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Marktplatz, Mondhügel, Pinia Königreich

Izukus PoV:

Vorsichtig nahm ich den schillernden Anhänger in die Hand und strich mit den Fingerspitzen leicht über seine Oberfläche.
„Das ist eine Drachenschuppe", erklärte die Händlerin.
Überrascht sah ich sie an. Sie hatte mich wohl ganz aufmerksam beobachtet.
„Eine Drachenschuppe? Aber es gibt keine Drachen...", hakte ich nach.
„Früher gab es sie einmal. Das ist allerdings schon viele Jahre her. Drachenschuppen überdauern die Zeit, wenn sie entfernt wurden, bevor der Drache gestorben ist", erläuterte sie.
Neugierig, aber auch skeptisch betrachtete ich den Anhänger von allen Seiten. Ob dies wirklich eine echte Drachenschuppe war konnte ich nicht sagen. Aber sie gefiel mir.
„Wie viel verlangt Ihr dafür?", fragte ich.
„Zwei Silberlinge."
Ich schnappte nach Luft. Das war teuer!
Langsam schüttelte ich den Kopf und legte sie vorsichtig wieder zurück auf den Tisch. „Tut mir Leid, so viel habe ich nicht...", meinte ich leise und lächelte entschuldigend. „Einen schönen Tag noch..."
„Warte, mein Junge. Wie viel würdest du denn dafür zahlen wollen?", fragte sie mich.
Ich überlegte kurz, zog dann den Beutel mit meinem Geld hervor und zählte die Münzen, die mir geblieben waren. Natürlich musste ich noch die Kräuter für meinen Tee bezahlen, sodass ich die paar Groschen direkt wieder abzog. Übrig blieben dann noch 20 Groschen, die ich allerdings nicht alle ausgeben wollte, obwohl meine Mutter sicher nichts dagegen haben würde.
„Ich habe noch 20 Groschen... Aber das wird bestimmt nicht reichen...", erwiderte ich traurig.
Die Händlerin schüttelte den Kopf. „Nein, das reicht leider nicht, mein Junge. Für weniger als einen Silberling verkaufe ich die Schuppe nicht. Es ist schließlich eine echte."
Ich nickte verstehend. Gerne hätte ich die Schuppe gekauft, aber sie war einfach zu teuer.
Vielleicht sollte ich mit den verbliebenen Groschen meiner Mutter eine Freude machen und ihr einen großen Strauß Blumen kaufen.
Ich verabschiedete mich von der alten Frau und bemerkte jetzt erst, dass ein hochgewachsener, junger Mann mit rubinroten Augen und blondem Haar hinter mir stand.
Ich schreckte zusammen, da ich ihn überhaupt nicht bemerkt hatte, obwohl er sehr dicht bei mir stand. Ich schlug die Augen nieder um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen.
„Entschuldigung...", meinte ich leise und drückte mich an ihm vorbei. Bis ich in der Menge verschwunden war spürte ich seinen Blick auf mir. Eine Gänsehaut nach der anderen lief mir den Rücken hinab.
Irgendwie war er mir nicht ganz geheuer.

.~*~.

Nach einigen Minuten des Suchens fand ich diejenige, die ich gesucht hatte: Tsuyu.
Tsuyu hatte dunkelgrüne, lange Haare und war das Blumenmädchen der Stadt. Sie hatte immer die schönsten Blumen und die beste Auswahl. Dazu noch ein sonniges, freundliches Gemüt. Ihr Kleid passte meiner Meinung perfekt zu einem Blumenmädchen. Das Oberteil war cremefarben und hatte Puffärmel. Der Rock war rot-weiß-gestreift und reichte ihr bis kurz über die Knöchel. An den Rocksaum war grobe Spitze genäht, sodass es Ähnlichkeit mit einer Blüte hatte. Über dem Kleid trug sie immer eine grüne Schürze mit roten Blumenstickereien. In ihren Haaren hatte sie stets eine Blume gesteckt, passend zu der Jahreszeit. Grüne Stiefelchen und Strümpfe komplettierten ihr Auftreten. Um die Taille hatte sie einen schmalen Ledergürtel geschlungen, woran ein Beutel befestigt war. Ich wusste aus Erfahrung, dass sie dort ihr Geld aufbewahrte.
Ich fand sie neben dem Stand, den ich als nächstes besuchen wollte, nämlich den von Ochako, einem braunhaarigen Mädchen.
Ochako war die Kräuterkundige von Mondhügel. Sie kannte sich sehr gut mit Kräutern und Tränken aus. Von ihr bezog ich auch die Kräutermischung für unseren Tee.
Sie machte sich gern einen Spaß daraus und gaukelte vor allem Fremden vor, sie wäre eine Hexe. Sie trug mit Vorliebe braune Kleider, deren Röcke ihr nur bis kurz unter die Knie reichten und ausgefranste Säume hatten. Um die Schultern trug sie stets einen kurzen Umhang mit einer Kappe aus weichem Leder. Dunkle lange Strümpfe bedeckten die Haut zwischen Rock und Stiefel, die ihr bis zur Mitte der Waden reichten. Um den Eindruck einer Hexe zu verstärken, schleppte sie oft einen knorrigen Stock mit.

Ich winkte den beiden Mädchen zu und drückte mich durch die Menge zu ihnen.
„Warum war mir klar, dass ich dich wieder hier finden werde, Tsu?", fragte ich Tsuyu neckend.
Sie grinste frech. „Ich weiß nicht? Vielleicht, weil du mich einfach zu lange schon kennst, Izu-chan?"
Ich lachte, umarmte sie und wurde sogleich auch von Ochako in die Arme geschlossen.
Die beiden Mädchen waren beide Beta und seit einigen Jahren bereits ein Paar, außerdem meine besten Freundinnen hier in der Stadt. Sie waren die einzigen, die wussten, dass ich ein Omega war.

„Wie geht's deiner Mutter?", fragte Ochako und kramte in einer Ecke ihres Handkarrens herum, zog dann einen Beutel hervor und drückte ihn mir in die Hand. „Hier, für ihren Tee", zwinkerte sie mir zu. Natürlich war ihr klar, dass meine Mutter den Tee nur noch selten trank und die Kräuter für mich bestimmt war.
Ich lächelte sie dankbar an und drückte ihr einige Groschen in die Hand. „Danke. Meiner Mutter geht es gut! Ab heute Abend haben wir wieder geöffnet."
„Hat sie sich denn mal überlegt, sich nicht wieder einen Alpha anzulachen? Dann hättest du auch etwas mehr Freizeit", grinste das braunhaarige Mädchen.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht. Sie bleibt meinem Vater treu, auch wenn der schon seit zwölf Jahren tot ist. Und ich helfe ihr schließlich gern in der Taverne. Es ist ja nicht so, als hätte ich etwas anderes zu tun...", lächelte ich und sah Tsuyu an. „Tsu, hast du vielleicht ein paar schöne Blumen für meine Mutter? Ich möchte ihr gern eine kleine Freude machen...", fragte ich sie.
„Lass mich mal schauen. Ich habe bestimmt etwas, das ihr gefallen wird...", erwiderte sie und stöberte durch die vielen Blumen in den Eimern.
Nach wenigen Minuten hatte sie einen riesigen, wunderschönen Strauß zusammengebunden, den sie mir in die Hand drückte.
„Hier, bitte. Mit den besten Grüßen von mir", lächelte sie.
Ich strahlte sie an, gab ihr die restlichen Groschen, die ich noch hatte und verabschiedete mich von den beiden.
Voll bepackt machte ich mich auf den Weg zurück zur Taverne.

Tbc...

Nicht gesucht und doch gefundenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt