Spaziergang 8

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Alexander

Mein Gehirn läuft auf Hochtouren. Was meint er damit? "Ich würde nicht gehen. Egal was es ist." Er sieht mich an und scheint irgendetwas zu suchen. Ich weiß nur nicht was. "Ich kann dich immer noch kündigen, Alec." Noch nie hat er mich so genannt und langsam weiß ich auch warum. Es klingt noch viel abwertender als 'Lightwood'. "Das ist mir bewusst, das ändert trotzdem nicht. Ich werde nicht gehen." Ich ergreife seine Hände und drücke sie kurz. Magnus sieht mich nicht an. "Vielleicht denkst du das ich gehen würde, weil andere vor mir schon gegangen sind. Aber wie du schon gesagt hast. Ich habe eine andere Sichtweise." Er lächelt leicht und mir fällt auf, wie störend dieser Stoff von den Handschuhen wirklich ist. "Ich.. ich wollte verhindern das wir uns besser kennen lernen, weil ich ein Krübel bin." Eine Hand von mir legt sich sanft auf seine Wange. Er lehnt sich in diese Berührung. "Niemand und damit meine ich wirklich niemand. Kein einziges Lebewesen hat es verdient als Krübel betitelt zu werden. Du humpelst. Na und? Du hast einen Gehstock. Na und? Hätte mich diese Sache gestört, wäre ich doch von selbst gegangen." Ich versuche etwas Leben in mein Pokerface einzuhauchen und lächle ihn sanft an. Seine Hand legt sich über meine eigene. Er nimmt sie weg und geht ein paar Schritte zurück. Magnus öffnet den Gürtel seiner Hose. "Was wird das?" Mein Lächeln verschwindet sofort. "Ich möchte dir etwas zeigen und dann kannst du dir ja noch immer überlegen ob du bleiben möchtest." Ich sehe ihn aus schmalen Augen an und beobachte jede seiner Bewegungen. Den Gehstock legt er beiseite. Er lässt seine Jeans herunter. Eigentlich scheint alles normal zu sein. Fast alles. Statt seinem linken Bein befindet sich dort eine Prothese. Sie fängt bei dem Ende seiner engen schwarzen Boxershorts an. Lange betrachte ich ihn und das enthüllte Geheimnis. Langsam gehe ich auf ihn zu und nehme wie zuvor seine Hände in in meine. "Wenn du denkst das die Prothese etwas ändert, dann muss ich dich leider enttäuschen. Sie macht dich nicht aus. Es ist dein Charakter, der dich zu dem Magnus Bane macht, der mich bei jedem Spaziergang immer mehr berührt." Aus seinem Augenwinkel rollte eine Träne. "Ich denke ein Spaziergang wäre jetzt ganz sinnvoll. Oder was meinen Sie, Mr. Bane Junior?" Sein Lächeln wird größer. "Wundervolle Idee, wie sind darauf nur gekommen." Ich gebe Magnus Zeit sich wieder zu sammeln und gehe mich währenddessen ebenfalls umziehen. Soll er sich tatsächlich nur wegen einem fehlenden Körperteil so verhalten haben? An der Tür wartet er bereits mit seinem Gehstock auf mich. Ich passe mich seiner Geschwindigkeit wieder an. Er ergreift meine Hand bevor seine Lippen sich anfangen zu bewegen. "Ich war zwanzig. Gerade kam ich von einer Reise wieder. Mein Vater hat mich vom Flughafen abgeholt. Unser Verhältnis war früher so gut gewesen. Wir machten Witze und alberten die meiste Zeit herum. Gott wie ich es vermisse." Seine Augen funkelten und man sah förmlich den kleinen Film der sich vor seinen inneren Augen abspielte. "Das alles änderte sich. Meinem Vater wurde die Vorfahrt genommen. Er musste ausweichen und prallte somit gegen einen Baum. Mein Bein wurde eingequetscht. Es musste im Krankenhaus abgenommen werden. Außerdem war meine Hüfte zertrümmert. Ich lag mehrere Wochen im Koma. Ein Jahr hat es gedauert bevor alles verheilt war. Mein Vater hatte nur eine Gehirnerschütterung. Schon im Krankenhaus änderte sich die Beziehung. Er wurde anders. Strenger, böse und Spaß wurde zum Fremdwort. Wenn mich mein eigener Vater so nicht lieben könnte, wie sollte es jemand anderes es schaffen? Seitdem habe ich mich auch verändert. Nur Cat und Will kamen an mich heran." Die Geschichte schockierte mich und die Gedanken von Magnus taten selbst mir weh. Kurz drückte ich seine Hand. "Hast du je mit deinem Dad darüber geredet?" frage ich vorsichtig. "Nein, da gab es nichts zu besprechen. Ich meine dazwischen liegen jetzt fast sechs Jahre." Obwohl es draußen kalt ist, lassen wir uns auf eine Bank nieder. "Die Zeit sagt nichts über die Wunden aus." Magnus sieht mich an. Ohne groß darüber nachzudenken lege ich eine Hand auf die Prothese, die unter dem Jeans Stoff liegt. Wie zu erwarten ist sie hart. Aber es stört mich nicht. Das Gefühl ist nicht anders, denn sie gehört genauso zu Magnus wie sein Herz . "Was denkst du Alexander?" Ich atme tief durch. "Vielleicht hat dein Vater nie gewollt, das er dich so behandelt. Nur manchmal lassen wir die Gedanken uns leiten. Ich möchte nicht wissen wie groß die Schuldgefühle sein müssen." Magnus sieht verwirrt und gleichzeitig verzweifelt aus. "Aber er konnte doch nichts dafür, das ihm jemand die Vorfahrt nimmt." Ich lächle leicht. "Hat ihm das irgendjemand mal gesagt? Nach dem Unfall musste er seinen Sohn so sehen. Eltern wollen das es ihrem Kind gut geht und wenn das mal nicht der Fall ist, dann geben sie sich die schuld. Obwohl sie in den seltensten Situation etwas dafür können. Auch wenn Eltern die Erwachsenen sind, so muss man ihnen manchmal die Wahrheit auf den Tisch legen." Magnus lehnt sich gegen meine Brust und streift immer wieder über meine Hand. "Aber warum ist er dann so böse?" Zwischen den beiden lagen so viel ungeklärte Dinge. "Vielleicht ist er nicht böse auf dich sondern auf sich selbst. Für ihn muss es im Kopf so aussehen, das du allein wegen ihm dein Bein verloren hast. Dabei sieht er das Wunder nicht." Seine Stirn runzelt sich und ich habe selten so etwas süßes gesehen. "Du lebst. Hätten die Ärzte dein Bein nicht abgenommen wärst du vielleicht gestorben und was ist ein Bein gegen ein ganzes Leben?" Langsam scheint Magnus zu verstehen. "So habe ich die Sache nie betrachtet." Ich lächle leicht und genieße den Körperkontakt zu Magnus. Auch wenn mehrere Schichten Stoff zwischen uns liegen. "Warum eigentlich die Handschuh?" Die Frage schwebt in meinen Kopf, seit dem ersten Tag wo ich als Butler arbeite. "Es sah edel und teuer aus. Außerdem konnte ich somit Körperkontakt vermeiden. Ich brauche manchmal Hilfe beim aufstehen. manchmal da streikt mein Körper einfach. Wie heute. Die Hüfte schmerzt und auch die Kraft scheint einfach in meinem Bett liegen geblieben zu sein." Ich nicke und irgendwie schien es Sinn zu machen. "Stimmt es das du erst zwanzig bist?" fragt er mich plötzlich entsetzt, als sei es ein schlechter Scherz. Gespielt entsetzt fasse ich mir selbst in das Gesicht. "Ist es schon wieder soweit? Mein neuer Botox Termin ist erst nächste Woche." Mein Gegenüber prustet los und ich kann nicht anders als mit einzusteigen. Das Lachen möchte ich bitte immer wieder hören. Mit diesem Witz schien das Eis endgültig gebrochen zu sein. "Du siehst älter aus." Ich ziehe einen Schmollmund. "Genau das wollte ich vermeiden. Das war es wohl mit meiner Hollywood Karriere." Magnus nickt nur, während er sich den Bauch vor Lachen hält. Ich stehe auf und halte ihm meine Hand entgegen. "Na komm, Opa. Der Rückweg ist lang und ich möchte nicht erst im neuen Jahr am Haus ankommen." Ich bekomme einen liebevollen Schlag gegen meinen Oberarm. ""Ich wusste nicht das du so ein Arsch sein kannst, Alexander." Langsam laufen wir zurück. Nicht bereit die Nacht enden zu lassen. Nach einigen Lachanfällen wurde es still. Es war angenehm und keines Falls merkwürdig. "Ich habe mich tatsächlich getäuscht in dir." flüstert er leise und es klingt eher so, als hätte er es zu sich selbst gesagt. "Ich war ziemlich gemein zu dir." Unsere Augen treffen sich. "Ich hab es überstanden und schau, wofür es sich gelohnt hat." Die Worte sind schneller draußen. Ich bin selbst ganz überrascht und die Überraschung sehe ich auch bei Magnus. "Danke."

...Fortsetzung folgt

Malec KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt