Himmel auf Erden (die erste)

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Magnus

Noch in Schlafhose und Shirt zog ich mich konzentriert meinen Eyeliner. Das habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gemacht. Na gut eigentlich waren es erst zwei Monate, aber das sollte schon etwas bei mir heißen. Die Türklingel ließ mich erschrocken hoch fahren. Dabei verrutsche ich mit meiner Hand und der Strich ging bis zu meiner Schläfe. Genervt knurrte ich, sah dann aber gleichzeitig auf das Babyphon. Als sich nichts rührte atmete ich erleichtert durch und ging dann mit diesem schrecklichen Eyeliner zur Tür.

"Ich bin zu früh, ich weiß." Cat, meine Tante, sah mich belustigt an. "Ja um genau zu sein eine Stunde." teile ich ihr mit während ich sie herein lasse. Sie zuckte nur mit den Schultern. "Da kann ich wenigstens jetzt schon mal das Frühstück vorbereiten." Ich verdrehte nur die Augen, ging dann allerdings wieder in mein Badezimmer.

In einer gut sitzenden dunkelblauen Jeans und einen einfachen grauen Pullover ging ich in die Küche. Cat sah sofort strahlend auf. "Ich bin immer noch fasziniert wie gut dir Kinder stehen." Ich musste lächeln und sah dann auf den Krümmel in meinen Armen herunter.

Seit zwei Monaten war ich Vater eines kleinen Sohnes. Ich hatte mit der Mutter, Camille hieß sie, nur einen One Night Stand und dabei ist es passiert. Da sie sich um den kleinen nicht kümmern möchte, bin ich nun alleinerziehender Vater.

Diese Nachricht kam für mich sehr überraschend. Camille stand den einen Nachmittag plötzlich mit der Babyschale vor meiner Tür. Erst hatte ich es abgestritten. Ich konnte mich kaum an die Nacht erinnern. Wir machten einen Vaterschaftstest. Es stand zu hundert Prozent fest.

Seitdem hatte sich vieles verändert. Ich achtete gar nicht mehr so sehr auf mich. Der Kleine stand im Vordergrund. Meine Outfits verwandelten sich von extravagant zu einfach und auch die Make up Tasche ließ ich oft stehen. Ich liebte den Kleinen, keine Frage aber unvorbereitet Vater zu werden, war nicht mein größter Wunsch.

Aber auf der anderen Seite hat Rafael, mein Sohn, mein Leben um einiges bereichert. Ich sah Dinge ganz anders. Vielleicht half er mir auch mein Leben zu ordnen. Was sonst aus Feiern und Spaß haben bestand, war jetzt Wickeln, Flasche geben und in den Schlaf wiegen. Ich würde lügen wenn ich behaupten würde, das mir diese Art von "Ruhe" nicht gut tut. Nein, eigentlich liebte ich dieses Leben viel mehr.

Meine Tante half mir von der ersten Sekunde. Dafür war ich ihr sehr dankbar. Sie hat mir das wichtigste in einer Nacht anhand einer Puppe beigebracht. Zusammen hatten wir die wichtigsten Sachen gekauft. Auch wenn ich bereits siebenundzwanzig war, hatte ich bis vor zwei Monaten mit Kindern nichts am Hut. Ich wollte welche aber das hatte ich erst später vorgehabt.

Momentan befand ich mich im Elternjahr. Ich war froh das mein Chef sofort zugestimmt hat. Auch er hat mich unterstützt. Immer wieder hatte er mir versichert das ich kommen sollte, wenn ich Hilfe brauche. Sei es dann später um einen Kita Platz oder anderes. Das nahm sehr viel Druck und auch Panik. Nach der Elternzeit konnte ich einfach wieder einsteigen und mir eventuell auch die Dienste so legen, wie es mir passte.

Cat reichte mir die Flasche. Ich setzte mich an den Tisch und fütterte so erstmal Rafael. "Wie kommt er durch die Nacht?" Ich überlegte kurz. "Der kleine Held hat ganz schön viele Probleme einzuschlafen. Momentan probier ich mich durch alles so durch und versuche so heraus zu finden, was ihm hilft."

Ich sehe auf das kleine Wesen. Heute trug er eine dunkelblaue Hose mit einem grauen Langarm Body und dazu passende Socken. Wahrscheinlich sah mein Sohn stylischer aus als ich. Ich lächelte kurz, der Gedanke war so absurd.

"Was ist das?" Meine Tante hob die Karte hoch. "Eine Einladung zum Klassentreffen." sage ich nur gelangweilt. "Warum gehst du nicht hin?" Ich stelle die Flasche ab und schnappe mir gleichzeitig ein Spucktuch. "Ist das nicht selbsterklärend." Ich breite das Tuch über meiner Schulter aus und halte dann Rafael so, das er in Ruhe sein Bäuerchen machen kann. Dabei stehe ich auf und wippe ganz leicht auf und ab. Er mag das.

"Warum nimmst du ihn nicht mit?" Ich streiche meinem Sohn über seinen kleinen Rücken. "Man nimmt seine Kinder nicht mit zu einem Klassentreffen." sage ich und hoffe das damit das Thema abgehakt ist. Aber natürlich ist es das nicht. "Dann passe ich eben auf ihn auf. Das durfte ich noch nicht."

Ich lächelte sie leicht an. Tatsächlich genoss ich immer die Momente wo ich alleine mit ihm war. Ich gebe ihn ungern her. "Das würde dir doch auch mal gut tun." Ich verdrehte die Augen. "Es ist nur ein Klassentreffen." Ich habe von vielen nichts mehr gehört. Nur mit wenigen habe ich manchmal noch Kontakt.

"Auch wenn du dir das gerade einredest, aber die Karte würde nicht auf deinen Küchentisch liegen, wenn du nicht überlegt hast hinzugehen. Bleib doch ein paar Stunden und wenn es dich zu deinem Sohn zieht dann komm wieder. Er ist immer noch dein."

Unbewusst legte ich schützend meine Hand auf das kleine Köpfchen. Er hatte schwarze Härchen. Damit sah er so süß aus. Meine Tante hatte allerdings recht. Seitdem ich ihn bei mir habe, verfolgt mich auch eine ungewisse Angst ihn wieder zu verlieren. Was eigentlich vollkommener Unsinn war. Ich wusste das sie nicht immer so klein blieben und allein die zwei Monate waren so schnell weg. Ich wollte die Zeit genießen.

"Meinetwegen, aber nur für maximal zwei Stunden, dann bin ich wieder da." Ich hob den kleinen, der schon längst sein Bäuerchen gemacht hat über mich und gab ihn dann einen kleinen Kuss. "Nicht wahr mein kleiner Schatz? Wir müssen schließlich beide unsere Abendroutine durch führen." Ich gab ihm noch einen Kuss und legte ihn dann wieder an meine Brust.

Ich bekam den liebevollen Blick meiner Tante gar nicht mit. Ich war zu sehr von den kleinem Krümmel abgelenkt.

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Ich hatte Rafael in die Babytrage geschnallt. Er brauchte diesen Körperkontakt und vielleicht auch die Wärme. Dadurch schlief er am besten. Während der kleine also an meinem Oberkörper schlief, machte ich mich für das Klassentreffen fertig.

Ich hatte nicht vor mich groß zu stylen. Eher etwas dezentes. Cat würde auch gleich kommen um auf den Kleinen aufzupassen. Ich glaube, ich werde alle paar Minuten auf mein Handy schauen, ob auch wirklich alles ok wäre. Wie viel ein Kind ändern konnte.

Ich hatte gerade Rafael in sein Bettchen gelegt, als Cat mit einem Schlüssel die Wohnung betrat. Ich hatte ihr am Anfang einen gegeben, den sie nur manchmal benutzte. Jetzt war ich froh, denn sonst wäre Rafael wieder aufgewacht.

"Du rufst mich an wenn etwas. Ich hab mein Handy auf laut. Seinen Pyjama hat er schon an und ist auch gerade erst eingeschlafen. Er müsste die zwei Stunden jetzt eigentlich durch schlafen,wenn nicht dann..." bevor ich weiter reden konnte, stoppte Cat mich in dem sie ihre Hände auf meine Schultern legte. "Falls du es noch nicht wusstest, ich bin Hebamme."

Sie grinste und auch ich konnte nicht anders. Ihm konnte es nur gut gehen. "Entschuldige." Sie schüttelt nur den Kopf. "Du lässt dein Baby das erste mal allein. Ich verstehe das." Ich umarmte Cat. Ich war froh das ich sie hatte.

Bei dem kleinen Restaurant angekommen, sah ich bereits eine etwas größere Gruppe. Ich atmete tief durch bevor ich auf sie zu ging.

...Fortsetzung folgt

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