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Als sich endlich die Tür öffnete und ein anderer Arzt eintrat, richtete Fee sich auf. „Dirk, wir haben die ersten Untersuchungsergebnisse, darf ich?" Der Arzt setzte sich neben Fee auf die Liege und nahm ihre Hand. „Ihre Tochter Liese hat eine Gehirnerschütterung und einige Prellungen. Ihre Tochter Lotte hat eine Kopfverletzung. Sie ist immer noch nicht bei Bewusstsein und das macht uns ehrlich gesagt Sorgen." „Oh mein Gott. Was heißt das? Hat sie Blutungen im Kopf oder ..." „Nein, laut MRT sind keine Blutungen aber eine Schwellung zu sehen. Wir haben die oberflächliche Platzwunde genäht. Wir werden in den nächsten 48 Stunden ein Kontroll-MRT machen um auszuschließen, dass sich Blutungen entwickeln und um die Schwellung zu beobachten. Ansonsten müssen wir erst einmal abwarten. Wir werden sie überwachen und wenn sich ihr Zustand verschlechtert oder gar nicht bessert, dann müssen wir über eine Verlegung nachdenken, oder ...." „Kann ich zu ihr?" „Sobald wir hier fertig sind, Frau Lorenz." „Aber mir fehlt doch nichts." „Doch, Sie haben eine Rippenprellung oder gebrochene Rippen, das müssen wir noch sehen. Eventuell auch ein Schleudertrauma und die Hüfte..." „Das ist doch egal, ich möchte zu meinen Töchtern, bitte...." „Wenn ich Sie zu ihnen bringe, versprechen Sie mir, dass sie sich danach etwas zur Beruhigung geben lassen, damit wir sie fertig versorgen können?" Fee nickte. Sie hätte alles versprochen, damit sie nur endlich zu Liese und Lotte konnte.

„Liese liegt auf der Kinderstation. Lotte auf der Intensivstation. Frau Neuner bringt sie zuerst zu Liese." Fee folgte der Krankenschwester durch schier endlose Gänge. Da lag Liese in einem Bett. Fee nahm kaum wahr, dass sich noch eine andere Mutter mit ihrem Kind in dem Raum befand. Sie strich Liese über den Kopf. „Mama!" Weinend warf sich Liese in ihre Arme. Fee hielt sie fest und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Mama, wo ist Lotte?" „Sie liegt in einem anderen Zimmer, ich gehe gleich zu ihr und sehe nach ihr." „Kann ich mitkommen?" „Nein, jetzt nicht. Du musst jetzt schlafen, es ist mitten in der Nacht." Fee flüsterte, aber die andere Mutter war sowieso schon aufgewacht. „Ich komme gleich wieder zu dir, ja? Ich sehe nach Lotte." „Bitte lass mich nicht alleine."

Es tat Fee so leid, Liese alleine zu lassen, aber sie musste wissen, wie es Lotte ging. Sie sollte sich die Hände desinfizieren und einen Schutzkittel anziehen, bevor sie zu Lotte durfte. Und da lag ihr kleines Mädchen im Bett. Sie war an einen Bildschirm angeschlossen, der leise piepste und sie sah so winzig aus. So hilflos. Der weiße Verband um ihren Kopf zeichnete sich harsch gegen ihre dunkle Haut ab. Fee setzte sich ans Bett und griff nach Lottes Hand, die schlapp auf der Bettdecke lag. „Mäuschen, du musst ganz tapfer sein. Du musst wieder gesund werden, ja? Wir brauchen dich doch!" Fee fing an zu beten, wie sie noch nie in ihrem Leben gebetet hatte.

„Frau Lorenz, bitte kommen Sie. Dr. Roebe möchte Sie noch fertig versorgen und Ihre Kleine braucht Ruhe um gesund zu werden. Dr. Roebe hat ein paar andere Patienten versorgt in der Zwischenzeit, aber er hat schon mehrfach nach Ihnen gefragt." Fee wollte Lotte nicht alleine lassen, es fühlte sich nicht richtig an. Sie gingen wieder nach unten. Fee wollte nichts zur Beruhigung haben, sie musste für ihre Töchter klar sein. Der Arzt tastete ihre Rippen ab und Fee stöhnte vor Schmerz. „Ja, die sind gebrochen," sagte er fast fröhlich. „Das tapen wir, aber es wird eine Weile ein bisschen weh tun." Als er fertig getapt hatte, sah er Fee ernst an. „Ich verstehe, dass das sehr schwierig für sie ist. Aber Sie brauchen jetzt Ihre Stärke und Kraft und Sie brauchen Schmerzmittel. Ich möchte Ihnen doch nur helfen, okay? Sie können auch gleich wieder zu Ihrer Tochter. Bitte versprechen Sie mir, dass Sie sich melden, wenn noch irgendwelche Beschwerden auftauchen. Manchmal merkt man das erst verspätet. Ich wünsche Ihnen und Ihren Töchtern alles Gute!" „Vielen Dank!" Fee stand auf und zog sich wieder an. Sie ging in den Flur, um wieder zu Liese oder Lotte zu gehen.

„Da hinten ist sie," hörte sie jemanden sagen. Pino? „Fee!" Paddy, das war Paddys Stimme. Fee drehte sich um. „Paddy!" Sie lief auf ihn zu und fiel ihm weinend um den Hals. „Fee, was ist passiert? Wie geht es Lotte? Und Ließe?" „Sind Sie Herr Lorenz?" Paddy sah den Arzt verständnislos an, aber Pino schaltete schnell. „Ja genau. Können Sie uns sagen, was passiert ist und ..." „Und wer sind Sie?" „Ich bin ein Freund der Familie." „Herr Lorenz, Frau Lorenz, kommen Sie doch noch einmal mit." Dr. Roebe erklärte Paddy, welche Verletzungen die drei bei dem Unfall erlitten hatten. „Aber wie konnte das passieren?" wandte sich Paddy an Fee. „Ich weiß es nicht, ich ..." „Laut dem Notarzt, der Lotte hierher begleitet hat, wurde von einer Brücke aus etwas auf das Auto Ihrer Frau geworfen. Zumindest hat das ein Ersthelfer gesagt. Die Polizei wird mit Sicherheit spätestens morgen kommen, um die Aussage Ihrer Frau aufzunehmen." Fee sah den Arzt ungläubig an. Jemand hatte etwas auf ihr Auto geworfen? „Entschuldigen Sie mich bitte." Der Arzt griff nach dem Piepser an seinem Gürtel und eilte davon.

Pino betrat den Raum und sah Paddy fragend an. „Was ist los? Ist es so schlimm?" Paddy wankte leicht und ließ sich auf einen Stuhl fallen. „Pino, das war Fees Auto. Der Unfallwagen, dass muss Fees Auto gewesen sein. Jemand hat etwas drauf geworfen und ... Oh my god. Fuck. Oh lord." Paddy stützte den Kopf in seine Hände. Er war kreidebleich im Gesicht. „Können wir bitte zu Lotte gehen?" fragte Fee leise. „Ja natürlich." Paddy stand auf und wehrte Pinos Hand ab. „Kannst du bitte hier warten? Ich weiß es ist mitten in der Nacht, aber ..." „Ja klar. Ich sitze irgendwo herum. Oh Mann. Paddy, mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich um alles. Ich cancel alles."

Fee führte Paddy zur Intensivstation. „Oh Kleines," sagte er erschrocken, als er Lotte sah. „Sie muss aufwachen! Sie muss! Paddy, ich ...." „Schhhhhhhh." Paddy zog Fee kurz an sich und setzte sich dann neben Lotte. Er nahm ihre Hand und bewegte lautlos seine Lippen. Nach einer Weile drehte er sich zu Fee um. „Fee, vielleicht solltest du zu Liese gehen und dich ein bisschen hinlegen. Ich bleibe bei Lotte." Sie zögerte, aber sie wusste, dass er Recht hatte. „Liese liegt auf der Kinderstation, ich weiß den Raum nicht." „Ich finde euch, ja? Ich passe auf Lotte auf." 

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