war sie eher mehr im Hotel präsent, was ich eher weniger mochte.

Ich plante gerade ihre Termine als ich im Augenwinkel sah, wie sich Izzy vor den Schreibtisch setzte. Sie war eine typische Businessfrau. Das hatte sie, auch wenn man ihr das nicht sagen durfte, von unserer Mutter. Dabei gab es eine Eigenschaft die ich sehr liebte. Sie setzte sich für unsere Mitarbeiter ein. Izzy nahm sich viel Zeit für jeden einzelnen. Selbst wenn es um private Probleme ging. Das eine mal hat sie sogar den Babysitter gespielt. Sie machte alles mit einer Leidenschaft, die alles in den Schatten stellte.

"Hast du schon den neuen Praktikanten gesehen?" Meine Augen waren unmerklich auf ihre Lippen gerichtet. Ich schüttelte nur den Kopf. Das sie mich auch immer wieder verkuppeln wollte. Ich weiß das sie es nett meinte. Aber wenn ich bei jedem männlichen Geschöpf denken würde das, das der Partner für das Leben sein könnte, wie sollte ich da den Richtigen finden? Die Liebe würde einen selbst schon finden. Es brachte nichts ihr hinter her zu jagen.

"Ich bleibe lieber bei meinen Schreibtisch und stelle sicher, das er nicht umfällt." Der Raum war still, als ich sprach. "Du weißt das, du dich verkriechst?" Izzy brachte schon immer ein gewisses Temperament mit, welches man keinesfalls unterschätzen sollte. Nur bei mir, da blieb sie immer ganz ruhig, was ich sehr schätzte.

"Ich mache nur meine Arbeit." versuchte ich zu erklären. Izzy steht daraufhin auf und ich gehe schon davon aus, das sie eingeschnappt ist. Zumindest sagt mir das ihr Gesicht. Aber das kurze blaue Licht auf meinen Schreibtisch sagt mir, das anscheinend jemand vor der Tür steht. Locker lehne ich mich in meine Stuhl zurück und beobachte dabei die Körperhaltung meiner Schwester. Sie ist entschlossen gepaart mit einer gewissen Traurigkeit.

Meine Aufmerksamkeit glitt zu der Person vor der Tür, die Izzy aufgerissen hatte. Ich richte mich sofort auf, als ich den Mann vor der Tür stehen sehe. Seine Haare sind zu spitzen geformt. Er trägt einen Eyeliner, auf den meine Schwester bestimmt neidisch ist. Die Gesichtszüge sind markant. Hohe Wangenknochen, auffällig grüne Augen, gerade Nase und perfekt geschwungene Lippen, die zu einem Lächeln geformt sind. Selbst das weiße Hemd und die schwarze Anzugshose gepaart mit der Weste lässt er strahlen.

Ich sehe wie sich seine Lippen bewegen. Schnell und so undeutlich, das ich ihm nicht folgen kann. Zusammen mit dem was er sagt, nutzt er artikulierend seine Hände, die ebenfalls keinen sinnvollen Satz bilden. Sie sind viel zu hektisch.

Der Mann scheint etwas nervös zu sein, dabei sehe ich aber das strahlen in seinen Augen. Er muss ein ganz fröhlicher Mensch sein. Seine ganze Körperhaltung ist so undeutlich und laut, das ich mich stark konzentrieren muss, etwas aus ihm heraus zu lesen. Selten habe ich so eine Unstimmigkeit in einem Menschen gesehen. Es macht ihn interessant und zum ersten mal, nach sehr sehr lange Zeit, kam in mir das Bedürfnis auf, mich unterhalten zu wollen.

Der Blick des Mannes richtete sich auf mich und es ist das erste mal, wo er ganz still da steht. Es ist eine willkommene Abwechslung obwohl ich am liebsten ihn wieder tänzelnd sehen würde. Er ist für das ruhige nicht gemacht. Der Mann, welcher wahrscheinlich der neue Praktikant ist, schien meine stillen Gebete gehört zu haben, denn seine Arme sowie seine Lippen nehmen ihre Bewegung wieder auf.

Und trotz das er mich ansieht und anscheinend mit mir spricht, höre ich nichts. Gern würde ich ihm zuhören und ihm die Frage, die er anscheinend hatte, beantworten. Aber auch das ging nicht. Ich erkannte nur aufgrund seiner Mimik das er eine Frage hatte und diese Information, die mir mein Wissen gab, war so ernüchternd wie schon lange nicht mehr.

Schon oft gab es Momente, wo ich mich einsam fühlte. Einfach vollkommen fehl am Platz. Irgendwie schaffte ich es immer wieder neue Hoffnung zu sähen und zu ernten. Und in letzter Zeit lief das eigentlich ganz gut.

Aber es konnte natürlich nicht immer so bleiben. Fast schon enttäuscht und gleichzeitig verwirrt sah mich der Mann an. Der mitleidige Blick von Izzy und das stocken an ihrem leicht geöffneten Mund, war irgendwie zu viel.

Rasch stand ich auf und drängelte mich zwischen die beiden hindurch, wobei sich unsere Oberkörper berührten. Es war eine Sekunde, die ich Zeit hatte ihm in die Augen zu sehen und die goldenen Sprenkel, die wie gefallene Sterne glitzerten zu erblicken. Noch bevor sich der Bann, in den er mich ziehen wollte aufgebaut hatte, ließ ich die beiden zurück.

Es war kein erster guter Eindruck den ich da hinterlassen hatte. Er würde bei diesem Mann in Erinnerung bleiben und wahrscheinlich würde er mich bei unserem nächsten zusammentreffen darauf ansprechen. Dabei konnte ich nur beobachten wie sich seine Lippen bewegten, sein Gesicht regte und seine Körperhaltung sich veränderte. Vielleicht auch wie er seine Hände wieder benutzte. Ich würde versuchen seinen Lippen zu folgen.

Und selbst wenn ich ansatzweise verstehen würde, was er von mir wollte. Ich wäre in diesem Augenblick immer noch nicht fähig ihm zu antworten, so sehr ich mir das auch wünschen würde.

Genau jetzt würde ich gern die Stille verabschieden.

Malec KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt