Himmel auf Erden (die dritte)

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Magnus

Ich werde durch Rafael wach. Der Kleine quengelt in seinem Beistellbett, welchem neben meinem steht. Verschlafen fahre ich mir über das Gesicht. Während ich mich aufrichte, sehe ich auf die Uhr. Es ist seine gewohnte Zeit.

Ich hebe ihn aus seinem Bettchen und lege ihn dann auf meinen Oberkörper wieder ab. Ich decke uns beide mit meiner Decke zu und fahre mit meinen Händen wieder über seinen Rücken. Fast sofort beruhigt er sich wieder und auch ich schließe meine Augen nochmal.

"Ich mache eine längere Pause. Ich habe eine Schreibblockade und versuche mich gerade neu zu inspirieren." Das war meine Antwort zu Alec' Frage. Ich habe ihn belogen und schneller als ich schauen konnte, waren auch die Wörter aus meinem Mund heraus.

Ich mochte mich selbst nicht dafür. Ich verheimlichte ja irgendwo mein größtes Glück. Aber die Angst vor Abwertungen oder sogar dummen Kommentaren lähmt mich. Vielleicht wollte ich auch einfach einen Teil von meinem alten Leben behalten und greifen können.

Alexander mochte überhaupt keine Lügen. Er verabscheute sie und kam nur sehr schwer mit ihnen zu recht. Wenn er also irgendwann davon erfahren würde, wäre es das mit unserer Freundschaft gewesen.

Er hatte mich nach Hause begleitet und dort haben wir noch Nummern ausgetauscht. Wir wollten weiterhin in Kontakt bleiben. Seitdem war fast eine Woche vergangen und wir schrieben regelmäßig. Eigentlich ununterbrochen. Einmal hatten wir sogar telefoniert. Es war so witzig gewesen.

Ich wusste immer noch nicht was es war, das ich mich plötzlich so sehr zu ihm hingezogen fühlte. Es war fast erschreckend. Über mehrere Jahre war er ein guter Freund und jetzt. Jetzt wollte ich fast alles von ihm wissen. Ständig fragte ich mich wie es ihm ging und was er machte. Vielleicht war es seine Aufmerksamkeit oder sein großes Herz.

Auch jetzt schlich sich ein kleines lächeln auf meinen Lippen. Ich konnte nicht anders. Mein Körper schien ein Eigenleben bei Alexander zu entwickeln. Wo ich allerdings noch nicht wusste, was ich davon hielt.

Ich schüttelte leicht den Kopf und legte Rafael dann noch einmal in sein Bett. Er würde mir ungefähr eine viertel Stunde geben, bevor er sich erneut melden würde. Ich ging also ins Bad, ging duschen und föhnte kurz meine Haare. Ich hatte gerade noch Zeit mich wieder in einen Pullover zu schmeißen und eine Jeans anzuziehen, als er anfing wieder zu quengeln.

Noch bevor ich ihm etwas zu essen gab, windelte ich ihn. Das mochte er überhaupt nicht. Ich cremte ihn ein und zog ihm dann einen weißen Stramplern mit kleinen Winnie Pooh's an. Er sah so süß aus.

Behutsam hob ich ihn hoch, wippend ging ich in die Küche, wo ich seine Flasche vorbereitete und ihm diese dann wieder gab. Heute stand eigentlich nicht viel an. Ich musste irgendwann mal wieder einen Großputz veranstalten.

Als es an der Tür klingelte, fuhr ich kurz zusammen. Was ist wenn das jetzt Alexander ist? Nein, er würde sich ankündigen. Er war höflich. Es wäre bestimmt wieder meine Tante. Da Rafael schon längst wieder im Milchkoma gefallen ist, legte ich ihn in seine rund, graue Babywiege die ich für das Wohnzimmer gekauft hatte. Ich schaute durch den Spion. Davor stand nicht wie erwartet Cat. Es war Clary. Natürlich wusste sie wo ich wohnte. Aber meistens habe ich sie in ihrer gemeinsamen Wohnung mit Jace besucht. Was tat sie hier?

Ich sah in meine Wohnung. Vom Eingangsbereich kam man sofort in die Küche mit dem angrenzenden Wohnzimmer. Von dort ging eine Tür in das Bad und in mein Schlafzimmer. An dieses grenzte das Kinderzimmer an, was ausgestattet mit einer Wickelkommode, Kleiderschrank und einem etwas größeren Babybett war.

Tief atmete ich durch und machte dann einen Spalt die Tür auf. Clary strahlte mich an. "Hey, sorry das ich so unangemeldet vor deiner Tür stehe aber ich dachte wir gehen mal wieder Kaffee trinken. Das haben wir Ewigkeiten nicht mehr gemacht."

