Vermutlich hätte ich auf Quirin hören sollen und ihn direkt am Gleis treffen sollen. Doch ich war so unglaublich stur gewesen und wollte meinen Bruder unbedingt bei der Niki de Saint Phalle Figur in der grossen Halle des Zürcher Bahnhofes treffen. Schliesslich war ich erwachsen und würde meinen Weg dahin problemlos finden.
Nur – mein Vergangenheits-Ich ist davon ausgegangen, dass ich irgendwie auf Gleis 3 enden würde und damit direkt auf derselben Höhe war wie de Saint Phalles Schutzengel-Nana. Doch mein Zug hielt auf Gleis 34; einem der Gleise, welches sich unterirdisch befand. Und ich war zu dumm um herauszufinden, wie ich nach oben kam.
Ich war jetzt bestimmt schon zehn Minuten lang auf einer der unterirdischen Plattformen hin und her gelaufen um eine Rolltreppe oder einen Fahrstuhl zu finden, welcher mich in die grosse Halle bringen würde. Natürlich hätte ich irgendjemanden fragen können wie ich nach oben gelangen würde. Aber dafür hatte ich zu viel Stolz. Lieber würde ich also mit meinem überdimensional riesigen Rucksack weiter verloren durch die Gänge irren.
Ob ich wohl über ein bestimmtes Gleis nach oben gelangen würde so wie sie es in Harry Potter taten um Gleis 9¾ zu betreten? Na ja, wie heisst es so schön? Wer nicht wagt der nicht gewinnt.
Also ich versuchte diesen Weg. Ich steuerte die Treppe zu einem der Gleise an, die sich überirdisch befanden. Als ich die ersten Sonnenstrahlen auf meiner Haut wahrnahm, seitdem ich vor rund zwei Stunden in den Zug gestiegen war, hatte ich endlich das Ende des Tunnels erreicht.
Leise stiess ich einen Freudenschrei aus. Die Gruppe Wanderer, welche per Zufall neben mir standen, drehten ihre Köpfe irritiert in meine Richtung. Ich schenkte ihnen ein nervöses Lächeln ehe ich mich schnell in die Richtung der grossen bunten Statue aufmachte.
Quirin wartete bereits am vereinbarten Ort auf mich. Er trug eine Sonnenbrille, selbst im inneren der Halle, und daddelte Kaugummikauend auf seinem Handy herum während in seinen Ohren kabellose Kopfhörer steckten. Seine Haare schien er seitdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte kurzgeschoren zu haben.
Mein Bruder bemerkte mich gar nicht als ich vor ihm stand. Weder als ich winkte, noch als ich ihn direkt ansprach. Erst, als ich ihm gegen das Schienbein trat, zuckte Quirin zusammen.
«Madonna», fluchend zog er sich die Kopfhörer aus den Ohren, «Du hättest mich nicht mehr erschrecken können.»
«Wie wär's erstmal mit Hallo kleiner Bruder, wie war deine Reise?», boxte ich ihn in die Schulter. Quirin schob sein Handy in die Hosentasche und streckte die Arme aus um mich zu umarmen.
«Du bist ja ganz schön gewachsen, kleines Brüderchen», zwinkerte mir Quirin zu, worauf ich mit den Augen rollte. «Das sind Sätze die du zu Gian sagen kannst», seufzte ich und meinte damit unseren dreizehnjährigen Bruder, «Apropos Gian, der ist übrigens immer noch beleidigt, dass du ihn nicht eingeladen hast.»
Quirin zuckte mit den Schultern «Ich weiss nicht was er erwartet», gestand mein älterer, während er mich zu den Trams schob, «Ich wohn in einer WG mit 'nem anderen Studenten zusammen. Wo soll ich da Platz haben für einen dreizehnjährigen?»
«Aber für mich schon?», fragte ich Quirin mit hochgezogener Augenbraue.
Mit einer Kinnbewegung zeigte er auf die Tram, die wir zunehmen hatten, ehe er auf meine Frage antwortete: «Du bist immerhin volljährig. Bei dir muss ich mich nicht fürchten, dass ich dich negativ beeinflusse, wenn irgendwo Alkohol rumsteht oder so was in der Art.»
Besagte Tram hielt vor uns und wir stiegen ein. «Zwölf Stationen», informierte Quirin mich während er sich auf einen der freien Sitzplätze fallen liess. Etwas ungeschickt schlüpfte ich aus meinem Rucksack und nahm ihn auf den Schoss, damit ich mich neben meinen Bruder setzen konnte. I
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we are satellites
Teen FictionAndrin wäre gerne ein Komet. Dabei lässt er sich eher mit einem Satelliten vergleichen, der in seiner Umlaufbahn festzustecken scheint. Obwohl er sich diese Saison einen Platz als Stammspieler im Zweitligateam seiner Eishockeymannschaft ergattert h...