Leuchtende Tage 9

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Alexander

Ich stehe hinter ihm, sehe seine Gänsehaut, die ich bei ihm hervorrufe. Ich höre wie er immer wieder ein und aus atmet. Ich weiß nicht warum er hier her gekommen, vielleicht hatte er ja auch Sehnsucht? Vielleicht musste er aber auch an diese eine Nacht denken. Die soviel geändert hat. Wir haben zwar nicht unsere Gedanken ausgesprochen. Aber wir haben gemeinsam geweint und wir haben einen Entschluss gefasst. Ein Entschluss der nur Leid über uns brachte und uns die Gewissheit brachte, das wir nicht mehr ohne einander können.

Flashback

Wieder einmal komme ich erst mitten in der Nacht nach Hause. Im Krankenhaus ist viel los in der letzten Zeit. Genau so wie in meinem Kopf. Ich habe Zweifel und ich stelle mir Fragen, die ich mir sonst nicht gestellt habe. Bin ich auch noch in zehn Jahren gut genug für Magnus? Will er mich wirklich heiraten? Ist unsere Zeit doch begrenzt? Waren die zwölf Jahre unsere Ewigkeit? Gibt es vielleicht irgendwo da draußen einen besseren für Magnus? Der auch nachts da ist? Der ihm mehr Halt geben kann als ich es jemals geben könnte? Könnte er von jemand anderen vielleicht viel mehr geliebt werden? Aber die entscheidendste Frage war doch, ob wir uns einfach an das zusammen Leben gewöhnt haben, das wir nur denken, nicht mehr ohne einander zu können? Ich ziehe meine Jacke aus und trete weiter in das Haus hinein. Ich stoppe, als Magnus aus der Küche tritt. Er schläft nicht mehr gut. Genau wie ich. Vielleicht auch wegen mir? Was ist wenn wir mehr in die gemeinsamen Erinnerungen verliebt sind als in den eigentlichen gegenüber? Bis jetzt habe ich diese Frage nie laut in meinem Kopf gedacht aber sie macht mir Angst. Und das Gefühl das meine Welt zerbricht, sollte wahrscheinlich einfach nur eine Vorwarnung sein, auf das was jetzt kommt. "Können wir reden?" fragt er mich vorsichtig. Ich sehe bereits jetzt die glänzenden Augen. Ich nicke und gemeinsam setzen wir uns an den Esstisch. Fast automatisch verschränken sich unsere Zeigefinger und es gibt mir Kraft, für das, was jetzt auch immer kommen mag. Eine Stille bricht über uns hinein. Sie ist anders als sonst. Erdrückender und verängstigend. "Ich weiß nicht was momentan los ist." flüstert er leise und mit einer zitternder Stimme. "Ich habe das Gefühl das alles zerbricht und alles keinen Sinn mehr ergibt." fährt er fort. Mein Herz zieht sich zusammen. "Trotzdem liebe ich dich, aber..." Ich starre auf unsere Hände. Das alles schmerzt und auch wenn ich selbst alles in Frage gestellt habe, fühle ich mich dennoch nicht bereit, loszulassen. "Es wird vielleicht Zeit für einen Neuanfang." beende ich seinen Satz. "Mir entgleitet alles. Ich kann nicht mehr schlafen und diese ganze Situation verwirrt mich. Ich kann mich auf Arbeit nicht mehr konzentrieren und wenn ich hier bin, dann..." Fange ich an, kann es aber nicht erklären. Da ist eine Ungewissheit, die einen wie Säure verätzt. Sie hat sich eingebrannt und zusammen mit der Angst, alles zu verlieren, ist es so stark, das ich dagegen nicht mehr ankomme. "Dann habe ich Angst, das das hier alles weitergeht und mir das Leben dich irgendwann weg nimmt. Aber ich möchte das selbst entscheiden." Es hat etwas mit Kontrolle zu tun. Wir wollen selbst entscheiden wann wir den anderen verlieren. Obwohl das vielleicht totaler Schwachsinn ist, aber auch ich habe davor Angst. Nicht vorbereitet zu sein, wenn Magnus geht. "Ich habe noch nie so etwas gefühlt. Es ist richtig und falsch zu gleich." Wir ergänzen uns. Selbst jetzt. "Vielleicht wartet jemand da draußen, der viel besser zu dir passt." sage ich immer noch leise. Die Atmosphäre lässt nichts anderes zu. "Ich glaube kaum." haucht er. Tränen fließen stumm über unsere Gesichter. Es ist wie ein Windzug, der alles mit weg weht. Ich kann nicht los lassen und dennoch muss ich es, denn es ist besser. Für uns beide. Ich will nur das er glücklich ist und ich habe nicht die Sicherheit, das er es immer mit mir sein kann. Man geht an dem kaputt was man liebt. Und wenn man liebt, dann ist das Glück des anderen wichtiger als das eigene. "Vielleicht sollten wir einfach unsere Gedanken und Gefühle sortieren. Allein. Getrennt." Das schlimmste Geräusch ist es, wenn die Stimme bricht, weil die Tränen heraus wollen. Es tut weh und ich möchte das dieser Augenblick nur ein schlimmer Traum ist. Aber die zarte Berührung von Magnus, lässt mich wissen, das das hier alles gerade passiert. "Ja vielleicht ist es besser so."

Es ist früh am morgen, die Sonne ist bereits aufgegangen. Ich habe nicht geschlafen. Ich konnte nicht. Der Schmerz hat mich wach gehalten. Magnus war immer nur kurz weg genickt aber so richtig geschlafen hat er nicht. Irgendwann habe ich ihn auf die Couch verfrachtet. Ich habe währenddessen meine Sachen gepackt, denn ich möchte es nicht noch schwerer machen. Ich ziehe meine Jacke an und sehe ihn an. Mein jahrelanger Wegbegleiter, meine bessere Hälfte und mein bester Freund. Als hätte er meine Blicke bemerkt, schlägt er seine Augen auf und sieht mich genau an. Er sieht meine Tasche die neben mir steht. Langsam steht er auf und kommt auf mich zu. "Pass auf dich auf, Magnus. Vor allem auf dein Herz." Traurig lächelt er. "Ich kann nicht darauf aufpassen, wenn es nicht bei mir ist." Tief sehe ich in seine Augen und sehe all die Dinge, die wir bisher erlebt haben. "Ich liebe dich." hauche ich leise. Ich weiß das das nichts ändert. Nur habe ich nie gedacht das wir uns jemals trennen werden. Aber die Zweifel haben uns überrannt und so zerkleinern wir das, was wir uns aufgebaut haben. Magnus überbrückt die letzten Zentimeter und küsst mich. Mit der Gewissheit das, das unser letzter Kuss werden würde, lege ich alle Gefühle hinein. Er ist anders, als alle anderen die wir ausgetauscht haben. Er ist schmerzhaft und dennoch voller Leidenschaft, das es mein Herz in tausend einzelne Teile zerspringen lässt. "Ich dich auch."

Flashback

Danach bin ich gegangen. Wir hatten uns nur nochmal gesehen, um es unseren Freunden und Familien zu sagen, das wir jetzt getrennte Wege gehen. Etwas was es endgültig gemacht hat. Unser Haus hatten wir einfach leer stehen lassen. Es gehört immer noch uns obwohl ich dort nicht zurück kehren würde. Ich durchbreche die Stille in der wir uns gerade befinden und bringe die Worte heraus, die ich schon vor einem Jahr hätte sagen sollen. "Findest du nicht auch, das irgendwas aufgebraucht und leer war. Das wir uns da in irgendetwas verrannt haben. Die Angst, das du nicht mehr glücklich bist und nicht mehr gut genug zu sein, nach all den Jahren hat mich überrollt und mit gerissen wie eine Welle. Ich hatte Angst das wir uns nicht mehr so lieben wie es eigentlich sonst war." Ganz langsam gehe ich um ihn herum bis ich vor ihm stehe. "Immer wenn es zu still war, konnte ich nicht einschlafen." flüstere ich leise und schaue ihm in die Augen. "Ich lag immer wach, deswegen konnte ich nie eine Nacht allein bleiben." Ich lege meine Hand an seine Wange und trete ganz nah an ihn heran. "Ich habe geträumt, das ich irgendwann mal jemanden so lieben könnte, wie ich dich liebe. Aber es war eher ein Alptraum, denn ich habe und werde immer nur dich lieben, egal was kommen mag." Er sieht mich aus traurigen Augen an. "Manchmal müssen sich zwei Menschen trennen, um zu verstehen, wie wichtig der andere eigentlich ist." haucht er an meine Lippen. "Und selbst wenn unsere Liebe falsch wäre, dann möchte ich nie das richtige machen." Mit meinem Daumen fahre ich über seine Lippen. "Wir hatten viel zu viel Angst. Keine Ahnung wo sie hergekommen ist. Aber mir erscheinen die Gedanken nicht mehr greifbar. Denn im Endeffekt kann ich nur mit dir glücklich sein." Wir sehen uns tief in die Augen. Sie sprechen das aus, was wir selbst nicht über unsere Lippen kommen, denn diese finden ihren Weg und liegen kurz darauf aufeinander. Magnus verschränkt seine Hände hinter meinen Nacken und ich ziehe ihn nur noch näher. Ich kann nur auf seufzen. Ich habe viel zu lange darauf verzichten müssen. "Ich bin verloren ohne dich, Magnus."

...Fortsetzung folgt

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