Mexiko | 1

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Als ich zuhause ankam, blieb ich im Eingangsbereich stehen und legte meine Hand auf meinen Mund. Ich hatte mich endlich wieder beruhigt und nur langsam wurde mir bewusst, was ich gerade getan hatte. Wenn es zwischen mir und den Agenten auch nur ein winziges bisschen Vertrauen gegeben hatte, war es jetzt endgültig zerstört. Ich hatte das schlimmste getan, was ich hätte tun können.

Im Moment konnte ich nicht mal sagen ob ich Reue empfand. Auf der einen Seite dachte ich, dass sie es nicht anders verdient hatten. Ich hatte das Spiel nur fair gemacht. Ich musste mich endlich von der Vorstellung verabschieden, dass ich irgendwann dazugehörte. Das würde niemals passieren, warum sollte ich es also weiter versuchen? Es war gegen meine Natur und ich würde mich für niemanden so radikal verändern wie sie es von mir verlangten. Und doch kämpfte ich immer noch um ihre Gunst. Ich hatte keine Ahnung warum, aber ich konnte nichts dagegen tun.
Ich zog meine Schuhe aus und ging zu meinem Esstisch, auf dem die Schlinge lag. Ich legte sie wieder an, verzichtete aber auf die Schmerztablette. Ich wollte den Schmerz spüren, um zu verhindern, dass ich den Grund dafür zu verdrängte. Ich hatte ihn verdient und ich wollte daran erinnert werden.

Gerade als ich mich auf die Couch gesetzt hatte, hörte ich ein Handy klingeln. Ich zog mein iPhone aus der Tasche, doch das war stumm. Entnervt stöhnte ich auf und ging zu der Kommode, in der mein geheimer Tresor war. Nachdem ich ihn geöffnet und das Handy herausgeholt hatte, nahm ich den Anruf an. „Ja?"

„Señorita DeLeón." José Donio. Der hatte mir gerade noch gefehlt. Doch dieses Mal war etwas anders. Die widerlich falsche Freundlichkeit, die er mir immer vorspielte, fehlte. Irgendetwas stimmte nicht.

„Ich gehe mal davon aus, dass es um etwas ernstes geht", antwortete ich.

„Sí, gut geraten. Deshalb will ich mit el jefe sprechen."

„Jordan ist zurzeit nicht verfügbar."

„Das ist er nie. Möglicherweise liegt das daran, dass er im Gefängnis sitzt?" Verflucht. Wie zum Teufel konnte er das wissen?

„Wie kommen Sie darauf?", antwortete ich lässig.

„Mir kamen da einige Dinge zu Ohren. Glauben Sie, ich bin nicht informiert?"

„Offensichtlich nicht gut genug. Jordan ist wohlauf und nach wie vor ein freier Mann. Ihre Quelle muss sich irren."

„Das tut sie selten, aber darum geht es nicht."

„Sondern?"

„Der Deal ist ein Risiko für mich, wenn seine Macht nicht gesichert ist. Está un problema."

Ich verdrehte die Augen und lehnte mich an die Glasscheibe. „Lassen Sie das mal seine Sorge sein."

„Nicht, wenn das auch meine Geschäfte betrifft. Ich kann mir das Risiko nicht leisten."

Wütend biss ich mir auf die Lippe. Er wollte mich ernsthaft hängen lassen. Nicht, dass ich von ihm etwas wie Loyalität erwartete, aber ein großer Teil meines Geschäftes hing von ihm ab. Und um einen neuen Deal mit jemand anderem auszuhandeln, hatte ich im Moment weder die Zeit noch die Nerven. „Passen Sie mal auf..."

„Nein, Sie passen auf, Señorita DeLeón", fiel er mir ins Wort, „Ich werde das nicht mit Ihnen diskutieren. Und da Jordan wie immer nicht zu sprechen ist, ist diese Verhandlung beendet. Adiós!" Es knackte. Er hatte einfach aufgelegt.

Ein Knurren entwich meiner Kehle. Ich war kurz davor das Telefon gegen die Wand zu werfen, aber ich beherrschte mich. Stattdessen knallte ich es auf den Tisch und fuhr mir mit der rechten Hand durch die Haare. Konnte es noch schlimmer werden?

Ich ging zu meinem Sofa und ließ mich rückwärts darauf fallen. Im nächsten Moment bereute ich es wieder, da ein stechender Schmerz durch meine linke Schulter fuhr. Ich hob den Arm und zupfte an der Schlinge herum, als mein Blick auf das Pflaster fiel, das über der Stelle klebte, an der der Mikrochip war. Zum ersten Mal störte er mich. Beziehungsweise behinderte er zum ersten Mal meine Pläne, aber mir würde schon etwas einfallen.

Criminal 2 - Das Spiel des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt