3.

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Etwas verwirrt blickte ich zwischen meinem Kaffee, der Flagge und Sascha hin und her. «Wie du wusstest es?», fragte ich irritiert, «Hat Quirin getratscht?»

Sascha schüttelte den Kopf. «Das sind Dinge über die dein Bruder nicht gerne spricht», erklärte er während er genüsslich an seinem eigenen Kaffee nippte, «Weder über die anderer noch über seine eigenen.»

Stumm nickte ich. «Das passt zu ihm, ja», murmelte ich vor mich her, «Aber das erklärt trotzdem noch nicht, wieso du es wusstest?»

Mein Gegenüber zuckte mit den Schultern. «Ich hab zwei Augen im Kopf», sagte er unbeeindruckt. Mit der einen Hand hielt er weiterhin seine Tasse, während er die Fingernägel seiner anderen Hand begutachtete. Er würdigte mich keines Blickes, als er weitersprach: «Nicht das du jetzt denkst, dass über deinem Kopf ein grosses imaginäres Schild mit Ich bin Schwul schwebt, dass für jeden offensichtlich ist. Du strahlst viel mehr diese Energie aus, die jemand von sich gibt, der noch auf sein Outing wartet und jemanden vor sich hat der ziemlich offen mit seiner Sexualität umgeht und keine Ahnung hat wie er ihn darauf ansprechen soll.»

Beindruckt verzog ich das Gesicht. Der Kandidat hat hundert Punkte. Sascha hatte den Nagel da wohl ziemlich auf den Kopf getroffen.

«Darf ich dich was fragen?», hörte ich wie die Worte unkontrolliert aus meinem Mund kamen, «Wer ist eigentlich M. Paul auf dem Klingelschild? Ihr habt ja nur zwei Zimmer und...»

«...Magdalena?», unterbrach Sascha mein Gebrabbel, «Die Freundin deines Bruders?»

Ich runzelte die Stirn. Quirin hatte eine Freundin? «Vermutlich hast du meinen Bruder vorhin ziemlich gut beschrieben», seufzte ich und rieb mir dabei die Augen, «Denn von einer Freundin wusste ich bis jetzt gerade eben nichts.»

«Ups», machte Sascha und kratzte sich verlegen am Nacken, «Jetzt hab dann wohl ich getratscht. Obwohl – vermutlich wirst du Magda eh nicht allzu spät kennen lernen.»

Erneut erwischte ich mich dabei, wie ich zu nicken begann. Ich merkte, dass ich keinen sonderlich grossen Hunger mehr hatte und das schien auch Sascha aufgefallen zu sein. «Hast du eigentlich Badezeugs dabei?», wollte der Mitbewohner meines Bruders von mir wissen, «Wir könnten sonst an den See oder an die Limmat.»

«Um ehrlich zu sein», gestand ich, «Hatte ich nicht wirklich damit gerechnet die Tage zum Schwimmen zu kommen, sodass ich nichts dabei hab.»

Instinktiv flehte ich schon darum, dass er mir nicht anbot eine seiner Badehosen auszuleihen oder das ich doch einfach die meines Bruders mir ungefragt borgen sollte. Doch zum Glück schien Sascha nicht so zu sein. Er zuckte nur mit den Schultern und stellte seine Tasse auf dem Tisch ab. «Aber für einen Spaziergang dahin wärst du sicherlich zu haben oder?», ich hatte das Gefühl, dass mich die Blicke von Sascha förmlich durchbohrten, «Wir können auch über alles reden.»


Und so kam es, dass wir gegen Mittag auf einer Picknickdecke am See sassen. Vor uns lagen Take Away Kartons eines angesagten vegetarischen Restaurants mit viel zu überteuerten Preisen. Sascha hatte mich eingeladen. Ich lernte, dass Sascha einen Masterstudiengang in Angewandte Linguistik besuchte und insgesamt sieben Sprachen fliessend sprach. Sascha wollte dafür von mir wissen welche Sprachen ich alle sprach, was meine Lieblingsfächer in der Schule waren und welche Ambitionen ich für die Zukunft hatte.

«Was war dein Gay Awakening?», fragte Sascha während er am Strohhalm seines Bubble Teas knabberte.

«Mein was?», wiederholte ich während ich mich beinahe an meinem Ananascurry verschluckte.

Sascha legte den Kopf schief und musterte mich mit durchbohrenden Blicken. Etwas verunsichert blickte ich an mir herunter. Hatte ich etwa gekleckert? Doch weder auf meinem blau-weiss gestreiften Tank Top, noch auf meiner grauen kurzen Stoffhose fand ich Flecken von meinem Essen.

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