Der tote Mann | 1

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Als ich zu mir kam, waren meine Augenlider schwer wie Blei. Doch kaum hatte ich es geschafft, sie zu öffnen, kniff ich sie gleich wieder zusammen, da das grelle Licht in meinen Augen stach. Ich hatte einen trockenen Mund und spürte ein unangenehmes Pochen in meiner Schläfe. Mein Körper fühlte sich seltsam taub an.
 
Plötzlich ließ mich ein brennender Schmerz all das vergessen. Gleichzeitig riss ich meine Augen und meinen Mund auf und ein erstickter Schrei verließ meine Lippen. Ich wollte die Arme hochreißen und konnte es nicht. Ich brauchte einige Sekunden, bevor sich meine Pupillen wieder an das Licht gewöhnt hatten, dann sah ich von was der Schmerz ausging. Ich saß auf einem Stuhl und meine Arme waren an der Lehne festgebunden.

Neben mir kniete ein Mann, der in aller Ruhe seine Zigarette auf meinem Arm ausdrückte. Ich zerrte an den Fesseln und biss die Zähne zusammen, da ließ er endlich von mir ab und stand auf.
 
„Wach?", fragte jetzt ein anderer Mann und mir fiel endlich wieder ein, was passiert war. Der Friedhof, die Beerdigung, der Mann, der eigentlich tot sein sollte.

Ich ballte die Fäuste und grub meine Fingernägel in meine Handflächen um dem Schmerz in meinem Arm entgegenzuwirken.

„Kennen Sie mich noch? Sicher, tun Sie das. Immerhin haben Sie ein fotographisches Gedächtnis, wenn meine Nachforschungen über Sie richtig sind, Kate. Oder wäre Ihnen Jordan lieber?"
 
Ich biss die Zähne aufeinander und verfluchte meine Arroganz, in deren Zug ich ihm an dem Abend, an dem ich ihn getötet hatte, meine wahre Identität verraten hatte. Im Grunde hatte ich mir mein eigenes Grab schaufelt, aber man sollte meinen, dass ich sein Herz mit aufgesetzter Waffe nicht verfehlte. Und wie zur Hölle konnte er noch dazu aus dem Feuer entkommen?
 
„Ja, da ist es. Einsicht. Sie wissen, wer ich bin."

Ich fand endlich meine Stimme wieder. „Wie könnte ich Sie vergessen, Bill Benero. Ihren Mundgeruch riecht man aus einer Meile Entfernung."

„Ah, da ist sie ja wieder. Kate DeLeón, wie wir sie kennen und hassen. Immer noch sehr schlagfertig für jemanden, dessen Venen mit Chemikalien vollgepumpt sind. Wissen Sie, ich habe keinen Geruchssinn, deshalb kann ich Ihnen nicht einmal glaubwürdig widersprechen, aber dass Sie mich auf der Beerdigung nicht gerochen haben, ist mir Beweis genug."

Ich fletschte die Zähne. Verdammt, wie war das nur möglich?
 
Bill Benero nahm sich einen anderen Stuhl und setzte sich mir gegenüber. Erst jetzt nahm ich meine Umgebung wahr und musste hart schlucken. Wir waren nicht in einem abgelegenen Lagerhaus oder irgendeinem verlassenen Gebäude, sondern in einem Apartment. Genauer in einem Apartment zwei Häuserblöcke von meinem eigenen entfernt. Cats Wohnung stand seit unserem Besuch in Mexiko leer und ich hatte bisher noch keine Zeit gehabt, mich darum zu kümmern. Eigentlich wollte ich sie verkaufen. Zuerst hatte ich noch überlegt, ob ich das wirklich tun sollte, aber ich glaubte nicht, dass Catalina jemals zurückkommen würde und ich war nicht gerade ein sentimentaler Mensch.
 
„Schönes Plätzchen", sagte ich und bemühte mich, unbeeindruckt auszusehen. Er hatte mich nicht ohne Grund hier her gebracht und bevor er mich mit diesem Thema überrumpelte, sprach ich es lieber selbst an. „Mal etwas anderes als die verlassenen Lagerhallen."

Er schnaubte belustigt. „Ja, nicht? Ihre Freundin hat einen guten Geschmack. Zu schade, dass sie nicht da ist." Zum ersten Mal war ich froh, dass Cat in Mexiko geblieben war.
 
Benero hustete in ein Taschentuch, das er in der Hand hielt. „Diese Frau hat mehr Glück als Verstand. Schon als Lucy Heavens hier war, hatte sie Glück gehabt. Eigentlich wollte sie beide umbringen. Catalina Diaz und Cole Allen. Aber offensichtlich hat einer gereicht." Er machte das mit Absicht. Er wollte mir unter die Nase reiben, wie viele Einzelheiten er über mein Leben und mein Umfeld kannte.
 
„Apropos. Wo ist Lucy eigentlich abgeblieben?"

„Was wollen Sie von mir, Benero?", wich ich der Frage aus, auf die er die Antwort entweder schon kannte oder sie sich denken konnte.

„Nur eine Kleinigkeit." Er lehnte sich zu mir vor. „Ihr Leben."

Criminal 2 - Das Spiel des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt