55.

1K 95 20
                                    

Voller Faszination drehte Lu den Wohnungsschlüssel in seiner Hand hin und her. Es fehlte nur noch, dass er «Mein Schatz!» währenddessen rief um die Transformation zum Gollum komplett umzusetzen.

«Ich hab glaub ich noch nie jemanden gesehen, der dermassen fasziniert von einem Schlüssel ist», lachte ich.

Meine Finger trommelten gegen das Lenkrad des Bauernferraris. Die Strassen waren praktisch wie ausgestorben. Das hatte den Vorteil, dass ich mich dadurch weniger aufregte, wenn wir uns verfuhren. 

Es war mittlerweile Ende Juli geworden. Vor rund zwei Monaten hatten wir die Schule abgeschlossen. Mit Prüfungen, Abschlussreise, Maturaball und allem drum herum.

Ich war nach wie vor positiv überrascht, dass meine Beziehung zu Lu in der Schule einfach so akzeptiert wurde und niemand ein böses Wort verlor. Na ja, zugegeben. Wir waren einfach Hand in Hand rumgelaufen und hatten uns hie und da geküsst. Wir hatten kein Megafon in die Hand genommen und es an die grosse Glocke gehängt. Vermutlich hatten es die meisten nicht mal mitbekommen.

Mein richtiges Outing in der Schule hatte ich mehr oder weniger bei der Präsentation meiner Maturaarbeit, als ich erklären musste, warum ich das Thema Homosexualität im Profisport gewählt hatte.

Seitdem Schulende hatte ich mich von Lu durch diverse Festivals sowie einen Backpacking Trip quer durch Slowenien, Kroatien und Bosnien zerren lassen. Neben Blasen an den Füssen und einem grausamen Sonnenbrand im Nacken hatte ich den ein oder anderen wunderschönen Flecken Erde entdeckt. Irgendwann wollte ich einige davon unbedingt nochmals besuchen – ohne einen fünfzig Liter Rucksack auf dem Buckel.

Die letzten paar Wochen hatten wir uns besonders damit auseinander gesetzt Wohnungen anzuschauen. Wir hatten uns in eine kleine dreieinhalb Zimmerwohnung verliebt, welche etwas ausserhalb unseres Studienortes war.

Der Schlüssel in Lus Hand, welcher er so fasziniert begutachtete, war nämlich genau das: Der Schlüssel zu unserer ersten gemeinsamen Wohnung.

Natürlich konnte man behaupten, dass wir die letzten Monate bereits zusammengewohnt hatten. Doch ein Zusammenwohnen mit dem Mutterschiff war ein komplett anderes Gefühl als nur zu zweit in einer Wohnung zu wohnen.

Heute war Schlüsselübergabe gewesen. Wir hatten uns vorgenommen, dass wir uns heute einen Plan schaffen wollten, wie wir das Ding einrichten möchten, ehe wir uns von Möbelgeschäft zu Möbelgeschäft quälen würden.

«Muss ich jetzt die nächste links oder erst eine später?», fragte ich Lu. Dieser starrte noch immer auf den Wohnungsschlüssel, ehe er ertappt hochschreckte. «Hmm

«Ich glaub ich hab's gefunden», lachte ich. Ich bog in die entsprechende Strasse ein und suchte nach einem freien Parkplatz, welcher nicht allzu weit vom Wohnblock entfernt war. Ich parkte den Subaru meines Freundes in einem der freien Felder.

«Wir können übrigens aussteigen», grinste ich zu Lu. Dieser blickte etwas irritiert zu mir hinüber. «Wir sind schon da?»

Ich nickte, ehe ich mich kurz hinüberlehnte um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. Klangvoll liess ich die Tür des Wagens ins Schloss fallen. Einen Moment wartete ich darauf, dass mein Freund seinen Hintern ebenfalls aus dem Auto bewegte.

Als er ausgestiegen war, schloss ich den Wagen und hielt ihm wartend meine Hand hin. Ich grinste, als Lu unsere Finger ineinander verschloss. «Auf, auf», grinste Lu und zog mich beinahe rennend hinter sich her, «Wir haben eine Wohnung zu planen.»

Unser neues Zuhause war eine schnuckelige Altbauwohnung, welche vor nicht allzu langer Zeit renoviert worden war. Sie befand sich im ersten Stockwerk. Die Tatsache, dass das Gebäude keinen Lift hatte, konnte beim Einzug vielleicht etwas kritisch werden. Aber immerhin mussten wir die Möbel nicht bis in den obersten Stock schleppen.

we are satellitesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt