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Fee hatte in ihrem neuen Alltag schon fast vergessen, dass die Klärung wegen der Kündigung im Tagungshaus noch ausstand, als Andreas, ihr Anwalt anrief und ihr den Termin zur Verhandlung vor dem zuständigen Arbeitsgericht mitteilte. „Bei dem Termin solltest du persönlich erscheinen und wir müssen vorher genau durchgehen, was du sagst. Deine Chancen sind sehr gut, wir sollten sie also nutzen. Kannst du das organisieren?" „Ja, das werde ich schon organisiert bekommen." „Ich bin morgen mit Thomas zum Tennisspielen verabredet, ist es für dich in Ordnung, wenn ich ihm davon erzähle? Wenn nicht, dann musst du es nur sagen." „Nein, nein, gerne." Wie sie fast erwartet hatte, rief Thomas sie abends an. „Fee, du kannst mit Liese und Lotte sehr gerne bei uns übernachten. Katrin hat auch gleich gesagt, dass es doch am sinnvollsten wäre, wenn ihr in Tims Einliegerwohnung übernachtet, die ist ja eh leer. Und Katrin hat angeboten auf Liese und Lotte aufzupassen, während wir bei Gericht sind. Ich würde dich gerne begleiten, wenn das für dich in Ordnung ist." Fee zögerte, aber dann sagte sie zu. Es war die allereinfachste Lösung und sie mochte Katrin und sie wusste, dass Liese und Lotte bei ihr sehr gut aufgehoben waren. Einzig die Vorstellung ohne Tim in seiner Wohnung zu sein, war sehr seltsam und machte sie traurig.

Als Fee Paddy von dem Gerichtstermin erzählte, hörte er sich nicht so begeistert an. „Du kannst dir doch auch ein Hotel nehmen, Fee. Vielleicht nicht in Hamburg, sondern beim Gericht, dann musst du auch nicht so viel fahren." Aber Fee hatte sich entschieden und ließ sich von Paddy nicht davon abbringen.

Fee besuchte am darauffolgenden Wochenende ihre Freundin Juli mit den Kindern und freute sich sehr drauf, ihre Freundin wiederzusehen. Es waren zwei schöne Tage, die sie gemeinsam hatten. Aber Samstagabend stellte Juli eine Frage, die Fee eine ganze Weile beschäftigen würde: „Reicht dir das, was du mit Paddy hast, wirklich? Macht er dich so glücklich, dass du bereit bist, dass alles in Kauf zu nehmen? Du bist für alles verantwortlich und er kommt ab und zu mal vorbei, spielt Happy Family, lässt sich von dir verwöhnen und fährt dann wieder." Fee hatte Ja gesagt, aber diese Frage: Reicht dir das? setzte sich in ihrem Kopf fest. Draußen war so viel Dunkelheit und Fee hatte das Gefühl als würde es in ihr auch dunkler werden. Juli hatte ja recht, so hatte sie es sich nicht festgestellt. Naiv wie sie war, war sie trotz Paddys Worten irgendwie davon ausgegangen, dass er mehr zu Hause sein würde, dass er mehr Zeit für sie freischaufeln würde, dass es ihm wichtiger war, bei ihnen zu sein. In den nächsten Tagen grübelte Fee sehr viel und sie fühlte sich immer trauriger.

Fee besuchte Evi und Ian und genoss die positive Stimmung in ihrem Zuhause. Als sie mit Evi alleine in der Küche saß war, fragte sie sie. „Warum bist du immer gut gelaunt?" „Das bin ich doch gar nicht. Aber wenn ich schlecht gelaunt bin und alle anderen damit anstecke, dann wird es ja nicht besser, sondern nur schlimmer, weil die mich mit der schlechten Laune, die ich ihnen gegeben habe, noch mehr runterziehen, verstehst du was ich meine?" Fee sah Evi nachdenklich an. Sie wirkte immer so fröhlich und ausgeglichen und Fee hatte Evi noch nie gereizt oder gestresst erlebt. Vielleicht war es wirklich eine Frage der inneren Einstellung. Fee fühlte sich immer wohl, wenn sie Evi und Ian besuchte. Es war ein Haus, ein Zuhause, in dem man sich einfach wohl fühlte.

Fee fuhr abends nachdenklich nach Hause. Evi hatte Recht, es war ihre Schuld, wenn sie der schlechten Laune so sehr nachgab. Vielleicht waren Liese und Lotte auch deswegen besonders anstrengend, weil sie sie spiegelten? Fee meinte sich daran zu erinnern, dass sie das mal irgendwo gelesen hatte, dass Kinder die eigenen Eltern spiegelten. Sie hatte sich doch vorgenommen, sich nicht von Paddy abhängig zu machen, also war sie ganz alleine dafür verantwortlich, dass sie sich wieder besser fühlte. An diesem Abend machte Fee zum ersten Mal seit ewigen Zeiten wieder ein Workout. Nassgeschwitzt und erschöpft, aber irgendwie glücklich, ließ sie sich schließlich auf die Couch fallen. Sie musste mehr für sich selbst tun. Gut, sie konnte nicht so einfach außer Haus gehen, aber auch das musste sie ändern. Sie musste sich endlich eine verlässliche Kindersitterin suchen. Sie wollte sich bei den Müttern, mit denen sie sich angefreundet hatte, einmal nachfragen, ob eine jemanden kannte. Sie musste wieder anfangen zu leben. Fee freute sich sehr darauf, wenn Paddy Ende März endlich wiederkam. Ein bisschen mehr Zeit würde ihnen guttun und wenn nicht, dann musste dass so sein. Aber diese ewige Wartehaltung war einfach nicht gesund. Fee gestand sich ein, dass sie außer gärtnern und lesen keine wirklichen Hobbies hatte. Vielleicht wurde es Zeit, dass zu ändern. Sie überlegte was sie interessierte und es dauerte bis ihr etwas einfiel, was sie alleine tun konnte. Fee beschloss ein Instrument zu lernen. Sie war sich sicher, dass Paddy nichts dagegen hatte, wenn sie in sein Studio ging und seine Instrumente ausprobierte. Gleich am nächsten Tag wollte sie das umsetzen.

Fee ging mittags nach Hause und betrat zögernd das Studio. Es fühlte sich seltsam an hier zu sein. Testweise schlug sie ein paar Tasten am Klavier an. Sie zupfte an einer Gitarre, schlug auf eine Trommel und probierte noch ein paar andere Instrumente aus. Die Gitarre gefiel ihr am besten. Sie nahm die Gitarre mit ins Wohnzimmer, da sie sich dort wohler fühlte. Das Studio gehörte Paddy und sie fühlte sich einfach wie ein Eindringling. Fee suchte ein YouTube Tutorial und versuchte umzusetzen, was ihr dort gezeigt wurde. Ihre Finger waren noch ziemlich ungelenk, aber es fühlte sich gut an, ein Instrument in der Hand zu haben. Sie nahm sich fest vor, sich jeden Tag Zeit für die Gitarre zu nehmen. Fee räumte die Gitarre wieder an ihren Ort. Sie freute sich sehr auf den nächsten Tag. Sie würden ein Konzert von Paddy in München besuchen. Es war für sie immer etwas Besonderes, wenn sie auf eines seiner Konzerte ging. Auch Liese und Lotte freuten sich schon sehr darauf. Da das Konzert unter der Woche war, würden sie wahrscheinlich nicht das ganze Konzert bleiben, aber Hauptsache, sie waren überhaupt da. Und sie vermisste Paddy sehr.  Sie hatte in den letzten Tagen so viel gegrübelt, so viel in Frage gestellt,dass sie ihn unbedingt sehen wollte. Mit ihm zu telefonieren hatte sie nurtrauriger gemacht.

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