Leuchtende Tage

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Magnus

Meine Hand zitterte vor Aufregung. Sie schwitze kalt und immer wieder wischte ich sie mir an meinem wippenden Bein. Meine schwarze Hose, die sonst immer gut saß, fühlte sich unbequem an. Die dunkelrote Krawatte, die um mein Hals fein säuberlich gebunden war, raubte mir jegliche Luft zum Atmen und ich hatte in diesem Bedürfnis einfach umzukippen. Wie ein Brett und erst dann wieder aufzuwachen, wenn alles vorbei war. Ich wollte am liebsten sterben oder noch besser, erst in diesen hässlichen Papierkorb erbrechen und dann sterben. Wenn ich jetzt in den Spiegel schauen würde, wäre das ein weiterer Grund für meinen Tod. Meine Stirn glänzte bestimmt durch den Angstschweiß und nicht durch das Glitzer was ich mir erst neu gekauft hatte. Oh je hoffentlich sitzt mein Make - up auch noch. Ansonsten könnten wir diesen Punkt auch noch auf der Liste - warum-ich-jetzt-sterben-sollte, ergänzen. Nervös sah ich mich um. Ich war immer noch allein in diesem Raum. Meine Augen werden groß als mir einfällt, das ich nicht geübt habe, mich vorzustellen. In Gedanken ging ich es durch. 'Guten Tag, ich bin Magnus Bane, einunddreißig und alleinstehend.' Interessiert die überhaupt das ich Single bin? Ich schüttle meinen Kopf und hebe schon meine Hand um mir über das Gesicht zu fahren, doch ich kann mich zurück halten. Das Make up wäre sonst wirklich hin. Ich kippe gleich um und das meine ich ernst. Ich bin Magnus Bane, die größte Drama-Queen, die ihr je gesehen habt. Ich stehe kurz vor dem Tod, weil ich in zweieinhalb Minuten ein Vorstellungsgespräch habe. Ich bin Optiker und erst gestern wieder nach New York gezogen. Nach einer schweren Trennung, brauchte ich Abstand und bin für ein Jahr nach London gezogen. Eigentlich sollte ich immer noch dort sein. Aber mich zog es aus einem unbestimmten Grund wieder zurück hier her, wo ich den Himmel und die Hölle erlebt habe. Das alles nur wegen ihm. Aus dem Instinkt heraus greife ich an die Kette mit dem Ring als Anhänger. Ich habe sie nie abgelegt. Ein trauriges Lächeln huscht über meine Lippen. Sofort merke ich wie mein Puls sich beruhigt und auch das schwitzen aufhört. Ich war schon immer viel zu aufgeregt vor den kleinsten Dingen. Wie oft ich schon sterben wollte. Er hat immer nur gelächelt und meine Hand gehalten. Mir die unnötigsten Dinge erzählt, wie zum Beispiel, das unsere Mülltonne nicht geleert wurde oder das Mr. Cullen von neben an, wieder seine Brille verlegt hatte. Ich musste an unseres kleine Häuschen denken, was so perfekt für uns zwei war. Wir waren Schock verliebt. So wie ich es bei ihm war. "Mr. Bane?" Ein Mann stand vor mir. Seine dunklen, fast schwarzen Haare waren zu einem Zopf straff zusammen gebunden. Sein buntes Hemd stand stark im Kontrast zu seiner dunklen Hose. An seiner rechten Hand glänzte ein silberner Ring. Ich reichte ihm meine Hand. "Sie müssen Mr. Rey - Underhill sein." Er nickt und versucht zu lächeln was etwas schief geht. Es entsteht eher eine Grimasse. "Kommen sie bitte mit." Mr. Rey - Underhill ging vor. Sein Gang war leicht tänzelnd aber irgendwie auch nicht elegant. So richtig konnte ich es nicht beschreiben. Wir gingen in ein schickes und altmodisches Büro. Ich nahm vor seinem Schreibtisch Platz und war froh endlich wieder einen Stuhl unter meinem Hinterteil zu wissen. Sein Geschäft war recht populär und mir gefiel. Er hatte Läden auf der ganzen Welt. Als ich das Angebot bekommen habe, wäre ich fast schon wieder gestorben. "Mir hat ihr Zeugnis gefallen, außerdem habe ich erst vor kurzen mit ihrem Ausbilder gesprochen. Er hat in den höchsten Tönen von ihnen gesprochen. Um ehrlich zu sein, würde ich gern mit meinem Mann einen längeren Urlaub machen und suche deswegen einen guten Optiker, der diesen Laden hier übernimmt. Sie würden drei Monate lang hier eingearbeitet werden und dann könnten sie hier das Kommando übernehmen." Atem, Magnus, atmen. Ich glaube ich hyperventiliere gleich. Das ist so eine große Chance. "Mr. Greymark hat mit ihnen gesprochen?" bringe ich als erstes heraus. Beschäftigt klickt er auf seinen Computer herum. "Ja ich habe ihn angerufen und er war begeistert." Ich nicke langsam. Wahrscheinlich bleibt mein Umzug doch nicht so unbemerkt. "Überlegen sie es sich. Jetzt wird sie Helen herumführen. Danach sagen sie mir ihre Entscheidung. Genau in der Sekunde klingelt sein Handy und die Tür hinter mir geht auf. "Andrew? Schatz?..." Schnell stehe ich auf und werde von einer blonden, nett aussehenden Frau begrüßt. "Hey, ich bin Helen. Schön endlich den neuen Boss kennen zu lernen." Ich schlucke schwer. Habe ich überhaupt noch eine Wahl? "Ich bin für die Auszubildenden zuständig. Davon haben wir gerade einen. Maxwell ist im ersten Lehrjahr und macht sich echt gut." Ich nicke und stocke als ich den Verkaufsraum trete. Ich sehe den Jungen an. Seine Brille hat sich nicht verändert, sie ist eher mit gewachsen und rutscht ihm wahrscheinlich immer noch von der Nase. Seine dunkeln Haare sind ebenfalls noch etwas länger. Er ist ungefähr so groß wie sein Adoptivbruder. Jetzt würde ich auch gerne sterben. Können wir das mit auf die Liste setzen? Helen und ich steuern genau auf ihn zu. Maxwell Lightwood steht im nächsten vor mir. Er wird auch blass während gleichzeitig seine Augen groß werden. "Magnus?" Ich schaue kurz runter. Wie interessant doch Fußböden sein können oder? Noch bevor ich meinen Blick heben kann, umarmt er mich und mir fällt der Stein beziehungsweise der bevorstehende Tod von Herzen. Zögerlich lege ich meine Arme ebenfalls um ihn. "Ich hab dich vermisst. Wir alle haben das." flüstert er leise und so das es nur ich hören kann. "Ich dich auch mein großer Kleiner." Als wir uns lösen sehe ich gerade noch wie er seine Augen verdreht. "Ihr kennt euch?" Helen klingt ehrlich interessiert. "Ja, sehr gut sogar." sage ich nur vorsichtig. Denn mein Herz krümmt sich und dieses mal spricht nicht die Drama-Queen aus mir. Ich vermisse die alte Zeit, als er und ich auf Max aufgepasst haben.

Flashback

"Musst du heute wieder auf Max aufpassen?" Meine Hand liegt in seiner. Immer wieder bin ich erstaunt wie perfekt sie füreinander sind. "Nicht ich muss, ich möchte." Spielerisch gebe ich ihm einen kleinen Schlag auf seinen durchtrainierten Oberarm. "Du weißt wie ich das meine." sage ich schmollend. Alexander zieht mich nur noch näher. Schnell kuschle ich mich an seine Seite. Ich liebe diesen Größenunterschied. Doch noch mehr liebe ich ihn. Meinen Alexander. Fast schon ein Jahr sind wir zusammen und ich könnte nicht glücklicher sein. Könnte ich wirklich nicht. Wir ergänzen uns perfekt. Auch wenn wir äußerlich vielleicht unterschiedlicher nicht sein könnten. Er ist genau mein Typ, wie aus dem Katalog bestellt. "Das weiß und deswegen weiß ich auch, das du wieder dabei sein wirst." Er gibt mir einen Kuss auf das Haar und da ich diese Geste so süß finden, werden meine Wangen automatisch rot. "Da hast du recht." Zusammen verlassen wir die Schule und gehen zu seinem Elternhaus. Dort erwartet uns sein kleiner Bruder bereits. Die beiden sehen sich so ähnlich, das ich mich immer wieder Frage, ob sie später, wenn sie beide ausgewachsen sind, dann wie Zwillinge aussehen. Max Brille ist wie immer verrutscht. Er schiebt sie nur wieder auf die Nase und sieht uns aus Kinderaugen an. "Können wir wieder erst Comics lesen, danach Federball spielen und zum Schluss eine..." Alexander und ich unterbrechen ihn und ergänzen seinen Satz "...eine Fassbrause trinken." Zu dritt lachen wir und ich genieße es. An jedem Dienstag machen wir genau das und so eintönig es auch klingen mag, die Dienstage sind immer mit die witzigsten. "Ok, ihr zwei sucht schon mal die Comics und ich hole meine Brille." sagt Alexander und verschwindet gleich darauf in der oberen Etage. Er braucht sie eigentlich nur zum lesen und zum Auto fahren. Die Momente sind selten, wo man ihn damit sieht, obwohl es ihm eigentlich steht. Max ergreift meine Hand und zieht mich in das Wohnzimmer wo bereits Decken auf dem Fußboden liegen. Ich zerzause seine Haare, was ihn zum kichern bringt."

Flashback

Aus glänzenden Augen sehe ich ihn an. Doch Helen bringt mich recht schnell wieder in die Gegenwart, in dem sie mich weiter zieht. Ich versuche bei der Sache zu bleiben und ihr genau zu folgen. Aber so richtig möchte mir das nicht gelingen. Ich würde jetzt gerne an die frische Luft um nicht schon wieder in der Vergangenheit zu schwelgen. Das habe ich schon zu oft in den letzten Monaten gemacht. "Noch Fragen?" Schnell schüttle ich mit den Kopf und sie bringt mich wieder vor das Büro. "Danke." sage ich noch schnell als sie sich abwendet. "Klar, fast Boss." Sie zwinkert mir freundschaftlich zu. Eine Entscheidung habe ich allerdings noch nicht getroffen. Ob es eine gute Idee ist, mit dem Bruder meines Ex Freundes zusammen zu arbeiten? "Mr. Bane, kommen sie herein." Zögernd trete ich zu Mr. Rey - Underhill herein. "Und wie haben sie sich entschieden? Sie können nächste Woche anfangen." Automatisch greife ich wieder zu meiner Kette, die mir so heilig ist. "Kann ich es ihnen auch noch sagen?" frage ich und meine Stimme klingt selbst in meinen Ohren leise und zitternd. "Na gut, entweder sie stehen nächste Woche hier pünktlich vor dem Laden und wenn nicht, dann ist mein Angebot hinfällig. Vorher können sie natürlich auch noch ab oder zusagen." Ich nicke und bin im nächsten Moment froh, das er mich endlich frei lässt. Nach einer schnellen Verabschiedung stürme ich nach draußen und belüfte meine Lunge mit Sauerstoff. Ich wäre gestorben wenn ich dort länger drin geblieben wäre. War es wirklich so eine gute Idee zurück zu kommen? Ich steige in mein Auto und fädle mich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder in den Straßenverkehr ein. Mit laufen ist man hier viel schneller und wahrscheinlich fehlt mir auch einfach die Geduld. Dafür hatte ich ja ihn. Die Sonne schien so sehr und der Himmel war so schön hellblau, das man denken könnte, der Frühling würde beginnen. Doch es war Anfang Januar. Die Freisprechanlage, die einen neuen Anruf ankündigte, hielt mich gerade davon ab auf die Hupe zu drücken. "Hallo?" frage ich konzentriert. Der Verkehr war heute besonders schlimm. Oder es lag daran das Montag war. "Hey du Zurückkehrender." Cat' Stimme drang durch die Lautsprecher meiner Autos. Eigentlich würde ich mich freuen, die Stimme meiner besten Freundin zu hören. Doch ihr Ton ließ nichts gutes verheißen. "Was ist los?" frage ich sofort, ohne jegliche Begrüßung. Ich höre ihr seufzen. "Magnus, er ist auch wieder da." Ich realisiere ihre Worte und bin dadurch kurz abgelenkt. Was macht er hier? Ab jetzt passiert alles nur noch in Zeitlupe. Ich sehe das andere Auto. Der Knall ist unnatürlich laut. Ich spüre den Aufprall, die Schmerzen und wie die Bewusstlosigkeit von mir Besitz ergreift.

...Fortsetzung folgt

Malec KurzgeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt