Himmel auf Erden (die vierzehnte)

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Magnus

Während Alexander bei Rafael war, saß ich neben meiner Tante. Sie musste beatmet werden und einige andere Schläuche führten von ihrem Körper zu den verschiedensten Geräten. Diese Situation erinnerte mich an früher. Es war wie ein Déjà - vu. Nur das damals meine Mutter in so einem Bett lag. Auch sie hatte einen Autounfall gehabt. Damals wurde mir bereits vorher mittgeteilt das mein Vater bereits in dem Wrack gestorben ist. Wahrscheinlich war das bis jetzt der schlimmste Tag und er würde es auch immer bleiben. Ich hatte nie das beste Verhältnis zu meinen Eltern gehabt. Eigentlich das schlimmste. Aber kurz bevor sie gestorben sind, haben wir eine Familientherapie gemacht. So hatte es das Jugendamt gewollt. Ich war damals fünfzehn. Die Therapie half und oft fragte ich mich wie es jetzt wäre, hätten wir die Möglichkeit gehabt, die Therapie länger zu machen. Meine Tante hat mich recht schnell wieder aufgepäppelt. Aber die eigentliche Hilfe war gerade bei Rafael. Ich erinnere mich noch genau an diese Nacht.

Flashback

Wer fände es nicht auch mal cool mit einem Polizei Auto zu fahren? Ja, das war auch immer mein Gedanke. Ich fand diese Autos, die auch gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen durften schon immer faszinierend. Nur den Job fand ich nie so interessant, bewundernswert aber keines Falls etwas für mich.

Jetzt wünschte ich, nicht in so einem Wagen zu sitzen. Sondern lieber vor einem Buch oder dem Fernseher. Ja ich würde auch lieber stricken lernen als hier zu sein. Gerade hat man mir mitgeteilt das meine Eltern einen Autounfall hatten und das mein Vater bereits am Unfallort verstorben ist. Meine Mutter liegt im Koma und kämpft um ihr Leben. Und die Polizei fährt mich gerade zu ihr.

Ich wusste nicht wo mir der Kopf stand. Ich wusste nicht was ich fühlen sollte und was richtig wäre überhaupt zu fühlen. Ich wusste nicht wie ich reagieren würde und noch weniger wusste ich wie ich diese Nacht psychisch überstehen sollte. Nur eins wusste ich. Ich brauchte diese eine Person die wahrscheinlich die Ruhe statt das Blut in ihren Venen trug.

Kannst du bitte ins Krankenhaus kommen?

Ich bin unterwegs.

Ich massierte meine Nasenwurzeln und versuchte so meine Tränen zurück zu halten. Er hatte noch nie irgendwelche Fragen gestellt. Alexander war einfach da. Würde ich ihm ständig mit der 'Merci' Schokolade danke sagen, dann wäre er wahrscheinlich der schwerste Mensch der Welt. Oder er hätte Diabetes. Oder beides.

Am Krankenhaus führten mich die Beamten noch zu dem Zimmer. Erst dort ließen sie mich allein. Und da stand ich. Verloren vor meiner bewusstlosen, blassen und von blauen Flecken übersäten Mutter. Ihre Augen waren geschlossen. Ihr Brustkorb hob und senkte sich nur durch diese eine laute Maschine. Wurde jetzt vielleicht irgendetwas von mir erwartet? Musste ich ihre Hand halten? Sollte ich mit ihr reden? Musste ich jetzt nicht weinen? War es nicht das was in Filmen immer so dargestellt wurde?

"Du musst gar nichts." sagte eine leise, mir so bekannte Stimme. Ich drehte mich zur Tür um und da stand er. Alexander. Er kam auf mich zu und nahm mich einfach in den Arm. Da war einfach ganz viel Wärme. "Ich habe unten im Eingangsbereich einen Süßigkeiten Automaten gesehen. Würdest du mich begleiten?" Ich habe aufgehört mich zu fragen, woher er so ein gutes Gespür hat, um immer zu wissen was ich brauchte und hören wollte. Aber manchmal sagte er mir auch das was ich hören musste.

Bei dem Süßigkeiten Automaten angekommen holte er zu erst eine Tüte Gummibärchen. Alec setzte sich neben den Automaten und lehnte sich an die Wand an. Ich tat es ihm gleich und fast in Stille putzten wir die Tüte weg. Als nächstes waren weiße Mäuse dran. Er wusste immer noch nicht was genau passiert ist. "Weißt du noch vor ein paar Jahren als mir der Knopf von meiner Jeans abgesprungen ist, weil ich zu süchtig von diesen Schlumpf Gummibärchen war?" Leise lachte ich als ich daran dachte.

"Ja oder als wir zusammen acht Kugeln Eis verdrückt haben?" Auch er fängt an zu grinsen. "Danach hingen wir glaube ich über den Klo und unsere eigene Sorge war das wir Laktose Intolerant sind." Ich musste mehr lachen. "Einen Tag später haben wir doch den Extrem Test gemacht." Ich hörte Alec gerne beim lachen zu. Er war ein fröhlicher Mensch aber beherzt zu lachen zeigte er nicht jedem. "Drei Kugeln Eis für jeden." sagten wir gleichzeitig, während wir unsere bebende Bäuche hielten. "Und jetzt stopfen wir uns wieder zu. Diabetes lässt grüßen." Er zuckt nur mit den Schultern. "Umso schwerer wir sind, desto schwerer ist es auch uns zu entführen. Außerdem nehme ich das gerne in Kauf für dich."

Ich hielt inne und sah Alexander an.

Flashback

Wahrscheinlich wusste in diesem Moment meine Mutter bereits das ich bei Alec in guten Händen sein würde, denn während wir den Automaten leerten, vergaß sie wie man atmete.

Erst mehrere Tage später fing ich in einem Augenblick einfach an zu weinen. Es kam total unerwartet aber es brachen alle Dämme und so ließ ich alles heraus. Jetzt, fast zwölf Jahre später wusste ich eben so wenig was ich fühlen sollte. Es war eine reinste Überforderung. "Auch einen Schlumpf oder lieber eine weiße Maus?" Ich erschrak als mein Freund plötzlich neben mir stand. In seinen Händen hielt er die zwei Tüten und das Baby Phon. "Keine Sorge Rafael schläft wie ein Stein. Die Schwestern haben seinen Raum abgeschlossen. Außerdem ist der Kollege der hier bei deiner Tante gerade herunter gegangen."

Er zog uns beiden jeweils einen Stuhl heran und reichte mir dann die weißen Mäuse. Ich biss der einen den Schwanz ab. Ich lächle leicht. "Du kennst mich wahrscheinlich besser als ich mich selbst." gebe ich dann zu. Er lächelt fürsorglich. "Ich wusste nicht mal das ich jetzt Süßes brauche. Erst als du es mir angeboten hast, wurde es mir klar." Alec zuckt leicht mit seinen Schultern. "Dein Herz und mein Herz sind schon sehr, sehr, sehr lange alte Freunde." Er greift nach meiner Hand. "Weißt du Magnus, mit dir hat in der Middle School ein Kapitel begonnen, das niemals zu Ende gehen wird."

Die einzelnen Tropfen ziehen sich wieder zu einer Pfütze zusammen, die wahrscheinlich nie wieder ein anatomisches Herz bilden wird. Er haucht mir einen kurzen Kuss auf die Lippen, als schon eine Schwester in das Zimmer gestürmt kommt.

"Mr. Lightwood ihr Kollege braucht sie dringend."

...Fortsetzung folgt

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