Ein Spaziergang 10

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Alexander

Es war noch früh am morgen. Ein dunkles blau hielt die Welt noch in Dunkelheit. Magnus lief neben mir. Seine Hand lag in meiner. Ich genoss die kalte Nachtluft. Sie war frisch und unterschied sich zwischen der Tagluft. Morgen wäre sein Geburtstag. Ich hatte ein kleines Geschenk für ihn. Davon wusste er allerdings nichts. Wir hatten noch nicht mal geklärt was das zwischen uns überhaupt war. Die letzten Tage liefen alle nach einem gleichen Schema ab. Morgens vor meiner Schicht und abends nach meiner Schicht gingen wir spazieren, verhielten uns dabei wie ein altes Ehepaar. Wir hielten Händchen, tauschten immer wieder Küsse aus, neckten uns und redeten uns den Mund fusslig. Während meiner Schicht rief er mich immer wieder zu sich. In seinem Zimmer führten wir dann meistens, so wie wir es nannten, einen "stillgelegten Spaziergang". Wir setzten also alles fort. In unseren Gesprächen ging es um alles mögliche, außer um Gefühle und uns. Wir beide wussten das da etwas war. Aber das schwiegen wir tot. Ein Fehler. Wir lebten in einem Kartenhaus, was wir uns selbst errichtet hatten. "Ich habe das bei meinem Vater immer noch nicht angesprochen. Ich finde keinen richtigen Zeitpunkt." Ich sehe ihn von der Seite an. Nachdenklich und fast schon traurig sieht er gerade aus. "Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt. Im Leben geht es darum nicht zuwarten sondern den Moment zu ergreifen und ihn für sich selbst zum richtigen Augenblick zu machen. Das Leben wird dir nie eine perfekte Situation vorlegen. Dafür bist du allein verantwortlich." Erstaunt sah er mich an. Auch ich dachte über mein gesagtes nochmal genau nach. Wir schafften es beide wahrscheinlich nicht uns den Augenblick zu ergreifen und ihn zu unseren zu machen. "Immer wieder erstaunlich was du einem alten Mann noch so lehren kannst." Ich konnte nur meine Augen verdrehen. "Du bist nicht alt. Dafür gibt es keine Definition. Man kann sich auch noch mit 90 jung fühlen. Es ist nur eine Zahl." Ich bin heute irgendwie zu nachdenklich. Wahrscheinlich lag es an dem nächtlichen Gespräch was ich mit Tessa geführt habe.

Flashback

Es ist erst zwei Uhr nachts als ich nach Hause komme. Auf meinen Lippen liegt aus unerklärlichen Gründen immer noch ein kleines Lächeln. Es schien einfach nicht weg zu gehen. Leise schleiche ich in mein Zimmer. Mich überrascht es nicht, das ich dort Tessa vorfinde. Sie ist so ein großes Kuschelbedürfnis. Vor allem nachts wenn ihr kalt ist. Ihre Eisfüße sind echt immer wieder erschreckend. Ich bin unendlich müde und ziehe mich so schnell aus. Mit einer Schlafhose um den Beinen lege ich mich in das Bett. In meinen Kopf zähle ich drei, zwei, eins. Schon finde ich Tessa in meinen Armen wieder. Ihre Beine verknotet sie mit meinen. Ich zucke kurz als ich die Kälte spüre. Ich muss grinsen. Wenn man uns jetzt so sehen würde, könnte man denken das wir ein Paar wären. "Dino." flüstert Tessa leise und stützt dann ihr Kinn auf meiner Brust ab um mich anzuschauen. "Du bist kalt, Gummibärchen." Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange. "Was kann ich dafür, wenn du so ein Heizofen bist." Wie immer streiche ich durch ihr Haar. "Ich bin halt heiß, das ist angeboren." Sie verdreht ihre Augen. "Ja definitiv. Schade das du Schwul bist." ihre Stimme trieft vor Sarkasmus. Ich kann nur nicken. In all den Jahren hatten wir beide nie einen Gedanken daran gehabt, das sich da mehr entwickeln könnte. Auch bei Tessa nicht. Wir zogen uns damit auf aber mehr auch nicht. "Du magst ihn ziemlich sehr." Ich schaue an die Decke, während ich sie immer noch im Arm halte. Langsam wird sie ebenfalls warm. "Wie kommst du drauf?" Sie streift mir eine Strähne aus dem Gesicht. "Der letzte der dich so behandeln durfte, war dein Dad und er war dir wichtig. Sonst hättest du ihn links liegen gelassen und mit ihm weiterhin so ernst gesprochen. Aber jetzt schaffst du es auch bei ihm zu lächeln. Genau so wie Magnus. Du kannst lächeln bei ihm, obwohl er echt ein Idiot zu dir war. Du magst ansonsten solche Menschen nicht." Sie hat recht. Ich entwickle für Menschen, die andere mit keinen Respekt behandeln, keine Gefühle. "Ich gebe ihnen aber zweite Chancen. Es gibt keine dritte und keine vierte." Einst sieht sie mich an. "Aber was ist wenn Magnus noch eine dritte braucht? Würdest du ihm sie geben?" Ich habe keine Antwort darauf. Mein schweigen ist ihr Antwort genug. "Siehst du. Er ist dir wichtig." Ich schließe meine Augen. Es macht mir Angst. "Auch wenn du es nicht gewohnt bist, aber wenn er dir wichtig ist, dann zeig ihm das auch. Er kennt dich nicht so wie ich. Ich sehe es in deinem Verhalten und was du für ihn tust. Aber Magnus sieht vielleicht nicht richtig hin. Mach es ihm deutlich."

Malec KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt