Um ehrlich zu sein: Ich hatte schrecklich geschlafen.
Grund dafür war nicht in etwa, dass Lu einfach zu viel Platz benötigte um zu schlafen und mein Bett dafür einfach viel zu klein war. Viel mehr konnte ich mich nicht richtig entspannen. Ich befand mich mehr oder weniger in einer konstanten Angst, dass die Tür meines Schlafzimmers doch nicht abgeschlossen war und im schlimmsten Fall mein Vater hineinplatzen würde und uns dicht aneinander gekuschelt vorfand. Meine Angst spann sich dermassen weiter, dass die Armeewaffe meines Vaters, welche sich irgendwo noch zuhause befand, hervorgeholt wurde und wir damit verjagt wurden.
Es war mir bewusst, dass dies alles nur wirre Ängste waren. Aber in dem Moment fühlten sie sich in dieser Nacht extrem normal an.
Gegen halb sechs war ich schlussendlich aufgestanden. Ich hatte Lu weiterschlafen lassen. So leise wie es nur möglich war, hatte ich mich angezogen und war nach draussen gegangen um meinen Ämtchen auf dem Hof nachgegangen.
Nachdem ich die Tiere gefüttert und Jabba auf einen morgendlichen Spaziergang ausgeführt hatte, schleppte ich meinen müden Körper gegen halb acht zurück ins Haus. Als ich meine Schuhe zurück an ihren Platz stellte, fiel mein Blick auf Lus Converse. Ich flehte innerlich, dass diese auf dem Haufen der anderen Schuhe niemandem aufgefallen waren.
«Guten Morgen», begrüsste mich meine Mutter freundlich, als ich die Küche betrat. Sie hatte ihre Haare zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, während sie eine Fleecejacke aus dem letzten Jahrhundert trug. Ohne mich grossartig zu beachten war sie dabei Kisten für den Wochenmarkt mit Produkten zum Verkauf vorzubereiten.
«Morgen», nuschelte ich, während ich mich an ihr vorbei zur Kaffeemaschine quetschte. Ich holte meine Toy Story Tasse aus dem Regal und füllte diese mit der dunklen Flüssigkeit.
«Wir brechen gleich zum Wochenmarkt auf», informierte mich meine Mutter, «Kannst du schauen, dass die Drillinge bitte nicht bis elf Uhr schlafen?»
«Kann ich machen», antwortete ich auf der Suche nach dem Zucker.
«Ich bin gegen halb zwölf wieder da, damit wir Mittagessen können», sagte sie und wuschelte mir durch die Haare, «Du solltest langsam einen Termin beim Coiffeur abmachen, Andrin.»
«Ja, Mama», murmelte ich. So gut es ging liess ich es mir nicht anmerken das ich genervt davon war. Endlich hatte ich den Zucker gefunden. Anstelle des Teelöffels entschied ich mich einen ganzen Esslöffel Zucker in meinen Kaffee zu kippen.
«Bis zum Mittagessen», verabschiedete sich meine Mutter von mir. Am Kaffee nippend winkte ich ihr zu. Sobald ich mir sicher war das sie weg war, schnappte ich mir meine Kaffeetasse und schlich mich zurück nach oben in mein Zimmer.
Zu meinem Erstaunen sass Lu bereits im Schneidersitz auf dem Bett. Seine hellen Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab, während er die Lektüre für unseren Italo Aufsatz aus seinem Rucksack hervorgekramt hatte und diesen las. Als ich die Zimmertür ins Schloss fallen liess, blickte der Tessiner zu mir hoch. «Du warst plötzlich weg», schmollte Lu.
Ich machte etwas Platz auf meinem Nachttischchen, damit ich meine Kaffeetasse dort abstellen konnte. Gähnend liess ich mich aufs Bett fallen. «Ich konnte nicht schlafen und da ich eh noch meine Ämtchen zu erledigen hatte, bin ich aufgestanden», erklärte ich Lu. Ich entschied mich dazu, mich hinzulegen und Lus Schoss war dafür das perfekte Kissen. «Und ich wollte dich dabei nicht wecken.»
«Aber eine Nachricht hättest du mir wenigstens hinterlassen können», schmollte Lu. Er legte seine Hand auf meinen Bauch, was ich als Einladung sah unsere Finger miteinander zu verschränken.
«Bist du jetzt deswegen irgendwie angepisst?», hakte ich zögerlich nach. Doch zu meiner Erleichterung schüttelte Lu den Kopf. «Nur traurig, dass du plötzlich nicht mehr zum Kuscheln da warst.»

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we are satellites
Fiksi RemajaAndrin wäre gerne ein Komet. Dabei lässt er sich eher mit einem Satelliten vergleichen, der in seiner Umlaufbahn festzustecken scheint. Obwohl er sich diese Saison einen Platz als Stammspieler im Zweitligateam seiner Eishockeymannschaft ergattert h...