42.

768 85 27
                                    

Mein Kopf sank gegen das Lenkrad meiner Rostlaube, als ich diese endlich parkiert hatte. Es war mir ein Rätsel, wie ich es geschafft hatte keinen Unfall auf meiner Fahrt zu bauen. Nicht nur, weil mein emotionaler Haushalt am Arsch war, sondern auch weil es gegen Ende der Fahrt wieder angefangen hatte zu schneien.

Ich lehnte mein Kinn auf das Lenkrad und sah den Schneeflocken dabei zu, wie sie leise gegen die Windschutzscheibe meines Volvos rieselten. Mein Blick wanderte zum Wohnhaus, vor dem ich den Wagen geparkt hatte. Im zweiten Stock brannte nicht nur das Licht der Weihnachtsbeleuchtung, die im Fenster sowie dem danebenliegenden Balkon hing, sondern auch das Licht im Wohnzimmer selbst.

Obwohl ich noch immer meine Winterjacke trug, fror ich ein klein wenig. Vielleicht war ich das erste Mal auf die Moderne von Lus Subaru und dessen Sitzheizung neidisch. Ich hatte noch immer keine CDs für das Handschuhfach der Rostlaube organisiert, sodass die Musikwahl sich mehr oder weniger auf den Radio beschränkte. Jedoch war mein Interesse an Weihnachtsmusik und Geplapper irgendwelcher aufgedrehten Radiomoderatoren gleich null.

Leise seufzend liess ich meine Stirn gegen das Lenkrad fallen. Die Stille und Kälte im Wagen waren alles andere als angenehm. Ich streckte meinen Arm aus und versuchte blind nach dem richtigen Reisverschluss meiner Tasche zu greifen. Als ich diesen gefunden hatte, öffnete ich die entsprechende Tasche und zog mein Handy hervor.

Über die Fahrt hinüber hatte Quirin mehrfach versucht mich anzurufen. Ich schob die verpassten Anrufe beiseite und suchte stattdessen in der Musik App nach Lus Profil und dessen öffentlichen Playlisten. Beim Anblick einer Playlist namens «a. 🥺💜🖤» huschte ein kurzes Lächeln über mein versteinertes Gesicht.

Play drückend legte ich mein Handy auf das Armaturenbrett der Rostlaune. Der Musik lauschend schloss ich die Augen. Immerhin sorgten die familiären Klänge des Musikgeschmacks meines Freundes für ein klein wenig Wärme in meinem Inneren.

Und dennoch war manchmal der Musikgeschmack von Lu eine kleine Wundertüte. Ich war mir einen Mix aus Melodic Punk Rock und Post-Hardcore gesprenkelt mit hie und da ein klein wenig Hip Hop gewöhnt. Umso mehr überraschte es mich gerade der sanften Stimme einer Singer Songwriterin zuzuhören.

Die feine Stimme und die simplen Instrumente liessen mir einen feinen Schauder über den Rücken laufen. Ich achtete auf den Text so gut ich nur konnte. Durch mein achtsames Lauschen versuchte ich ausfindig zu machen, wieso dieser Song genau in dieser Playlist meines Freundes gelandet war.

Doch ich kam nicht weit dem Text meine volle Beachtung zu schenken. Ein eingehender Anruf unterbrach die Musik. Ohne meinen Kopf vom Lenkrad zu nehmen, griff ich nach dem vibrierenden Handy auf dem Armaturenbrett.

Es war Quirin. Wie bereits die anderen zehn Anrufe auf meiner Fahrt hier hin ignorierte ich auch diesen. Ich drückte ihn nicht weg. Stattdessen sah ich dabei zu, wie der Anruf verstrich und Quirin automatisch an meine Mailbox weitergeleitet wurde.

Doch kaum hatte die Musik wieder angefangen zu spielen, wurde diese bereits durch einen weiteren eingehenden Anruf unterbrochen. Ich war bereit Quirin dieses Mal wirklich wegzudrücken. Doch anstelle von Quirins Kontaktbild tauchte das von Lu auf meinem Handydisplay auf.

Ich holte tief Luft ehe ich ranging.

«Warum steht deine Schrottkiste vor unserem Haus?», fragte Lu noch bevor ich überhaupt irgendetwas in einer Form von «Hallo» oder ähnlichem sagen konnte.

«Weil ich darin sitze», antwortete ich trocken. Vorsichtig hob ich meinen Kopf und legte mein Kinn auf das Lenkrad der Rostlaube. Nur zögerlich liess ich meinen Blick nach oben zum Wohnzimmerfenster der Wohnung wandern.

we are satellitesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt