Der tote Mann | 4

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Vincent schluckte und beschloss sich wieder auf den Code zu konzentrieren. Sein Partner hatte recht. Es brachte nichts, sich verrückt zu machen.
 
Im Kopf ging er noch einmal grob alle privaten Gespräche durch, die sie geführt hatten. Sehr viele waren es nicht gewesen, aber plötzlich erinnerte er sich an den Tag, an dem sie sich das erste Mal seit ihrem Treffen im Smith's wieder näher gekommen waren. Er hatte damals vor ihrem riesigen Bücherregal gestanden und eine kleine Kiste aufgeklappt, in dem eine Originalausgabe von Der Graf von Monte Christo gelegen hatte.

„Google mal nach dem Erscheinungsjahr von Der Graf von Monte Christo", wies er Dean an.

Der runzelte die Stirn.

„Tu es einfach."

Entschuldigend hob er die Hände. „Ja, ist ja gut." Er zog sein eigenes Handy aus der Tasche. „1844", meinte er kurz darauf.

Nash tippte die Zahl ein und tatsächlich offenbarte sich daraufhin das Innenleben des iPhones. „Woher wusstest du das?"

„Wie du vorhin sagtest, ich bin ihr Freund", entgegnete Vincent.

„Tja. Jetzt sind wir übrigens endgültig geliefert. Erst ihr Auto und dann ihr Handy..."
 
Nash hielt sich den Finger an die Lippen und brachte seinen Partner so zum Schweigen. Er drehte sich ein wenig weg, da er inzwischen den Kontakt ihres Bruders Chase gefunden hatte und ihn anrief. Nach einem kurzen Gespräch, in dem er es schaffte Jordans Bruder vorzugaukeln, dass sie ihn angewiesen hatte ihn anzurufen und nach etwas suchen zu lassen, war er überzeugt davon, dass die Bombe nicht in seiner Bar war. Er hatte alle Kisten und potentielle Verstecke von Chase überprüfen lassen und es wäre ihm sicher aufgefallen, falls da irgendwo eine Bombe herumlag. Vincent bedankte sich und legte wieder auf. „Nichts."

„Wer ist der nächste?"

„Das ist es ja. Mir fällt niemand mehr ein. Jordan ist ein einsamer Wolf."

Dean nahm ihm das Handy wieder ab. „Dann durchsuchen wir eben ihre Kontakte. Irgendwen muss es doch geben."

Er scrollte durch die Liste, aber von den meisten Leuten hatte er noch nie etwas gehört. Bis er bei dem Buchstaben D angelangt war. „Catalina Diaz? Haben wir die nicht verhört?"
 
Vincent erinnerte sich an sie. Kurz bevor sie gegangen waren, hatten sie ihn beiseite genommen. Ihre Worte hatten sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Sie hatte gesagt, dass Jordan manchmal eiskalt und skrupellos erscheinen möge, aber sie für die, die sie liebte, alles geben würde. Nur ihr Herz würde sie vor allem und jedem verschließen, manchmal sogar vor sich selbst. Und dass es nur die wenigsten Menschen zu schätzen wüssten, wenn sie sich tatsächlich mal jemanden öffnete. Sie hatte damals ihn gemeint. Sie hatte ihn gewarnt und trotzdem hatte er es versaut.
 
„Sie war die einzige, die sie im Gefängnis besucht hat und ist wahrscheinlich eine der wenigen, die weiß, dass sie Jordan ist."

„Sie kennt sie gut", bestätigte Vincent, „Sie muss es sein."

„Okay. Rufen wir sie an?"

Er schüttelte den Kopf. „Ihre Wohnung ist nur ein paar Minuten von hier entfernt." Vincent knallte die Tür zu. „Wir fahren hin."

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Der Schweiß stand mir kalt auf der Stirn. Ich war völlig erschöpft und lag schwer atmend auf dem Boden. Noch immer war ich an dem Stuhl festgebunden, aber meine Peiniger gönnten mir eine Pause. Naja, viel weniger mir als sich selbst. Mein Blick ging ins Leere und ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich sah zwar die Gesichter der Männer vor mir, aber ich konnte sie kaum noch erkennen. Wahrscheinlich würde ich morgen - falls ich das heute überleben sollte - nicht mehr sagen können, dass sie in diesem Raum gewesen waren.
 
Plötzlich spürte ich einen Ruck und im nächsten Moment saß ich wieder aufrecht. Mein Stuhl war wieder aufgerichtet worden und ich sah erneut in das Gesicht von Bill Benero.

Criminal 2 - Das Spiel des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt