we are satellites

25.

Da ich in der Ablage der Tür, oder wie man auch immer das nennen wollte, keine Parkscheibe für die blaue Zone fand, lehnte ich mich hinüber zum Beifahrersitz und begann das Handschuhfach nach dieser zu durchsuchen. Aber auch hier hatte Quirin keine Parkscheibe hineingelegt.

Mir in den Nasenrücken kneifend fummelte ich mein Handy aus der Hosentasche der Jogginghose und verfasste die vermutlich peinlichste Nachricht an meinen Freund:

andrin camenzind, 16:48: hast du eine zweite parkscheibe die ich mir leihen kann? die rostlaube hat keine und ich möchte nur ungern, dass sie abgeschleppt wird.

Ich stützte meine Ellbogen gegen das Lenkrad des Volovs. Diesen hatte ich in der blauen Zone vor dem Wohnblock in dem Lu wohnte geparkt. Mein Blick war gegen die Tür gerichtet in der Hoffnung, dass Lu gleich mit der Parkscheibe auftauchen würde.

Es war Freitag geworden. Ich hatte auf meiner Fahrt hierhin einen kurzen Zwischenstopp im Supermarkt eingelegt und hatte viel zu lange an der Kasse angestanden um zwei Tüten Chips und eine zwei Liter Flasche Cola Zero zu kaufen. Den Aufsatz für Italienisch hatten wir gestern via Videochat fertiggestellt, sodass die zweite Woche der Herbstferien nun voll und ganz den ersten Vorbereitungen für die Maturaarbeit gelten konnte. Meinen Eltern hatte ich erzählt, dass ich mich mit Lu treffen würde um damit anzufangen. Sie ahnten wohl nicht, dass wir vermutlich tausend andere Dinge machen würden – nur nicht an der Maturaarbeit arbeiten.

Meine Mutter wollte natürlich wissen bevor ich losgefahren war, was Coralie davon hielt, dass ich so viel Zeit mit Lu und nicht ihr verbrachte. Sie, sowie mein Vater, waren immer noch absolut felsenfest davon überzeugt, dass meine beste Freundin meine feste Freundin war und ich all meine freie Zeit mit ihr verbringen sollte...

Als es am Fenster der Fahrertür klopfte, zuckte ich zusammen. Lu, erneut mit Brille auf der Nase, stand davor und winkte mir mit der Parkscheibe in der Hand zu.

«Jesus hast du mich erschreckt», begrüsste ich ihn nachdem ich die Wagentür geöffnet hatte, «Ich hab dich gar nicht kommen sehen.»

«Bin ja auch aus der Garage und nicht der Haustür gekommen», versuchte sich Lu zu verteidigen, während er mir die Parkscheibe reichte, «Vergiss bitte einfach nicht mir das Ding morgen oder so zurückzugeben, weil sonst stehe ich das nächste Mal mit dem Subaru in der Scheisse.»

Leise lachend stellte ich die Uhrzeit auf der Parkscheibe ein und schmiss sie gut sichtbar hinter die Windschutzscheibe. Als ich ausstieg und zum Kofferraum gehen wollte, stellte ich fest, dass Lu bereits meine Tasche sowie die Einkäufe geholt hatte.

«Glaubst du wirklich, eine einzige zwei Liter Flasche Cola reicht für heute Abend?», fragte Lu grinsend als er die Einkäufe im Jutebeutel begutachtete.

Ich zuckte mit den Schultern, während ich neben dem Tessiner zum Haus lief. «Ich hätte auch eine Flasche teuren Rotwein kaufen können. Aber wir wissen beide ganz genau, dass weder du noch ich grossartige Weintrinker sind.»

«Da hast du recht», stimmte Lu mir zu. Ich nahm ihm meine Tasche ab, damit er mit dem Hausschlüssel die Tür öffnen konnte. Stillschweigend, dafür einander mit dem grössten Grinsen im Gesicht anschauend, fuhren wir mit dem Fahrstuhl in den zweiten Stock des Wohnblocks.

Gentleman-like öffnete Lu mir die Tür und liess mich in die Wohnung. «Das Mutterschiff weiss das du hierschläfst», informierte mich Lu während ich aus meinen Schuhen sowie der Jacke schlüpfte, «Die beiden fahren übrigens mehr oder weniger direkt nach der Arbeit zu ihrem Date, sodass wir sie erst morgen zu Gesicht bekommen werden.»

«Okay», sagte ich etwas unsicher. Doch da war Lu. Er griff nach meiner Hand und zerrte mich etwas aufgeregt in sein Zimmer, «Damit ich meine Tasche abstellen konnte», wie Lu mich informierte und so gleich als das Ding den Boden berührte auch schon wieder ins Wohnzimmer zog.