«Andrin!», kam Ladina quiekend auf mich zu gerannt als ich mit meinem Velo auf den Hof fuhr. Kaum hatte ich meinen ersten Schultag des letzten Schuljahres überstanden, schon wurde ich zuhause von meinen jüngeren Geschwistern überfallen.
Alles andere als elegant sprang ich von meinem Drahtesel und lehnte dieses an den Zaun. Ladina schlang ihre Arme um mich, ehe sie aufgeregt zu mir hochsah. «Willst du wissen, in welchen Klassen wir sind?», sah mich Ladina mit ihren grossen braunen Kulleraugen an.
Ich liess meinen Blick über den Hof schweifen. Die Tatsache, dass Gian genervt mit verschränkten Armen vor dem Haus hockte, liess mich darauf schliessen, dass die Klassenaufteilung nicht für jeden so gutgelaufen war.
«Wir wurden alle in eine eigene Klasse gesteckt», begann Ladina.
«Damit wir unsere eigene Persönlichkeit entwickeln können», kreuzte nun irgendwo Ursina auf. Ladina löste sich von mir und stellte sich neben ihre Schwester. Manchmal war es gruselig, wie die beiden es schafften zeitgleich wie ein Ei dem anderen zu gleichen und dennoch so verschieden zu sein.
«Papa hatte schon ein wütendes Gespräch mit dem Schuldirektor geführt», begann Ursina zu erzählen als wir zu dritt zum Hofhaus liefen, «Er findet die Idee nämlich alles andere als gut, dass wir nicht in derselben Klasse sind.»
«Aber Herr Kälin ist der Meinung, dass das zu viel Aufwand ist», erklärte Ladina. Meine kleine Schwester kraulte dem Berner Sennenhund den wir passierten den Kopf.
Ursina blieb ebenfalls stehen um Jabba mit Streicheleinheiten zu verwöhnen, «Er meint nämlich, dass es nicht möglich sei zwei Schüler aus einer Klasse zu nehmen und in eine andere zu verfrachten. Es würde so nämlich eine Imbalance in den anderen Klassen geben», Ursina setzte das vom Schuldirektor verwendete Fachwort in Anführungszeichen.
«Oh», fiel mir als einziger Kommentar ein. Da zwischen mir und Quirin zwei Jahre lagen, hatte ich kein Plan, ob das eine Standardreaktion unseres alten Herren war. Wiederum fiel mir ein, dass er anfangs auch nicht glücklich damit war, dass man Quirin in die Sportklassen der Orientierungsschule steckte, obwohl er alles andere als sportlich aktiv war. Bei mir wiederum war es vollkommen okay, dass ich in eine Sportklasse kam. Schliesslich war ich ja auch der einzige deiner fünf Kinder, welcher unbedingt auf eine potentielle Sportkarriere setzen wollte.
Wir hatten das Hofhaus erreicht. Freundlich lächelte ich in Gians Richtung. Doch der drehte bockig in Kopf weg. «Kommst du auch mit rein?», fragte ich meinen kleinen Bruder. Erst zuckte er mit den Schultern, ehe er sich doch erhob und mit uns das Haus betrat.
«Pssst», machte Ursina und zog am Saum meines T-Shirts. Wir blieben bei der Eingangstüre stehen, während die anderen beiden in die Küche gingen.
«Was gibt's Sina?», fragte ich das Nesthäkchen der Drillinge. Sie winkte mich auf ihre Grösse hinunter, damit sie in mein Ohr flüstern konnte: «Gian ist vor allem traurig, weil er in den Hauptfächern im Gegensatz zu uns Niveau Zwei besuchen muss.»
Daher wehte der Wind also. Ich konnte mir vorstellen, dass es für Gian nicht leicht sein musste das einzige Camenzind Kind zu sein, welches kein Niveau Eins Schüler war. Zum einen stand er so oder so schon allzu genüge im Schatten seiner beiden älteren Brüder – da brauchte er nicht noch das. Es ist ein gefundenes Fressen für dumme Sprüche unseres Vaters.
In der Küche halfen Ladina und Gian bereits beim Decken des Tisches. Meine Mutter stand am Herd und war bereits dabei das Abendessen vorzubereiten. «Kein Training?», fragte sie in meine Richtung.
Etwas irritiert runzelte ich die Stirn. «Erst Morgen?», ich hatte keine Ahnung warum meine Antwort mehr wie eine Frage aus meinem Mund gerutscht kam als, dass ich es geplant hatte.
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we are satellites
Teen FictionAndrin wäre gerne ein Komet. Dabei lässt er sich eher mit einem Satelliten vergleichen, der in seiner Umlaufbahn festzustecken scheint. Obwohl er sich diese Saison einen Platz als Stammspieler im Zweitligateam seiner Eishockeymannschaft ergattert h...