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꧁༺♡          TAYLOR               ♡༻꧂

Taylor kämpft mit gesagten Worten und den Fakten, die sich nicht ändern lassen, sowie mit seinen Gefühlen, die in ihm toben wie ein Orkan der höchsten Windstufe.
An all den Dingen kann man nichts mehr gerade biegen, man muss sie nehmen wie sie sind.
Er wird Vater und ihm ist zum ersten Mal wirklich bewusst, egal wie das Gespräch heute Abend mit Romy verlaufen wird, dass er konsequent etwas an seinem Leben ändern muss.
Niemals will er seinem Kind später erzählen müssen, dass er grundsätzlich alles verkackt hat, was er in die Hand genommen hat.
Auf gar keinen Fall möchte er jemals als Versager dastehen und überhaupt gar nicht soll sein Kind aufwachsen wie er es musste.

Es soll Liebe und Wärme erfahren, das ist, was Taylor sich wünscht.

Er steht den ganzen Vormittag schon neben sich und weiß nicht, wo er zuerst anpacken und aufräumen soll.
Der Scherbenhaufen scheint zu riesig und zu Scharfkantig, welche Scherbe er auch wählen mag, er wird sich an ihr schneiden. Es gibt einfach zu viele Dinge und Fehler, die er sich selbst zuzuschreiben hat und nicht mehr Rückgängig zu machen sind.
Er kann nur versuchen es in Zukunft zu verbessern.

Man hat ihm eine Therapie vorgeschlagen und desto mehr er darüber nachdenkt umso mehr kann er sich mit diesen Gedanken anfreunden.
Die kleinen schwarzen Dämonen auf seiner Seele wird er niemals gänzlich bekämpfen können, doch muss er lernen sie zu akzeptieren.

«Hallo Dämon Gabriel, willkommen in meinem inneren. Halte Dich zurück und ich werde artig bleiben.»

Über seine eigenen Gedanken muss er schmunzeln.
Vielleicht können sie eines Tages Freunde sein.
Der Dämon mit ihm, sowie Alex und er.
Obwohl Alex das gleiche Schicksal trägt wie er, hat es ihn nie so runterziehen können und er hat es auch nicht versucht zu verstecken.
Alex war einfach stärker und ist niemals gebrochen.
Taylor hingegen muss versuchen sich selbst zu reparieren.

Egal ob mit Romy, als die Frau an seiner Seite oder ohne sie.
Ein zurück wird es nicht mehr geben, nur noch ein Vorwärts.

Selbst Ashley scheint es langsam zu schaffen einen Weg für sich zu finden. Sie hat jemanden kennengelernt und wirkt wie ausgewechselt, nicht mehr so störrisch und nervig. Taylor ist sich sicher, dass sie ihr Glück, was sie verdient bekommen wird.
Er und sie das hätte niemals funktioniert, wenn sie auch sagt ihn für immer zu lieben, weiß sie selbst, dass die Zeit zum Loslassen da ist.

Auch er hat es begreifen müssen, was durchaus schmerzhafter war, als ein gebrochener Arm.

Der Boxclub ragt hoch über ihn empor, der Schlüsselbund klimpert unaufhörlich in seinen zitternden Händen.
Wenn er es schafft den Weg hineinzugehen, dann ist alles gewonnen und kann nur noch leichter werden.
Jeff wäre bestimmt stolz auf ihn, wenn auch alle der Meinung sind, das es für ihn zu früh sei hier herzukommen.
Der Anblick des grauen Gemäuers wirkt beruhigend auf ihn.
Er fühlt sich Jeff so nah, wie lange nicht mehr, es ist wahrscheinlich sein Geist, der hier durch die Lüfte schwirrt und Taylor neuen Mut zu spricht, wie er es immer tat.

Für einen kurzen Moment muss er seine Augen schließen. Er zieht den Sauerstoff in seine Lunge, während der Puls merkbar an seinem Hals zu pochen anfängt und sein Herz beginnt zu rasen, als würde es jeden Moment aus seiner Brust springen.
Jetzt oder nie.
Es ist seine Chance und wenn er ein besseres Leben will, so muss er nach dieser greifen.
Sie ist nah.

Mutig steckt er den Schlüssel ins Schloss, dreht ihn herum, bis die Tür mit einem klicken aufspringt.
Vertrauter Geruch strömt durch seine Nase und kratzt an seinen Erinnerungen.
Langsam öffnet er wieder seine Lider und ohne einen Schritt zu gehen, lässt er seinen Blick durch den großen Raum vor sich schweifen.
Nichts hat sich verändert, alles ist gleich und so vertraut, dass er eine Gänsehaut bekommt.
Da ist Angst und Freude, die sich augenblicklich miteinander vermischen.

Wenn er jetzt den Schritt nicht geht, wird er ihn niemals schaffen. Nochmal holt Taylor tief Luft und setzt einen Fuß vor den anderen, bis er sich inmitten des großen Raums wieder findet. Die Gefühle, die ihn durchströmen sind mit Worten nicht zu erklären.
Dort ist die Hantelbank, die ihm schon viel Schweiß abverlangt hat und der Boxsack, der schon etliche Wutanfälle erleiden musste.
Mit den Fingern streicht er über das rissige Leder und seine Handflächen beginnen zu kribbeln.

Taylor zieht seinen Pulli über den Kopf, lässt ihn achtlos auf den Boden fallen und drischt ohne Sinn und Verstand auf den Boxsack ein.
Sein Handgelenk, was zwar verheilt ist, aber manchmal noch schmerzt, beginnt sich zu beschweren und pikt wie kleine Nadelstiche in seinem Knochen.
Weil er an sich im Moment nichts kaputt machen will, beschließt er in die zweite Etage ins Lager zu gehen, um sich Boxhandschuhe zu holen.

Auf dem Weg zur Metalltreppe entdeckt er in jeder Ecke Erinnerungen.
Gute wie schlechte und es spürt die Stärke, die ihn umgibt und Hoffnung flammt auf.
Seit langer Zeit ist er mit sich im Reinen.

Auf Anhieb findet er im Schrank an der Wand Handschuhe in seiner Größe, zieht sie sich an und geht mit eiligen Schritten wieder runter.
Zum ersten Mal seitdem Jeff nicht mehr da ist hat er massiven Drang seine Fäuste in den Boxsack zu schlagen, dabei ist er nicht mal wütend.

Der Schweiß steht auf seiner Stirn, rinnt in seine Augen und tropft auf seine nackte Brust.
Mit jedem Schlag, den er tätigt, fühlt es sich an, als käme ein Stück Freiheit zu ihm zurück.
Das fehlende Training fordert seinen Tribut, die Kondition ist längst nicht mehr so gut, wie noch vor einigen Monaten. Seine Lunge brennt schmerzhaft und kleine helle Punkte flackern vor seinen Augen. Hätte er gewusst, das er seinen inneren Schweinehund so schnell besiegt, hätte er auf jeden Fall etwas zu trinken mitgenommen.

Mit an der Stirn klebenden Haaren und völlig außer Atem legt er sich auf die Trainingsmatte, um seinen Kreislauf zu regulieren. Taylor streckt die Beine in die Luft und wartet, bis wieder genügend Blut in seinem Kopf ankommt.
Danach setzt er sich auf und bringt die Handschuhe zurück nach oben.
Er schiebt den Vorhang zurück und verharrt für einen Moment am Fenster.
Taylor öffnet es und genießt die kühle Brise die auf seine verschwitzte Haut trifft.
Mit einem Gefühl von völliger Zufriedenheit beobachtet er das bunte Laub, was der Wind wild durch die Luft wirbelt.
Der Herbst ist seine Lieblingsjahreszeit. Manchmal stürmisch, manchmal lieblich, einfach unberechenbar wie er selbst.

Ein Zitronenfalter fliegt herein und verheddert sich in dem Vorhang. Wahrscheinlich einer der letzten übrig gebliebenen Schmetterlinge in diesem Jahr.
Mit wild schlagenden Flügeln versucht er sich zu befreien, aber so sehr er sich bemüht, schafft er es nicht aus eigener Kraft.

Taylor klettert auf die Fensterbank und hilft ihm sich zu entwirren aus dem Stoff, der ihn gefangen hält.
Er schaut ihm hinterher, wie er zurück in die Freiheit fliegt.

»Taylor», zu schnell dreht er sich um, verliert das Gleichgewicht und gerät ins Straucheln.

Romy will er sagen, alles geht zu schnell, dass seine Worte den Weg aus seinem Mund nicht mehr finden können. Sie stecken in seinem Hals, als hätte er sie verschluckt. Er sucht etwas Woran er sich festhalten kann, aber seine Hände greifen ins Leere.
Es gibt keinen Halt und er stürzt aus dem Fenster der zweiten Etage.
Panisch rudert er mit seinen Armen und Romys Schrei begleitet ihn bis nach unten.

Er weiß, dass es zu spät ist.

Der dumpfe Aufprall presst die Luft aus seiner Lunge.
Der Schmerz ist so scharf, dass die Welt für ihn stillzustehen scheint.
Wenigstens durfte er noch einmal ihr Gesicht sehen.

Taylor ringt hektisch nach Sauerstoff, saugt ihn in sich rein, aber es kommt nichts an.
Er fühlt sich wie in einer Seifenblase, langsam schwebt sie davon.
Romys Stimme dringt zu ihm durch, doch er kann die Bedeutung der Worte, die sie sagt, nicht verstehen.
So gerne er ihr auch antworten möchte ist es, als sei seine Zunge unter seinem Gaumen festgeklebt.
Sie gehorcht ihm nicht und seine Sicht verschleiert.

Eine Berührung, sanft wie der Flügelschlag des Schmetterlings auf seiner Wange.
Es tropft ihm etwas Nasses ins Gesicht, sie weint, dabei braucht er ihr Lächeln so sehr.
Ihn packt der Sog der Dunkelheit und zieht ihn hinab.

Es gibt einfach keine Farben mehr.

Alles um ihn herum wird leise, umso mehr er versucht sich dagegen zu wehren, umso deutlicher empfängt ihn die Stille, die er sich noch vor einiger Zeit mehr als alles andere auf der Welt gewünscht hat.

Er will jetzt nicht gehen und noch einmal ihr Licht sehen.

Nur noch ein einziges Mal.

Only one Time - Ein einziges Mal (abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt