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Fee zögerte nachmittags in ihr Haus zurück zu gehen. Sie wollte Paddy nicht bei seinem Gespräch mit Pino stören, aber andererseits musste sie auch noch Wäsche machen, bevor sie die Mädchen abholte und sie hätte gerne ein paar Minuten einfach nur in Ruhe durchgeschnauft, denn es war in der Arbeit ziemlich stressig gewesen und ... Und sie musste sich nicht vor sich selbst rechtfertigen, wenn sie in ihr eigenes Haus wollte.

Fee betrat das Haus und hörte aus dem Wohnzimmer Stimmen. Sie ging in den Keller zur Wäsche und dann in die Küche. Sie hatte Kopfschmerzen und brauchte einen Kaffee. „Hi Fee," begrüßte Paddy sie. „Hallo Frau Lorenz." „Hallo Herr Brönner." Fee machte sich einen Kaffee und zögerte kurz. Dann ging sie herüber ins Wohnzimmer und fragte. „Möchte noch jemand einen Kaffee?" „Ja, sehr gerne," sagte Pino. Fee machte ihm einen Kaffee und legte ein paar Kekse auf einen Teller. „Danke, das ist sehr nett von Ihnen." „Könnt ihr dieses steife Sie nicht lassen? Pino – Fee. Fee – Pino. Fertig." Paddy hörte sich irgendwie genervt an. Fee nahm ihren Kaffee und zog sich zurück. Sie wollte die beiden ja nicht stören. Kurz darauf ging sie los, um Liese und Lotte vom Kindergarten abzuholen. Die beiden rannten gleich in den Garten und sprangen aufs Trampolin. „Fee?" „Ja?" Sie ging ins Wohnzimmer zu Paddy und Pino. „Ist es okay, wenn wir uns in den Garten setzen? Es ist so schönes Wetter." „Aber natürlich." Fee war überrascht, dass Paddy fragte. Er sollte doch inzwischen wissen, dass er sich wie zu Hause fühlen durfte.

„Hallo, wer bist du?" fragte Lotte neugierig. „Hallo, ich bin Pino und wer bist du?" „Ich bin Lotte und auf dem Trampolin ist Liese. Wir sind Zwillinge," setzte sie ganz wichtig hinterher und ging in die Küche hinein. „Mama, können wir was zu essen haben?" „Ich bringe euch gleich was raus, okay?" „Okay, aber auch was süßes!" Lotte lief zurück in den Garten.

„Die zwei sind ja niedlich," sagte Pino draußen zu Paddy und Fee lächelte vor sich hin. „Aber sie sind farbig und Fee ist so hell. Ist ihr Vater dunkelhäutig?" „Keine Ahnung, das ist doch auch egal." „Du wohnst jetzt so lange hier und weißt das nicht?" „Nein, es geht mich nichts an. Wenn Fee mir etwas über sich erzählen will, dann wird sie das tun, aber ich frage niemanden aus, im Gegensatz zu dir. Sei nett Pino. Fee hat so viel für mich getan." „Oh Paddy." Pino sagte das mit einem übertriebenen Seufzen. „Nein!" Paddys Nein hörte sich energisch an.

Fee hatte die Unterhaltung unbeabsichtigt durch die offene Terassentür gehört. Sie kannte diese Fragen, die Blicke. Ja, Liese und Lotte hatten eine dunklere Hautfarbe. Sie hatten dunkle Haare und dunkelbraune Augen. Und sie war ganz hell. Hellblonde Haare, graue Augen, blasse Haut und Sommersprossen.

„Mama, wann gibt es unser Essen?" Liese riss sie aus ihren Gedanken und Fee gab ihr zwei Schüsseln. „Die Äpfel aber auch essen, nicht nur die Kekse," setzte sie mahnend hinterher. Dann ging sie nach oben und zog sich um. Sie wollte ihr Kleid nicht im Garten schmutzig machen.

Fee setzte sich einen Strohhut auf und ging in den Garten. Aus ihrem kleinen Gartenhäuschen holte sie einen Korb und eine Schere und begann in dem Winkel des Gartens, der am weitesten von der Terrasse entfernt war, die verwelkten Rosenköpfe abzuschneiden. Pinos Worte, aber mehr noch Paddys Antwort, hatten sie irgendwie durcheinander gebracht. Fee wusste selber nicht, was seine Antwort, dass es ihm egal war, welche Hautfarbe Liese und Lotte hatten, in ihr ausgelöst hatten. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, wurde ihr klar, dass er es einfach so angenommen hatte, wie es war. Er hatte nicht einmal mit der Wimper gezuckt oder irgendwie reagiert, als er ihre Töchter kennengelernt hatte. Er hatte sie genau so akzeptiert, wie sie waren. Und er hatte in den ganzen Wochen keine einzige persönliche Frage gestellt. Er hatte nichts von sich erzählt und er hatte sie auch nichts gefragt. Fee versuchte sich auf ihre Rosen zu konzentrieren, aber sie war innerlich so aufgewühlt, dass es ihr schwer fiel.

Sie blickte zur Terrasse und selbst auf die Entfernung hin war zu erkennen, dass Paddy sich gerade nicht besonders wohl zu fühlen schien. Aber es stand ihr nicht zu, sich irgendwie einzumischen.

An diesem Abend wirkte Paddy ziemlich abwesend. Nachdem Fee die Kinder ins Bett gebracht hatte, setzte er sich zu ihr auf die Couch. „Fee, ich werde übermorgen fahren. Pino hat einige Termine für mich gemacht und ich werde anfangen die ausgefallenen Konzerte nachzuholen." Übermorgen? Fee sah ihn überrascht an. Sie bemühte sich um einen leichten Ton. „Du hast es ja eilig hier wegzukommen." „Nein, das habe ich gar nicht!" sagte er mit Nachdruck. Paddy sah Fee nur an und unter seinem Blick wurde ihr ganz komisch. Dann stand er abrupt auf. „Ich bin müde. Schlaf gut." Paddy ging nach oben und ließ Fee verwirrt zurück. Sie hatte das Gefühl, dass er etwas gesagt hatte und sie hatte es nicht mitbekommen. Am liebsten wäre sie nach oben gegangen und hätte ihn gefragt, - ja was, was sollte sie ihn fragen. Sie konnte ihn ja schlecht fragen, ob er an sie denken würde. Ob ihm seine Zeit hier gar nichts bedeutet hatte. Das war Unsinn. Paddy war nur so lange hier geblieben, weil er krank gewesen war. Es war für ihn angenehm gewesen, sich von Fee pflegen zu lassen. Aus welchem Grund auch immer er sich nicht von seiner Frau hatte pflegen lassen wollen, es war seine Privatsache. Fee seufzte. Nur weil er ihr nicht egal war, hieß es ja nicht, dass sie ihm etwas bedeutete. Warum sollte sie auch? Fee erschrak über sich selbst. In was steigerte sie sich denn gerade hier hinein? Paddy war ein Star, er hatte ein aufregendes Leben. Er war verheiratet. Natürlich hatte er sie vergessen, sobald sich die Haustür hinter ihm schloss. Höchste Zeit, dass auch sie selbst eine Distanz schuf.  Aber wie? Fee seufzte noch einmal tief. Ihr Kopf wollte ihr keine Ruhe lassen, egal wie sehr sie versuchte, sich selbst zur Vernunft zu rufen. 


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