Oh nein. Das war gar nicht gut. "Magnus alles ok? Du bist blass." Ich versuchte mir irgendeine gute Ausrede einfallen zu lassen. Sie musterte mich genau. Noch bevor ich irgendetwas sagen konnte, hatte sie mir das hellblaue Spucktuch von der Schulter gezogen. Entmutigt schloss ich meine Augen.

Als ich sie wieder öffnete, sah sie mich immer noch verwirrt an. Ich ließ sie herein kommen. Ich war dankbar das sie meine Wohnung nicht sofort absuchte, sondern einfach nur vor mir stand. "Clary ich kann dir das erklären." sage ich ruhig.

Ich griff nach ihrer Hand. Ich zog sie in das Wohnzimmer vor die Wiege von Rafael. Ihre Augen wurden groß. Sie sah zwischen uns beiden hin und her. Man sah eine gewisse Ähnlichkeit, das wusste ich. Als Baby sah ich genau so aus. Nur ich war nicht so klein.

"Das ist Rafael, mein Sohn." Ihre Augen werden noch größer, wenn das überhaupt noch geht. Ich führe sie in die Küche und drücke sie auf einen Stuhl. Wenig später steht ein Glas Wasser vor ihrer Nase.

Ich erkläre ihr alles und sehe sie dann wieder vorsichtig an. "Warum hast du nie etwas erzählt?" Ich zucke mit den Schultern. "Ich selbst bin schon in der Vaterrolle angekommen aber sobald ich darüber reden soll oder es um so ein Thema ging, war meine Zunge schwer wie Beton."

"Weiß Alec davon?" fragt sie dann und ich sehe sie vollkommen entsetzt an. "Was? Woher? ... Ich meine.." Ich bring nichts weiter heraus. "Oh bitte Mags, der letzten Person der du solche Blicke geschenkt hast war George."

George ist mein Ex- Freund. Die Beziehung hielt drei Jahre. Danach haben wir beide erkannt, das wir uns auseinander gelebt haben. Wir sind im Guten auseinander gegangen. Ich habe ihn wirklich geliebt.

Ich kann nur meinen Kopf schütteln. "Warum?" Die Frage war simple aber wieder zuckte ich nur mit den Schultern. "Ich glaube dem ersten Menschen dem ich davon erzählen würde, wäre Alec. Selbst wenn ich irgendwann mal schwanger wäre. Wenn es ein Mensch versteht dann ist er es und das müsstest du sogar am besten wissen."

Es ist wie eine Ohrfeige, denn sie hat recht. Alexander hat manche Sachen verstanden, die selbst meine Tante wütend gemacht hat. Selten hat er Fragen gestellt oder irgendeinen Menschen für etwas verurteilt.

"Ich hoffe du klärst das." sagt sie noch bevor sie mich in ihre Arme zieht. "Ansonsten kannst du sehr stolz auf dich sein. Ich möchte ein Kind nicht allein groß ziehen. Außerdem ist er ziemlich gut geworden."

Als wir uns lösen, lächle ich sie an. Ich bin gerührt und gleichzeitig froh, das sie es weiß. Wir reden noch eine Weile, bis wir auf Alexander nochmal zu sprechen kommen. "Vielleicht ist er dir früher nie aufgefallen."

Verwirrt sehe ich sie an. Sie verdreht nur die Augen. "Mags du hast George auch nicht gesehen. Ihr wart ein Jahr lang nur Freunde. Er musste es dir mehrmals unter die Nase reiben bevor du verstanden hast das er fast perfekt für dich ist. Du hast eine Begabung dafür die richtigen Menschen, die für dich ihr Leben geben würden, nur als Freunde zu sehen. Bis dir auffällt, was sie alles für dich machen und zu dir sagen. Und du plötzlich merkst, was du eigentlich empfindest."

Ich kann sie immer noch einfach ansehen. "Alec war immer nur ein guter Freund." Ernst sieht sie mich an. "Ja weil du ihn so abgestempelt hast. Du betrachtest die Leute viel zu spät. Du siehst sie viel zu spät."

Ich sehe auf die Tischplatte. Sie ist gerade sehr interessant. "Wann hast du Alec mal richtig angesehen?" Ich möchte gerade schon antworten als sie noch hinzufügt. "Richtig, nicht dieses ansehen beim reden." Ich schließe meinen Mund wieder. "Aber ich kann mich doch nicht einfach so verknallt haben." Leicht lächelt sie. "Vielleicht warst du es die ganze Zeit schon."

...Fortsetzung folgt

Malec KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt