Wenig später saßen wir in meinem Auto und fuhren in die Stadt zum Harlem-Club. Die Jungs saßen vorne und Vincent hatte sich meinen Schlüssel schneller geschnappt als Nolan »Camaro« hätte sagen können. „Meinst du eigentlich, der Herrscher hat vor, Panik auszulösen?", überlegte er während der Fahrt laut, „Er hat schon einmal ein Verbrechen damit vertuscht. Geplantes Chaos."
„Es gibt kein geplantes Chaos", entgegnete ich, „Man kann nur planen, es auszulösen. Und selbst dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es einem um die Ohren fliegt. Außerdem wüsste ich nicht, was für ein Verbrechen er mit dem Attentat auf ein Krankenhaus verschleiern will."
„Du meinst, er ist ab jetzt nur noch auf Rache aus?"
„Ich halte den Herrscher nicht für rachsüchtig. Dazu ist er zu geldgierig. Und sonst hätte er das schon bei seinem ersten Versuch, mich umzubringen, selbst gemacht."
„Seinem ersten Versuch?", hakte Nolan nach.Ich sah im Rückspiegel, wie Vincent für einen Moment gequält die Augen schloss. „Die Verbrennungen, stimmt's?" Ich nickte. „Was hat er mit dir gemacht?"
Ich wusste nicht, ob er die Antwort wirklich wissen wollte und vermutlich wusste er das selbst nicht. Aber ich wollte keine Geheimnisse mehr vor ihm haben. „Strom. Er hat jemanden angeheuert, um mich fertigzumachen. Deswegen auch die Tarot-Karten. Sie waren Botschaften für mich. Erst hat sie meine Freunde umgebracht und dann hat sie sich mir angenommen."
„Er hat dich foltern lassen?", fragte Nolan atemlos.„Ja. Und es war eine sie. Sie hatte außerdem ein persönliches Interesse." Ich zuckte mit den Schultern. „Ich hatte es verdient."
„Verdient? Niemand hat sowas verdient", grollte Vincent und sowohl Dean als auch ich waren überrascht über die Aggressivität in seiner Stimme.
„Ich habe damals nicht gelogen als ich sagte, dass ich in dieser Woche unter Storm gestanden habe", versuchte ich ihn zu beschwichtigen. Es funktionierte. Zumindest für einen Augenblick.
Unwillkürlich verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln, doch beinahe augenblicklich sackten sie wieder nach unten. Wahrscheinlich tauchten die Brandwunden wieder vor seinem geistigen Auge auf.
Ich lehnte mich nach vorne und legte eine Hand auf seine Schulter. „Hey. Schon okay. Es war nichts."Er drehte kurz seinen Kopf und sah mich an. Es war nur eine Sekunde, aber sein Blick bohrte sich in meine Augen. „Das war nicht nichts, Jordan. Ich habe die Wunden gesehen."
Ich lehnte mich wieder zurück. Widerrede war zwecklos, also versuchte ich es gar nicht erst.
Stille breitete sich aus und ich sah, dass Vincent sich so fest am Lenkrad festklammerte, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Ich war froh als wir am Gebäude ankamen, in dem der Club war. „Okay, Jungs", sagte ich, „Benehmt euch da drin. Blamiert mich nicht."Nolan stieg aus und öffnete mir von Außen die Tür, während Vincent den Autoschlüssel an den Parkservice übergab.
Der Harlem-Club war in der obersten Etage des Harlem-Hotels, in dem die Stars und Politiker meistens bei ihren Aufenthalten in der Stadt auch gleich übernachteten. Schon an der Lobby erkannte man, in welcher Liga das Hotel und auch seine Besucher spielte. Die Absätze meiner Stiefeletten klackte auf dem polierten Marmorboden und von der Decke hing ein kunstvoller Kronleuchter. Außer dem Empfangstresen, hinter dem Hotelangestellte in ordentlichen Uniformen standen, standen noch einige Sessel und Sofas herum. Feine Leute in noch feinerer Kleidung warteten hier mit ihren Koffern oder saßen einfach da und unterhielten sich. Der High Society kam es nur auf ihren Kontostand und vor allem auf ihr Image an. Und hier unten war die beste Stelle, um sich zu präsentieren.
Die beiden FBI-Agenten folgten mir brav und versuchten, sich nicht anmerken zu lassen, wie unwohl sie sich fühlten. Ich konnte sie verstehen. Als ich neu in diese Gesellschaft eingeführt wurde, hatte ich das Gefühl gehabt nur durch meine Anwesenheit den Glanz zu nehmen, den alles ausstrahlte. Ich hatte mich klein und schmutzig gefühlt, doch nach einer Zeit erkannte man, dass diese Leute ihren Dreck einfach erfolgreich unter den Teppich kehrten und deshalb alles so blendend aussah. Der Glanz machte vor allem blind.
Die Leute um uns herum versuchten es sich nicht anmerken zu lassen, aber ich spürte ihre beinahe vorwurfsvollen Blicke in meinem Rücken. Ich ignorierte sie. Anders als Dean und Vincent vermuteten, war ich nicht oft hier. Neben der langweiligen Gesellschaft war das der zweite Grund. Ich hatte lange gebraucht um diese Blicke auszublenden, trotzdem war es anstrengend. Diese Menschen waren anstrengend.
Die Aufzugtüren schotteten uns schließlich davon ab und Vincent fuhr sich nervös durch die Haare. „Was für nette Leute", kommentierte er zynisch, „Ich glaube, selbst wenn ich das Geld dazu hätte, würde ich hier nicht übernachten."
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Criminal 2 - Das Spiel des Teufels
ActionNach ihrer Verhaftung geht Jordan einen Deal mit dem FBI ein und unterstützt es fortan bei ihren Ermittlungen gegen den Herrscher. Doch der erweist sich als harter Gegner. Er versteckt nicht nur Bomben in der Stadt, von denen er verspricht jede Woch...