„Hier können Sie mich rauslassen", sagte ich zu dem Fahrer und er hielt am Straßenrand. Er stellte den Motor ab und machte Anstalten auszusteigen, doch ich hielt ihn zurück. „Das schaffe ich schon alleine. Aber danke fürs Fahren." Dann stieg ich aus, bevor er noch etwas sagen konnte und tauchte in der Menge unter.
Ich zog mir die Kapuze über und ging die Straße hinunter. Es mussten nicht noch mehr Leute wissen wo ich wohnte, weshalb ich ihn am anderen Ende des Diamond Squares hatte halten lassen. Jetzt ging ich durch die Menge und spürte wie sehr ich mein Zuhause vermisst hatte. Das moderne Gebäude hob sich von dem grauen Himmel ab und trotz den scharfen Konturen schien es mir richtig freundlich und einladend zu sein.
Im Eingangsbereich kam mir der Geruch von Blumen entgegen, von denen immer ein Strauß auf dem Empfangstresen stand. Unwillkürlich musste ich lächeln, als ich das vertraute Gesicht des Portiers entdeckte, dessen Miene sich bei meinem Anblick aufhellte. „Ich habe Sie lange nicht mehr gesehen, Miss Everton. Darf ich fragen, wo sie waren?"„Verreist", antwortete ich knapp und ließ mir von ihm meinen Schlüssel geben.
„Zwei Herren waren vor zweieinhalb Wochen hier und haben sich durch einen Gerichtsbeschluss Zugang zu Ihrem Apartment verschafft."
„Ich weiß. Es gab ein kleines Missverständnis, aber ich habe mich gleich als ich zurückkam darum gekümmert. Es hat sich alles erledigt."
Er nickte. Ich war mir sicher, dass er Vincent wiedererkannt hatte, da er nur etwa eine Woche davor eine Rose für mich hatte abgegeben und das alles vermutlich sehr seltsam war, wenn der selbe Mann eine Woche später auftauchte und mit einem Durchsuchungsbefehl vor seiner Nase herum wedelte, doch er fragte glücklicherweise nicht nach. Wallace war einer der verschwiegensten Menschen, den ich kannte. Ich wusste, dass wenn ich ihm ein Geheimnis anvertraute, er es mit ins Grab nehmen würde, aber ich wollte ihn nicht unnötig belasten. Je weniger er wusste, desto besser.
„Schön, dass Sie wieder da sind, Miss Everton", sagte er bloß und ich ging.
Als sich die Tür zu meinem Apartment hinter mir schloss, sackten meine Schultern nach unten. Hier, an dem einzigen Ort auf der Welt, an dem ich keine Maske tragen musste, konnte ich meine Erschöpfung und Verzweiflung offen zeigen. Meine Mundwinkel waren bleischwer und ich fragte mich, wie ich es in den letzten Wochen geschafft hatte zu lächeln. Ich stand einfach im Eingangsbereich, sah auf das Chaos, das Nolan und Vincent in meinem Apartment hinterlassen hatten, und hatte zum ersten Mal seit Ewigkeiten das Bedürfnis umarmt zu werden. Ich wollte, dass mich jemand kommentarlos, ohne Fragen zu stellen und vor allem ohne mich zu verurteilen in seine Arme schloss und mir sagte, dass alles wieder gut werden würde. Doch ich war alleine.
Erschöpft lehnte ich mich mit dem Rücken gegen die Tür und ließ mich auf den Boden rutschen. Dort zog ich meine Knie an und umschlang mit meinem gesunden Arm meine Beine. Meinen schweren Kopf legte ich auf meinen Knien ab. In diesem Moment hätte ich mich am liebsten einfach in Luft aufgelöst. Lautlos. Ich fragte mich, ob mich dann jemand vermissen würde oder sogar froh sein würde.
Ich gestand mir einige Minuten zu, in denen ich in meinem eigenen Selbstmitleid zerfloss, dann rappelte ich mich auf und schlurfte in die Küche. Überall sah es aus als wäre ein Wirbelsturm hindurchgefegt. Meine Schubladen und Schränke standen alle offen, in jeder Ecke war gesucht worden. Sogar in meine Töpfe hatten sie geschaut. Ich holte mir ein Glas aus dem Schrank und goss mir den stärksten Schnaps ein, den ich hatte. Er brannte höllisch, aber zumindest für einen winzigen Moment lenkte er mich von meiner Lage ab. Danach ging ich zu meinem Handy, das in einer Beweismitteltüte auf dem Tisch lag und rief meinen großen Bruder an.
„Ich bin zurück!", sagte ich und gab mir Mühe nicht so bedrückt zu klingen wie ich mich fühlte.„Du warst lange weg", bemerkte er. „Ja, ich weiß. Hat länger gedauert als ich annahm. Und? Gibt es was neues?"
„Chase hat schon wieder eine neue Freundin und Dad hat sich beschwert, dass du dich gar nicht mehr bei deiner Familie blicken lässt. Ich bin übrigens seiner Meinung."
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Criminal 2 - Das Spiel des Teufels
ActionNach ihrer Verhaftung geht Jordan einen Deal mit dem FBI ein und unterstützt es fortan bei ihren Ermittlungen gegen den Herrscher. Doch der erweist sich als harter Gegner. Er versteckt nicht nur Bomben in der Stadt, von denen er verspricht jede Woch...