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Vorsichtig strich ich Lu die Haare aus dem Gesicht. Doch dieser hatte die Augen geschlossen und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Schulter.

«Kann es sein das er das Mal wieder absichtlich macht um Franca aus dem Weg zu gehen?», Anabela hatte die Ellbogen auf dem Tresen der Küchentheke abgestellt und ihren Kopf in den Händen abgestützt. Mit den Lippen zu einem dünnen Strich verzogen blickte sie wartend in die Richtung ihres Ziehsohns.

«Mae, bitte», seufzte Lu. Er hob seinen Kopf von meiner Schulter, ehe er die Arme vor der Brust verschränkte und mit genauso einer zu einem sauren Stein verzogenen Mine hinüber zu Anabela, «Woher soll er wissen, dass Mamma auf der Arbeit ist?»

Anabela bliess die Backen auf, ehe sie lautstark die Luft rausliess. «Okay, Punkt für dich Luciano», seufzte die Portugiesin, «Hat er vor zum Essen zu kommen?»

Lu schüttelte den Kopf, «Erst gegen zwei. Wir können also wie geplant ausgiebig Frühstücken und müssen nicht extra was umplanen.»

«Im besten Falle treffen Giovanni und Franca also zeitgleich ein», seufzte Anabela während sie sich in den Nasenrücken kniff, «Bringt er seine Familie mit?»

«Das hat er nicht erwähnt», antwortete Luciano, ehe er sich wieder gegen mich fallen liess. Etwas unbeholfen legte ich ihm meine Arme um die Hüfte.

Nun war Lu derjenige, der seine Backen lautstark aufblies. «Und Mae?», fragte er in die Richtung seiner Ziehmutter, «Kannst du bitte aufhören so zu tun, als wäre mein Vater das schlimmste vom schlimmsten?»

«Es tut mir leid, Luciano. Aber es ist mir nur etwas suspekt, dass er dich nach der Scheidung praktisch zehn Jahre links liegen lässt und die Tochter seiner neuen Partnerin wie sein leibliches Kind behandelt...», Anabela hatte etwas genervt die Arme in die Luft, ehe sie diese theatralisch sinken liess, «Und lass mich bitte nicht damit anfangen, dass er dir zu deinem achtzehnten Geburtstag letztes Jahr einen Neuwagen geschenkt hat.»

«Können wir nicht einfach dankbar sein, dass weder du noch Mamma mir deswegen ein Auto schenken musstet?», brummte Lu, welcher mittlerweile wieder die Arme vor der Brust verschränkt hatte.

Es war mir nicht wohl, gerade im Wortgefecht zwischen meinem Freund und der Partnerin seiner leiblichen Mutter gefangen zu sein. Ich fühlte mich wie jemand, welcher per Zufall hier hineingeplatzt war und nun nicht mehr herauskam. Am liebsten würde ich mich in Luft auflösen und für immer verschwinden.

«Warum aber ein Neuwagen?», fragend stemmte Anabela die Arme in die Hüfte «Du hättest dir ja auch ohne Problem unser Auto leihen können, wenn es nötig gewesen wäre. Ich hab das Gefühl, dass du mit einem eigenen Auto viel zu häufig unnötig durch die Gegend fährst und...»

Doch weiter kam Anabela nicht. Lu winkte ab und kletterte aus meinen Armen. «Ich geh duschen», brummte der Tessiner und verschwand damit aus dem Raum.

Anabela und ich blickten ihm einen kurzen Moment hinter her, ehe sie sich zu mir umdrehte. «Hast du das Gefühl, dass ich überreagiert hab, Andrin?»

«Ähm...», machte ich. Gab es darauf überhaupt eine richtige oder falsche Antwort? War ich überhaupt in der Lage derjenige zu sein, der hierüber urteilen konnte? Ich erinnerte mich daran wie meine Eltern reagiert hatten, als Quirin sich von seinem Ersparten die Schrottkarre gekauft hatte.

«Schon gut», winkte Anabela ab, «Ich brauche keine Antwort von dir diesbezüglich. Rhetorische Frage.»

Nickend griff ich nach der Kaffeetasse. «Brauchst du Hilfe?», fragte ich sie beim Aufstehen. Ich brachte die leere Tasse in die Küche. Doch Anabela schüttelte nur den Kopf. «Ich hab mehr oder weniger alles schon erledigt, während ihr noch geschlafen habt.»

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