8.

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„Paddy, kannst du heute die Geschichte mit anhören?" „Gerne." „Mama, können wir in deinem Bett lesen? Da haben wir alle Platz." „Von mir aus gerne. Aber erst Schlafanzug an und Zähne putzen." „Muss ich auch meinen Schlafanzug anziehen?" fragte Paddy mit einem Augenzwinkern. „Nein, du darfst heute ausnahmsweise ein bisschen länger aufbleiben. Danke." Fee nahm den Topf, den Paddy ihr reichte. Er räumte den Tisch ab und sie räumte alles in die Spülmaschine. Es fühlte sich so selbstverständlich an, dass er hier war. Dass er mit ihnen zusammen aß. Dass er ihr dabei half, alles wieder aufzuräumen. Dass er mit den Mädchen scherzte. Dass er sie zum Lachen brachte. Dass er hier war. Bald war er wieder weg. Allein bei dem Gedanken daran, fühlte sich das Haus irgendwie leerer an. Dabei wusste sie nichts über ihn. Obwohl Paddy jetzt schon so lange hier war, wusste sie nichts von ihm. Sie unterhielten sich nie über private Themen, nur über oberflächliche Dinge.

„Mama, wir sind fertig!" rief es von oben. Paddy und Fee gingen hoch. Die vier setzten sich ins Bett und Fee begann vorzulesen. Als sie leises Schnaufen hörte, sah sie, dass Paddy eingeschlafen war. Sie las weiter und ließ es zu, dass auch Liese und Lotte einschliefen. Da saß sie nun, eingeklemmt von ihren Töchtern. Ein schlafender Paddy in ihrem Bett. Sie deckte alle zu und nahm sich vor, Paddy gleich aufzuwecken. Was für ein schönes Gefühl. 

Fee wachte mit einem wohligen Gefühl auf, dass sie gar nicht zuordnen konnte. Paddy lag neben ihr. Für einen Moment wusste Fee nicht, warum Paddy neben ihr lag. Dann fiel es ihr wieder ein. Er war beim Vorlesen eingeschlafen. Aber Liese und Lotte waren doch auch da gewesen. Ah Liese lag quer am Fußende und Lotte lag neben ihr. Wie immer waren beide nicht zugedeckt. Aber Paddy lag neben ihr. Mit einem Mal hielt sie diese Nähe nicht aus. Fee stand auf und ging ins Bad. Als sie das Frühstück vorbereitete, betrat der Grund für ihre innere Unruhe die Küche. „Guten Morgen, es tut mir leid," sagte er verschlafen. „Alles gut." „Ich habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen, ganz ohne blöde Träume und ..." Paddy stoppte sich selber. Er ging die Treppe wieder nach oben und kam 10 Minuten später frisch geduscht und angezogen nach unten, Liese und Lotte im Schlepptau. „Können wir jetzt immer so schlafen?" wollten sie wissen. „Nein, das war eine Ausnahme," sagte Fee bestimmt.

„Aber Paddy darf nicht weggehen." Liese brach in Tränen aus und Lotte stimmte mit lautem Geheule ein. „Kommt mal her ihr zwei." Paddy ging in die Hocke und nahm die beiden Mädchen in den Arm. „Ich komme euch auf jeden Fall besuchen, versprochen." „Aber du kannst doch hierbleiben. Hier ist doch Platz und dann ist Mama auch nicht mehr so alleine." Paddy blickte über die Köpfe der beiden zu Fee. Fee fühlte so viel gleichzeitig, dass es sie überforderte. „Liese, eure Mama ist doch nicht alleine, sie hat doch euch." „Aber die anderen sagen, wir brauchen einen Papa." „Und wir haben doch keinen Papa mehr." Lottes Augen füllten sich wieder mit Tränen. „Aber ihr habt eure Mama, die sich ganz toll um euch kümmert und immer für euch da ist!" Fee drehte sich um. Wie Paddy so liebevoll mit den beiden ganz aufgelösten Mädchen sprach, rührte auch Fee zu Tränen. Wie hatte es ihr entgehen können, dass die Kinder so sehr eine Vaterfigur vermissten? Und ja, sie fühlte sich manchmal einsam, aber das sollten die beiden doch nicht mitbekommen.

Sie spürte eine Hand auf ihrer Schulter und genoss diese tröstende Berührung. Ja, sie war manchmal einsam und es fühlte sich so gut an, dass jemand da war. Jemand, der so einfühlsam war, dass er sowohl zwei Mädchen trösten konnte, als auch spürte, dass sie traurig war. Fee wischte sich eine Träne von der Wange. „Das hast du schön gesagt." „Danke. Es tut mir leid, dass es den beiden zu schaffen macht, dass ich bald gehe." Nicht nur den beiden, hätte Fee fast gesagt, aber sie schluckte die Worte hinunter. „Sie mögen dich," sagte sie stattdessen. „Ich sie auch. Du hast ganz tolle Töchter, Fee." „Ja, ich weiß. Da habe ich sehr viel Glück gehabt." Fee machte das Frühstück fertig und sie aßen alle gemeinsam. 


„Pino kommt heute Nachmittag. Es ist doch noch in Ordnung, dass wir uns hier treffen, oder?" „Ja natürlich." „Fee, danke, dass du mich so in deine Familie aufgenommen hast. Das hat sehr gut getan." Fee meinte, in Paddys Blick einen Schmerz zu sehen, den sie nicht genau deuten konnte. „Das haben wir sehr gerne getan, nicht wahr Liese Lotte?" „Ich liebe eure Namen," sagte Paddy grinsend. „Manchmal ärgern uns die andere und sagen, dass das keine richtigen Namen sind. David hat gesagt, dass die Mama sich keine zwei richtigen Namen leisten konnte und dass wir deswegen nur einen Namen bekommen haben." „Das ist Unsinn. Ihr heißt so, weil eure Uroma so ein toller, wichtiger Mensch war, weil ..." Diese vielen Gefühle an einem einzigen Vormittag überforderten Fee. Sie hatte Angst etwas Falsches zu sagen. Warum nur waren Kinder manchmal so gemein zueinander. „Eure Namen sind ganz toll. Lasst euch von anderen Kindern nichts anderes einreden. Ihr habt ganz besondere Namen, weil eure Mama euch so lieb hat, dass sie euch diese tollen Namen ausgesucht hat!" Paddy berührte kurz Fees Arm und lächelte sie an. Sie lächelte dankbar zurück. „So, wir müssen uns fertig machen. Ich muss in den Kindergarten und ihr in die Arbeit." „Ach Mama, immer verwechselst du das." Lachend standen Liese und Lotte auf und liefen nach oben, um sich die Zähne zu putzen.

„Ich bewundere dich!" sagte Paddy. Überrascht sah Fee auf. „Mich? Warum?" „Weil du das wirklich toll machst. Du bist so eine liebevolle Mutter. Und du machst das alles alleine. Die zwei, das Haus, die Arbeit und was weiß ich, was noch alles." „Aber ..." „Nein, wirklich!" Paddy ging nach oben und ließ eine verwirrte Fee zurück. Er hatte jetzt doch lang genug alles mitbekommen, um zu wissen, dass sie alles andere als eine perfekte Mutter war. Er hatte sie die Kinder anschreien hören, er hatte gesehen, wie sie die beiden vor dem Fernseher geparkt hatte, um in Ruhe kochen zu können und wie oft pampte sie die beiden an und bereute es hinterher.

Fee schüttelte den Kopf und machte sich daran, in den Tag durchzustarten.


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