Lay my Body down | 1

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Ich wollte mich zusammenreißen. Ich wollte es wirklich. Trotzdem schaffte ich es einfach nicht mich zu überwinden in die FBI-Zentrale zu gehen. Genauer gesagt schaffte ich es nicht Vincent zu begegnen ohne dass es mir das Herz zerriss.

Die Ironie an der Sache war, dass ich mich hintergangen und verraten fühlte. Ich hatte keine Ahnung wann ich das letzte Mal zu jemanden so ehrlich und offen gewesen war wie zu Vincent. Er kannte mich vermutlich besser als meine Familie und er verstand mich. Selbst wenn wir nicht immer einer Meinung gewesen waren - also eigentlich nie - hatte er mich akzeptiert.

Und ich? Noch nie war mir jemand so wichtig gewesen wie er und jetzt war er weg. Ich hatte ihn verloren. So wie ziemlich jeden anderen Menschen, der mir wichtig war. William ignorierte meine Anrufe und bei Chase und Dad versuchte ich es erst gar nicht. Ich gab ihnen Zeit das ganze zu verarbeiten. Außerdem konnte ich Dads Enttäuschung nicht ertragen und falls Chase inzwischen begriffen hatte, was es bedeutete, dass ich mein eigenes Syndikat leitete, wollte ich auch ihm besser noch nicht begegnen.

Ich wusste, dass wir schon Montag hatten und die Zeit knapp wurde, aber das FBI war auch schon klargekommen, bevor ich aufgetaucht war. Das war zwar nie so geplant gewesen, aber das war das gestern auch nicht. Ich gönnte mir den Tag Abstand, immerhin konnte ich auch von Zuhause aus arbeiten.

Doch am nächsten Morgen hatte ich keine Wahl. Die Bombe würde heute um zwölf Uhr hochgehen, weshalb mir nichts anderes übrig blieb als mich früh aus meinem Bett zu quälen.

Als ich mich fertig gemacht hatte, stellte ich mich vor den Spiegel. Doch der zeigte genau das Gegenteil von dem, wie ich mich gerade fühlte. Vor mir stand eine Frau mit harten Zügen, die auch von ihrer Kleidung unterstrichen wurden. Nahezu ganz in Schwarz mit Lederjacke und Cargo-Hose. Meine Haare waren zu einem hohen Pferdeschwanz zurückgebunden, ich trug ausnahmsweise keine hohen Schuhe sondern meine Jordans und meine Augen wurden von einer Sonnenbrille verdeckt.

Innerlich fühlte ich mich allerdings alles andere als stark. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit fühlte ich mich schwach, verletzt. Ich war ein Einzelgänger. Das war ich schon immer gewesen. Aber manchmal war es wirklich hart. Selbst wenn ich das jemand anderem gegenüber vermutlich niemals zugeben würde. Trotzdem war ich froh über die Widersprüchlichkeit. Niemand sollte mir anmerken wie dreckig es mir wirklich ging. Gleichzeitig fiel mir die Entscheidung, zu gehen, wesentlich leichter.

Ich ging zur Tür, als ich etwas auf dem Boden bemerkte. Es war ein kleiner, schwarzer Knopf. Ich hob ihn auf und fuhr mit meinem Daumen über die glatte Oberfläche. Er war von Vincents schwarzem Mantel abgefallen, den er vorgestern getragen hatte. Eine weitere heiße Nadel jagte durch mein Herz, aber wenn ich den Tag heute überstehen wollte, würde ich mich wohl oder übel daran gewöhnen müssen. Ich umschloss ihn mit meiner Faust und stopfte ihn in meiner Jackentasche. Oh ja, ich konnte es kaum erwarten hier wegzukommen.

Als ich aus dem Aufzug stieg und Dean mich heute zum ersten Mal sah, runzelte er die Stirn. „Heute kein Hut?"

„Mir war nicht danach", antwortete ich knapp und die Härte übertrug sich auch auf meine Stimme.

Nolan nickte bloß. Er hatte schnell verstanden, dass mit mir heute nicht gut Kirschen essen war und ich nicht plaudern wollte. Und genau in diesem Moment kam der Grund dafür. Ich ließ mir nichts davon anmerken, auch wenn es wehtat. Er tat das gleiche.

Allerdings hatte ich keine Zeit zu bemerken wie weh es tatsächlich tat ihm gegenüberzustehen, denn Fynn Cohen kam mit schnellen Schritten zu uns. „Rivertonstreet 38, Fahrer von weißem Mercedes Sprinter. Sie drei fahren. Jetzt."

Nolan nahm sofort seinen Autoschlüssel und auch ich ging in Richtung Aufzug, nur Vincent blieb wie angewurzelt stehen. Cohen legte den Kopf schief. „Haben Sie ein Problem damit, Nash?"

„Hat er nicht", antwortete ich für ihn und ging weiter.

So kam es, dass Dean und ich zuerst im Auto saßen und auf Vincent warten mussten. „Alles in Ordnung?", wollte er wissen.

Criminal 2 - Das Spiel des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt