«Andrin», grinste Beaulieu als ich die Kabine betrat, «Was eine erfreuliche Überraschung. Mit dir hätte ich hier heute ja gar nicht gelächelt.»
Der Kanadier stand mehr oder weniger in derselben Ecke der Kabine, in den ich ihn jedes Mal antraf, wenn ich ins Training oder zu den Spielen kam. Seine Tasche hatte er auf der Bank abgestellt. Beaulieu hatte gerade seine Getränkeflasche hervorgezogen und einen Schluck daraus genommen, als ich hineinkam.
Manchmal gruselte es mich, dass der Kanadier immer vor allen anderen bereits hier war. Wohnte er etwa in dieser Kabine, sodass er es schaffte immer der erste vor Ort zu sein?
Während ich meinen Platz ansteuerte, hob ich schmunzelnd die Arme. «Eventuell musste ich Kucera ziemlich überzeugen, dass er mich wegen Mariä Empfängnis morgen heute und Freitag aufs Eis lassen soll.»
Beaulieu nickte. «Dann machst du Freitag die Brücke?»
Ich schüttelte den Kopf, während ich dabei war meine Tasche auf die Bank zu legen. «Ich gehe noch zur Schule», erinnerte ich den Kanadier, «Hast du schon einmal eine Schule gesehen, welche den Freitag frei gibt, wenn ein Feiertag auf einen Donnerstag fällt? Die Weihnachtsferien beginnen schliesslich nie vor dem 23. Dezember – selbst, wenn das ein Montag ist.»
Der Kanadier sah mich doof grinsend an. «Dann freue ich mich doch schon einmal darauf, was mir eines Tages blühen wird, wenn meine Tochter eingeschult wird.»
«Du hast Kinder?», rutschte es mir etwas dümmlicher raus, als dass es meine Intention gewesen war.
Beaulieu nickte. «Die kleine Cindybel ist gerade vier geworden und geht nächstes Jahr dann in den Kindergarten.»
Schwach lächelte ich. Ich würde die Kreativität des Kanadiers was Namen für Kinder anging nicht in Frage stellen. Vermutlich gab es da draussen eh genug Leute, die die Namenswahl für meine Geschwister und mich belächelten.
«Übrigens noch Gratulation zum Ausgang des Charity Matches», grinste Beaulieu in meine Richtung. Ich hatte gerade meine Tasche abgestellt, ehe ich mich irritiert zum Kanadier umdrehte. «Du warst da?»
Der Kanadier nickte. «Natürlich!», strahlte er beinahe über beide Ohren, «So etwas lasse ich mir doch nicht entgehen.»
«Richtig», nickte ich, «Du meintest ja, dass du und Jim befreundet seid.»
«Nicht nur deswegen», antwortete Beaulieu, was mich dazu brachte ihn noch verwirrter als davor zu mustern. «Das Thema was LGBT Youth Zentren angeht ist etwas, was mir selbst sehr am Herzen liegt.»
Kaum hatten die Worte den Mund des Kanadiers verlassen spürte ich, wie mein eigenes Gesicht entgleiste. Das hatte er nicht gerade gesagt, oder?
Ich hatte keine Ahnung wie ich ihn anstarren musste. Doch das nächste was ich wusste, war das Beaulieu aus der Brusttasche seiner Jacke eine Schachtel Zigaretten hervorzog. «Wir alle haben unsere Laster», sagte Beaulieu als er zu mir hinüberkam, «Lass uns nach draussen gehen.»
Als nächstes hatte mir Beaulieu eine Hand zwischen die Schultern gelegt und schob mich in die Richtung einer Tür, welche sich zwischen Kuceras Büro und der Kabine befand und mir bislang nicht grossartig aufgefallen war. Diese erklärte, wieso der Kanadier stets vor allen da war oder unbemerkt plötzlich auftauchte.
Wir setzten uns auf eine Bank, welche beim Hintereingang stand. Beaulieu steckte sich eine Zigarette in den Mund und hielt mir die Schachtel hin. Normalerweise war ich jemand, der nur beim Weggehen rauchte oder wenn er super gestresst war. Ich rauchte auch nie eine Zigarette allein, sondern teilte mir diese stets mit Coralie oder Lu. Doch egal was der Kanadier mir gleich erzählen würde (oder was ich sagen würde), eine Zigarette schien gerade das zu sein, was mich und meine aufgekratzten Nerven runterholen könnte.
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we are satellites
Ficção AdolescenteAndrin wäre gerne ein Komet. Dabei lässt er sich eher mit einem Satelliten vergleichen, der in seiner Umlaufbahn festzustecken scheint. Obwohl er sich diese Saison einen Platz als Stammspieler im Zweitligateam seiner Eishockeymannschaft ergattert h...