10.

1K 103 34
                                    

Mit nervösem Kribbeln in der Magengrube stand ich vor der Eishalle. Es war jetzt vielleicht fast vier oder fünf Monate her, dass ich zuletzt auf dem Eis stand. Und ich konnte es kaum erwarten es endlich wieder zu betreten.

Aufgeregt zog ich meine Tasche hinter mir her als ich die Halle betrat. Der familiäre Geruch hing in der Luft. Ich hatte bislang nicht gewusst wie sehr ich das alles vermisst hatte.

«Andrin Camenzind?», rief eine stimme mit dickem tschechischem Akzent in meine Richtung als ich mir meinen Weg zu der Umkleide bahnte.

Ich drehte mich in die Richtung der Stimme hin. Ein älterer Herr in seinen Fünfzigern mit grauen Haaren und einem Vollbart lächelte mich freundlich an. Es war Kucera, der Trainer.

Mit etwas unsicheren Schritten ging ich zum Trainer hinüber. Ich hielt ihm die Hand zur Begrüssung hin. «Es ist mir eine Ehre», hörte ich mich hastig vor lauter Nervosität haspeln.

Okay. Das war jetzt die Wirklichkeit. Ich war Teil des Teams. Teil des Teams, dass ich meine Kindheit über angefeuert hatte. Trainiert von einem Trainer, welcher Trotz des Abstiegs durch einen Konkurs von der NLB in die dritte Liga nicht aufgegeben hatte. Ich war also nun Teil einer Mannschaft, die innert einer Saison den Aufstieg in die zweite Liga geschafft hatte.

Und wer weiss, vielleicht war ich der Spieler, der die Mannschaft erfolgreich an die Tabellenspitze schiessen würde, sodass wir nächste Saison schon gleich wieder dasselbe Spiel mit der ersten Liga durchziehen konnten.

Vielleicht sollte ich nicht zu früh anfangen zu träumen. Wer weiss, was meine Spinnereien für negative Folgen haben könnten...

«Komm mit», mit diesen Worten holte mich der Trainer aus meinen Tagträumen. Unauffällig schüttelte ich mich, ehe ich ihm unbeholfen folgte. Ich hatte keine Ahnung, wann ich zuletzt solche derart weichen Knie hatte. Weder an meinem ersten Schultag, noch in dem Sommer, als ich bei McDonald's gejobbt hatte, oder bei meiner ersten Fahrstunde wollte ich mich derart in Luft auflösen wie jetzt.

Aber mit genau diesen weichen Knien stolperte ich nun mehr oder weniger in einen Raum, in dem die restliche Mannschaft bereits sass. Es wirkte auf mich ein wenig so, als würden sie praktisch nur darauf warten, dass Kucera ihnen das Frischfleisch der Saison vorstellen würde...

«Alles bitte zuhören», zog Kucera mit seinem dicken Akzent die Aufmerksamkeit auf sich, «Darf ich vorstellen: Unser neustes Mitglied, Andrin.»

Peinlich berührt winkte ich in den Raum. Der Anblick all dieser Männer erschlug mich beinahe. Denn einige der hier anwesenden Spieler, wie zum Beispiel der Kanadier Jackson Beaulieu oder der Russe Nikita Sorokin, waren bereits Teil des Teams, als ich noch ein Kind war. Ich würde nun Seite an Seite mit Menschen spielen, die ich als kleiner Knirps bewundert hatte. Holy Shit!

Ich traute mich kaum in die Menge zuschauen. Zwar sahen alle äusserst freundlich aus. Aber dennoch war ich verdammt nochmal eingeschüchtert. Es war nicht hilfreich, dass Alain Wyss mir vielsagend zuzwinkerte. Ich hatte ja schon ganz vergessen, dass der Kautz auch hiervon Teil war...

Kucera war gerade dabei eine Ansprache an die Mannschaft zu halten. Ich versuchte mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Mit aller Aufmerksamkeit, die ich aufbringen konnte versuchte ich dem Trainer zuzuhören. Doch immer wieder schweifte ich ab. Ich wischte den Schweiss, der sich langsam an meinen Handflächen bildete an meinen Jeans ab. Am liebsten möchte ich mich übergeben.

Wie konnte das jetzt bitte meine Realität sein? Ich, ein kleines Würmchen, dass bis vergangenen Frühling noch für die Juniorenmannschaft gespielt hatte und sich für unbedeutend gehalten hatte.

we are satellitesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt