Als ich meine Augen wieder öffnete, befand ich mich im Krankenhaus. Schwach drang die Stimme eines Arztes zu mir hindurch. Schlüsselbeinbruch lautete meine Diagnose.
Ich hatte noch einmal Glück gehabt, dass keine Operation notwendig war. Es hiess, dass man den Bruch anhand eines speziellen Verbandes sowie verschreibungspflichtigen Schmerzmitteln behandeln konnte. Der Verband würde gemäss Anweisungen des Arztes den Bruch etwa sechs Wochen stabilisieren und ruhigstellen. Allerdings würde es aber alles in allem ganze drei Monate dauern, bis die Verletzung vollständig ausgeheilt war.
Damit war die Saison für mich nun definitiv vorbei. Das vierte Jahr in Folge hatte ich es also hingekriegt mir eine weitere Verletzung zuzuziehen, die dermassen gravierend war, dass ich gezwungen war die Saison vorzeitig abzubrechen.
In den Winkeln meiner festzusammengekniffenen Augen bildeten sich Tränen. Ich zwang mich dazu nicht loszuheulen. Zumindest nicht hier. Nicht vor irgendwelchen Ärzten.
Ich würde einige Tage stationär im Krankenhaus bleiben. Im Moment hatte ich ein Zimmer für mich alleine. Aber ich ging stark davon aus, dass es nicht lange dauern würde, bis ich einen anderen Patienten aufs Zimmer bekommen würde. Schliesslich hatten wir Winter und Skiunfälle warteten nur darauf, dass sie passierten.
Als mich die Realisation endlich vollständig traf, fühlte es sich so an, wie wenn jemand mir die Faust geradewegs in den Bauch rammen würde, während zeitgleich der Boden unter meinen Füssen weggerissen wurde.
Ich würde diese Saison nicht mehr auf dem Eis stehen. Ich würde nicht dabei sein und meinen Teil daran leisten, dass die Mannschaft in die erste Liga aufsteigen würde.
Stattdessen würde ich einfach nur mit meinem Bruch herumliegen und vor mich hinvegetieren. Dazu kam noch, dass ich aufgrund meiner Krankschreibung Stoff im Unterricht verpassen würde.
Jetzt in der Sekunde fühlte es sich so an, als ob ich vor einem grossen Scherbenhaufen, welcher einst mein Leben war, stünde. Meine Eltern hielten meine Homosexualität für eine Phase. Einer meiner Teamkollegen hatte mein Outing als Gelegenheit für Belästigungen gesehen – und jetzt wurde mir auch noch der Sport genommen.
Leise kullerte eine Träne über meine Wange.
Als ich das nächste Mal aufwachte, hörte ich leise Stimmen im Krankenhauszimmer. War es schon so schnell gegangen, dass ich einen Mitbewohner bekam?
Vorsichtig öffnete ich ein Auge und schielte hinüber zum Krankenhausbett, welches näher zur Tür stand. Doch dieses war noch immer leer. Ich schloss mein Auge wieder und öffnete stattdessen das andere.
Das Bett, in dem ich lag, stand direkt neben dem Fenster. Und aus der Richtung des Fensters kamen auch die leisen Stimmen: Coralie und Lu sassen auf dem Fenstersims. Meine beste Freundin hatte ihren Kopf gegen Lus Schulter gelehnt, während dieser einen Arm um das rothaarige Mädchen gelegt hatte.
Ich spürte eine sanfte Eifersucht in meiner Brust aufkommen. Doch diese hielt nicht lange an. Spätestens als sich Lus und meine Blicke trafen und auf dem Gesicht meines Freundes sich ein sanftes Lächeln ausbreitete, verpuffte das eklige Gefühl.
«Jetzt geh schon und küss deinen Freund», stupste Coralie den Tessiner mit dem Ellbogen an. Dieser rollte etwas peinlich berührt mit den Augen, ehe er vom Fenstersims rutschte und zum Bett hinüberkam.
«Hi», hauchte Lu. Vorsichtig beugte er sich zu mir hinunter. Ich wollte den Weg verkürzen, doch schmerzhaft vorzog ich das Gesicht. Die Bewegung war alles andere als gut für meine Verletzung gewesen. Natürlich hatte Lu meine Reaktion mitgekommen. Also drückte er mir nur einen kurzen Kuss auf die Stirn, ehe er sich zurück zu Coralie auf das Fenstersims gesellte.
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we are satellites
Fiksi RemajaAndrin wäre gerne ein Komet. Dabei lässt er sich eher mit einem Satelliten vergleichen, der in seiner Umlaufbahn festzustecken scheint. Obwohl er sich diese Saison einen Platz als Stammspieler im Zweitligateam seiner Eishockeymannschaft ergattert h...