Knockout | 5

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Mein Herz blieb stehen. Hektisch drehte ich meinen Kopf, konnte aber nicht sehen ob Vincent in sich zusammengesackt war oder nicht. „Vince?", fragte ich panisch, doch anstatt eine Antwort von ihm zu erhalten, hörte ich eine andere, mir bekannte Stimme.

„Alles in Ordnung?"

Erleichtert stöhnte ich auf. Das nenne ich mal Timing, Dean.

Doch meine Sorge galt immer noch Vincent, die mir allerdings genommen wurde, als er ein angespanntes „Ja." ausstieß. Ich ließ meinen Kopf in den Nacken fallen und entspannte mich wieder.

„Euch kann man echt nicht alleine lassen", meinte Nolan.

„Schneide uns einfach los", entgegnete Vincent.

Kurz darauf wurden die Kabelbinder an meinen Hand- und Fußgelenken durchgeschnitten. Als Dean zu mir sah, verzog er leicht das Gesicht. „Was haben der mit euch angestellt?" Ich rieb mir die Handgelenke. Die Fesseln hatten üble Blutergüsse hinterlassen. Genau wie die Faust des Mannes.

„Ein alter Bekannter", meinte ich leichthin. Ich stand auf, wankte für einen Moment aber gefährlich.

„Ja und du hast gerade einen Mann erschossen, der einen Mord von Jordan bezeugen konnte", warf Vincent seinem Partner vor. Er klang verbissen. Natürlich. Nachdem was er gerade über mich erfahren hatte, war sein Hass erneut aufgeflammt und jetzt wollte er mich nur noch umso mehr drankriegen.

„Oh, entschuldige", sagte Nolan leicht beleidigt, „Das nächste Mal warte ich, bis er dich erschossen hat und nehme ihn dann unversehrt fest, damit er gegen sie aussagen kann. Ich bin sicher, das wäre in deinem Sinn."

Ich ging um den Stuhl herum und sah Vincent an. Der Leichnam des Mannes, der uns noch vor wenigen Sekunden hatte erschießen wollen, lag hinter mir, aber ich beachtete ihn nicht mal. Der FBI-Agent war sitzengeblieben und als wir uns gegenseitig betrachteten, pressten wir beinahe gleichzeitig die Lippen aufeinander. Er hatte ebenfalls einiges abbekommen, aber anhand seines Blickes vermutete ich, dass ich noch schlimmer aussehen musste. Ich wischte mit meinem Ärmel das Blut aus meinem Mundwinkel und er tat das gleiche mit seiner Nase.

„Du blutest", stellte ich auf einmal fest.

Er durchbohrte mich mit einem tödlichen Blick. „Was du nicht sagst."

„Ich meinte eigentlich das da." Ich deutete auf seinen Oberschenkel und er folgte meinem Finger. Ein Loch war in seiner Hose und die Stoffränder sogen sich bereits mit Blut voll.

Dean, der inzwischen neben mir stand, ging in die Knie und betrachtete die Wunde. „Nur ein Streifschuss."

Ich trat einige Schritte zurück. Ich hatte es heute echt verbockt. Mir war schwindelig und ich fühlte mich, als wäre ich gegen eine Wand gefahren. Alles tat mir weh. Mein Kiefer war seltsam taub, meine Rippe schmerzte und ein äußerst unangenehmes Ziehen durchfuhr meine linke Schulter, wenn ich sie bewegte. Dieser Vollidiot hatte sie voll erwischt.

„Was machst du eigentlich hier?", wollte Vincent gerade von Dean wissen, „Ich dachte, du solltest im Büro bleiben?"

„Sollte ich auch. Der Autopsiebericht von Dixton Junior kam und ich rief Barron an. Sie sagte, dass sie lange nichts mehr von euch gehört hätte und hat deine Nachricht gefunden, Jordan." Er drehte sich zu mir um. „Sehr lustig übrigens." Ich brachte ein schwaches Lächeln zustande und er wandte sich wieder seinem Partner zu. „Da war uns klar, dass etwas nicht stimmt und wir haben uns aufgeteilt und euch gesucht. Ich schreibe ihr schnell, dass ich euch gefunden habe." Er steckte das Messer wieder ein und holte stattdessen sein Handy aus der Jackentasche.

Mein Blick fiel in der Zwischenzeit wieder auf die Leiche. Dean hatte ihn mit einem sauberen Schuss in den Nacken erledigt. Als er umgefallen war, hatte sich wahrscheinlich eine Kugel gelöst und Vincents Bein gestreift. Mir wurde wieder einmal klar, wie viel Glück wir gehabt hatten. Eine Sekunde später und...

Ich ärgerte mich, dass ich den Mann im Aktenlager nicht gehört hatte. Ich tröstete mich damit, dass alles so schnell gegangen war. Unheimlich schnell sogar. Ich hatte mich kaum umgedreht gehabt, da war er schon bei mir gewesen und hatte mich ebenfalls niedergeschlagen gehabt. Wenn ich so darüber nachdachte, war das sogar unmöglich. Außer... Außer sie waren zu zweit gewesen.

Ich war gerade dabei zum Sprechen anzuheben, als etwas schwarzes in meinem Augenwinkel auftauchte. Dieses Mal verschwendete ich keine Zeit damit nachzudenken, ich reagierte lediglich. Ich stand direkt neben der Tür durch die der zweite Angreifer kam, sodass er mich erst sah, als er ganz hindurchgetreten war. Ich nutzte meinen Überraschungsmoment und griff einfach nach der Waffe. Das war das letzte, womit er gerechnet hatte, weshalb es nicht sehr schwer war, ihm die Pistole einfach aus der Hand zu reißen.

Erschrocken drehte er den Kopf zu mir um und als er begriffen hatte was gerade passier war, wollte er auf mich losgehen, aber wieder war ich schneller. Ich holte aus und verpasste ihm mit meiner Faust einen so heftigen rechten Haken, dass es ihm die Lichter ausknipste. Wie ein nasser Sack Zement schlug er auf dem Boden auf.

In diesem Moment wirbelten Vincent und Dean herum. Sie brauchten einige Sekunden um sich zusammenzureimen was gerade passiert war und sahen zwischen mir und dem Mann am Boden hin und her. Ich war selbst zu überrascht, um etwas zu sagen. Doch auf einmal änderte sich der Gesichtsausdruck der beiden und ich folgte ihrem Blick auf meine Hand, in der ich die Waffe hielt.

Ich sah wie Vincent langsam nach seiner Pistole griff, die wieder in seinem Holster steckte. Ich schnaubte, sicherte die Pistole, warf das Magazin aus, zog den Schlitten zurück und entfernte so die Kugel im Lauf. Dann warf ich den beiden FBI-Agenten die Waffe vor die Füße. „Wenn ich euch tot sehen wollte, wärt ihr das erstens schon lange und zweitens hätte ich dann dem Typen die Waffe abgenommen, nachdem er euch erschossen hat."

Ich sah wie Dean schluckte und Vincent sich wieder entspannte. Falls es ihm peinlich war oder sogar leid tat, dass er mir sowas zumutete, zeigte er es nicht. Ich glaubte ohnehin, dass er mir nach dem Gespräch vorhin alles zutraute.

„Was ist überhaupt passiert?", fragte Nolan um von der angespannten Situation abzulenken, während er dem Bewusstlosen Handschellen anlegte.

Criminal 2 - Das Spiel des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt