Leuchtende Tage 6

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Magnus

Wir sehen uns an. Die Leute um uns herum laufen an uns vorbei. Beachten uns gar nicht. Nur wir zwei wissen was das hier bedeutet. Es ist nicht nur ein aufeinander treffen von zwei Menschen die sich getrennt haben. Es ist nicht nur eine Begegnung, die man vergessen kann. Es sollte mir zeigen, das ich nicht über ihn hinweg gekommen bin. Mein Herz klopft viel zu schnell und das nicht nur wegen der Aufregung. Die feinsten Härchen stellen sich unter seinem intensiven Blick auf. Ich sehe ihn und merke das die Gefühle alle wieder da sind, die ich für ihn jemals empfunden habe. Geborgenheit, Sicherheit, Sehnsucht, Leidenschaft, Vertrauen und vor allem nicht endende Liebe. Wie heißt es doch so schön "Gefühle die wiederkommen, waren nie weg gewesen." Ich mustere Alexander und sehe sofort die Müdigkeit, die in seinen Augen, wie Kontaktlinsen liegt. Und weiter sehen wir uns einfach nur. Eine halbe Armlänge voneinander entfernt. Es ist so kalt draußen, das mein Atem als kleine weiße Wolke heraustritt. Sie vermischt sich mit seiner Luft. Mir wird kalt wenn ich daran denke das ich diesen Mann schon längst geheiratet haben könnte, hätte ich ihn nur nicht gehen lassen. In diesem Jahr hat er sich kaum verändert. Er hat noch immer seinen drei Tage Bart, der ihm so gut steht. Er ist noch immer mein Alexander. Als wäre er nie weg gewesen.

Flashback

Der Wecker riss mich vollkommen unerwartet aus meinen traumlosen Schlaf. Meine Hand tastete die Bettseite neben mir ab, doch diese war kalt. Ein Auge schlug ich auf und scannte somit das Zimmer ab. Nein Alexander war nicht mehr hier und so wie es aussah, hatte er in dieser Nacht erst gar nicht geschlafen. Seine Zudecke lag über mir. Deswegen war es auch so kuschelig warm. Er wusste halt was für ein Kühlschrank ich in der Nacht sein konnte beziehungsweise, er bekam es immer zu spüren, wenn ich mich mit meiner kühlen Haut an ihn kuschelte. Mit einem kleinen Lächeln stand ich auf und ging die Treppen herunter. Das Parkett unter meinen Füßen war kalt und am liebsten würde ich mich jetzt wieder in das Bett legen. In der Küche machte ich Alexander und mir erstmal einen Kaffee. Auf dem Tresen unserer Küche lag seine schwarze Brille. Lächelnd nahm ich sie und sah kurz hindurch. Wie immer fragte ich mich, wie er mit solchen Flecken noch etwas sah. Kopf schüttelnd putzte ich die Brille. Es war schon immer irgendwie meine Aufgabe. Er machte es nicht gern und wenn dann verschmierte er eher alles. Außerdem freute er sich immer darüber wenn ich es tat. Schließlich war ich auch vom Fach. Im Wohnzimmer fand ich meinen Freund. Mit dem Rücken lag er auf dem Boden, seine Füße lagen auf der Couch. Das muss wahrscheinlich in der Familie liegen. Auch Max, konnte in jeglichen Positionen einschlafen, wie eine Katze und so war auch Alexander. Selbst die Stühle im Krankenhaus konnten ihm vom einschlafen nicht abhalten. Um ihn herum lagen sämtliche Bücher und Zettel. Gerade schrieb er seine Doktorarbeit. Es beanspruchte viel Zeit, was ich als Freund natürlich mitbekam. Aber schon immer war es für uns beide verständlich den jeweils anderen zu unterstützen. Die Brille, die ich damals für ihn heraus gesucht hatte, legte ich auf den Tisch, wo auch sein Laptop stand. Elegant ließ ich mich in einen Schneidersitz fallen und betrachtete ihn. Die erste große Liebe soll etwas besonderes sein. Etwas aufregendes und gefährliches. Man soll sich immer an sie erinnern können. Denn sie soll auch am schmerzhaftesten sein. Mit ihm war es ganz anders. Es war fein, zart und sanft. Da war nichts gefährliches, eher etwas sicheres. Und auch wenn die Gefühle immer aufregend waren, so fühlte es sich immer so an, als ging es nicht anders. Er war etwas besonderes und das würde er auch immer bleiben. Manchmal war es so unwirklich. Die letzten Jahre kommen mir vor wie ein Traum. Alles was ich mit ihm habe, kann ich mit keinem anderen habe. Auch nicht mehr in meinem Leben. Nur ihm kann ich so vertrauen und nur mit ihm ist das Leben so leicht. Er hat alles verändert, ohne es wirklich zu versuchen. Er schenkt mir soviel mit vielen Kleinigkeiten, die manchmal banal sind aber sie rauben mir den Atem. "Würdest du dich bitte endlich in meine Arme legen? Ich hatte dich die ganze Nacht nicht." Ich schrecke hoch und sehe erst jetzt das grinsen was immer größer wird. Seine wunderschönen Augen hatte er noch geschlossen. Mit seinen Händen winkte er mich unmerklich zu sich. Doch ich sah es und das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich setzte mich auf seine Hüfte und legte mich dann auf seinen Oberkörper. Sofort umschlangen mich seine langen Armen. Mein Gesicht hatte ich in seiner Halsbeuge vergraben. Mein Atem streifte seine Haut. "Ich mag wie du auf mich reagierst, trotz der langen Zeit." murmle ich. "Gänsehaut lügt nicht."

Flashback

Alexander tretet einen Schritt näher. Eine Hand legt er an meine Wange und sofort ist da dieses gewohnte kribbeln, genau so wie die wohlige Wärme und die Gänsehaut. Mit seinem Daumen streift er die Träne weg, die ich nicht mehr aufhalten konnte. "Nicht weinen." Seine Stimme zittert verdächtig und als ich aufsehe, kann ich auch die Tränen in seinen Augen sehen. Ich möchte etwas sagen, aber aus meinen Mund kommt nichts heraus. Deswegen bleibe ich einfach stehen und genieße diese Berührung. Als würde Alexander erst jetzt bewusst werden, was er genau hier macht, tritt er einen Schritt zurück. "Entschuldige." Seine Hand gleitet kraftlos wieder an seine Seite. Ich möchte mich bereits abwenden als er mich fragt "Warum bist du schon entlassen wurden?" Kurz frage ich mich selbst ob ich ihn anlügen soll, aber etwas was ich an unserer Verbindung schon immer geschätzt hatte, war die Ehrlichkeit. "Ich habe mich selbst entlassen. Da waren zu viele Erinnerungen." Verständlich nickt er. "Ich wusste das wir uns wieder sehen würden." sagt er leise und eher mehr zu sich selbst. "Woher?" frage ich genau so still. Alexander sieht mich kurz an bevor er seine Hände wieder betrachtet. "Weil so das Leben ist." Wie recht er doch hat. Ich habe ihn geliebt und trotzdem verloren. Ich liebe ihn und er ist trotzdem nicht an meiner Seite. Diese Erkenntnis schmerzt zum wiederholten male. Was tun wir hier eigentlich? Als hätte er meine Gedanken gehört flüstert er ein "Entschuldigung." Bevor er sich abwendet und geht. Ich sehe ihm hinter her. Auch als er schon längst von den vielen Menschen in New York verschluckt wurde, sehe ich ihm nach. Ich brauche jetzt dringend eine Ablenkung.

...Fortsetzung folgt

Malec KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt