Das Erbe eines Diebes | 2

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Ich sah in die Verhörräume. Ich wollte den Anführer der beiden sprechen, da der andere vermutlich zu viel Angst hatte zu reden. Ich war der festen Überzeugung, dass es in jeder Beziehung, egal wie die Mitglieder zueinander standen und ob sie auf beruflicher, sportlicher oder privater Ebene zusammenarbeiteten, eine dominante und eine weniger dominante Persönlichkeit gab. Ich musste nur den Boss unter den beiden finden und betrachtete sie.
 
Beide waren nicht gerade klein und schmächtig, aber der eine war größer als der andere. Doch das hatte nichts zu heißen. Beide hatten kahl geschorene Köpfe und Tattoos und beide standen sich in Grimmigkeit und Arroganz in nichts nach. Sie saßen nur halb auf dem Stuhl und der einzige Unterschied in ihrer Körperhaltung war, dass der kleinere seine Hände hinter dem Kopf verschränkt und sein Knie auf dem anderen abgelegt hatte. Seine Jacke hing nicht hinter ihm auf dem Stuhl, sondern lag auf dem Tisch. Ich hatte meine Wahl getroffen. Dominante Menschen hatten grundsätzlich das Bedürfnis, so viel Platz wie möglich einzunehmen. Je mehr Platz sie beanspruchten, desto dominanter waren sie. Wenn man das wusste, war es sogar ziemlich einleuchtend.
 
Ich ging zu dem Computer, der in der Ecke stand und die Verhöre aufzeichnete, und zog kurzerhand den Stecker. Dann klaute ich mir im Vorbeigehen einen Stift und irgendeine Akte von einem Schreibtisch und betrat den Vernehmungsraum. Ich ließ mir Zeit, die Tür hinter mir zu schließen und auch damit, Platz zu nehmen.

Der Mann pfiff durch die Zähne. „Ich hatte gar keine Anwältin bestellt. Aber in Ihrem Fall sage ich sicher nicht nein, Schätzchen."

Ernsthaft? Warum hielten mich hier alle für eine Anwältin? „Sie sprechen mich mit Supervisory Special Agent Silver an oder gar nicht", stellte ich von vorne herein klar. Noch hatte ich ihn keines Blickes gewürdigt. In aller Ruhe legte ich die Akte und den Stift vor mir hin, dann fixierte ich ihn mit meinem Blick.
 
„Sie waren an besagten Tag in dem Gebäude der Firma Dixton Pharmaceuticals."

„Sie haben keine Beweise dafür", entgegnete er gelassen.

„Oh. Das war keine Frage. Und um Sie zu korrigieren: Doch, die haben wir. Jetzt schon. Das ist der Grund, weshalb ich erst jetzt komme. Ich war noch unterwegs und habe schlechte Neuigkeiten für Sie." Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. „Tatsächlich wissen wir eine Menge. Wir wissen zum Beispiel, dass Sie die Chipkarte von Kendrick Dixton benutzt haben, um Zugang zu dem Aktenlager zu haben. Aber die viel wichtigere Frage ist, ob Sie wissen, dass aufgezeichnet wird, wann wann wo welche Chipkarte benutzt wird."
 
Ich sah ihm an, dass er das nicht wusste, aber er zuckte nur unbeeindruckt mit den Schultern. „Ich werde nicht reden." Gut, jetzt hatte er wenigstens zugegeben, dass er etwas wusste, das er erzählen konnte.

„Sie müssen auch nicht reden", fuhr ich fort, „Ich rede. Und Sie hören mir einfach zu." Ich nahm den Stift in die Hand und begann ihn in meinen Fingern hin und her zu drehen. Dabei ließ ich ihn nicht aus den Augen. „Ich weiß, was Sie jetzt denken. Die Aufzeichnung beweist gar nichts. Mag sein. Wenn da nicht noch die Überwachungsaufnahme wäre, die Sie einige Minuten vorher beim Betreten des Gebäudes zeigt. Mit genau so einem Pappkarton in der Hand, in dem wir die Bombe gefunden haben."
 
Er hob an, um mir zu widersprechen, aber ich unterbrach ihn auch dieses Mal. „Ich weiß auch, was Sie jetzt sagen wollen. Dass die Überwachungskameras des Juweliers gegenüber kaputt waren. Auch da haben Sie recht. Das waren sie. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es noch etwas gibt, das Sie nicht wussten."

Ich lehnte mich nach vorne und stützte mich mit den Unterarmen auf der Tischplatte ab. „Sagt Ihnen Douglas Hull etwas? Nein? Das muss es auch nicht. Ihm gehört ein winziges Geschäft gleich neben dem Juwelier. Ein kleiner Tante-Emma-Laden. Nicht gut besucht, aber er hat sich über Wasser gehalten. Auf jeden Fall ist Douglas Hull ist ein klein wenig paranoid. Ich verurteile das nicht und in diesem Fall bin ich ihm sogar dankbar dafür. Naja, auf jeden Fall hatte er so viel Angst, überfallen zu werden - vielleicht dachte er irgendwelche Verbrecher wollen über seinen Laden in den Juwelier einbrechen, keine Ahnung - und hat deshalb eine Kamera installiert. Haben Sie sie gesehen? Sie ist direkt über der grauen, unscheinbaren Tür in der Gasse neben dem Juwelier. Sie ist Ihnen nicht aufgefallen? Da waren Sie offensichtlich nicht der einzige. Die Leute, die die Kameras des Juweliers zerstört haben, ist sie anscheinend auch nicht aufgefallen. Denn Sie hat aufgezeichnet. Genauer gesagt, hat Sie ein gutes Bild von Ihnen aufgezeichnet und damit können wir beweisen, dass Sie dort waren und die Bombe platziert haben."

Criminal 2 - Das Spiel des TeufelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt