Kapitel 40 - Trümmerhaufen

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Kapitel 40:                                Trümmerhaufen

Mum schloss die Tür hinter sich so sachte, sodass diese beinahe lautlos ins Schloss fiel, während sie Luft holte und mit leisem Gemurmel versuchte, sich zu beruhigen. Ich konnte nicht verstehen, was sie vor sich hin redete. Wenige Sekunden später, in denen sie mir den Rücken zugedreht hatte und immer noch auf sich einredete, drehte sie sich um. Sie baute sich erneut vor mir auf und blickte mich mit Enttäuschung in den Augen geschrieben an. Leider war sie da nicht die erste heute.
Obwohl die Gäste der Geburtstagsfeier draußen vor der Küchentür gemeinsam lachten und beisammen waren, traute sich meine Mutter, mich anzuschreien. Daher folgerte ich, dass ich etwas sehr schlimmes gemacht hatte, denn normalerweise hätte sie mit der Standpauke gewartet, wenigstens, bis wir wieder in London waren und niemand etwas von dem angespannten Verhältnis zwischen uns gemerkt hätte.

„Was hast du dir nur dabei gedacht?“, fuhr sie mich erneut fassungslos an, doch diesmal war ihre Stimme nicht so tobend. Sie hob ihre Hände an und lachte bitter.
„Die Unterhaltung wäre um einiges interessanter, wenn du mir verraten würdest, was ich denn überhaupt gemacht habe?“
Verachtend stieß sie einen genervten Laut aus und wandte ihren Kopf von mir ab, ehe sie mich nur wenige Augenblicke später wieder lodernd anblickte.
„Denkst du denn, du wärst irgendetwas Besonderes für diesen Louis? Nur billige Mädchen, die keine Zukunft haben, lassen sich auf eine 'Beziehung' zu einem Rockstar ein und selbst wenn du denkst, es ist dir egal, sage ich dir, dass es mir nicht egal ist. Hast du eine Ahnung, wie das deinen Vater und seine Firma dastehen lässt, wenn du mit diesem Möchtegernsänger gesehen wirst und womöglich als gebrochenes Häufchen Elend endest?“
Ich konnte dem Drang nicht wiederstehen, ihr zu sagen, dass er „Louis“ hieß, als sie das ‚s‘ an seinem Namensende aussprach. Ich hörte ich aufmerksam zu, ließ sie reden und nahm ihre Worte zu Kenntnis.
„Es ist keine passende Gelegenheit für Spielchen, Eleanor“, wetterte sie weiter. „Es ist mir egal, wie er heißt, denn ich werde es nicht mehr wissen müssen. Du wirst ihn nicht mehr lange sehen.“

Der Raum war von Stille erfüllt. Noch nicht mal das einfache Fallen einer Stecknadel oder das zarte Hauchen eines Windstoßes hätte man in diesem Augenblick wahrgenommen. Ich war fixiert auf ihre Augen, in denen sich Entschlossenheit spiegelte. Unerlässlich starrte sie mich an, abwartend, dass ich dazu Stellung nahm oder fürchterlich zu weinen begann. Doch das passierte nicht, denn nach Sekunden der Stille, wurde der Raum von einem leisen Schmunzeln meinerseits erfüllt.
Das leise Schmunzeln anfänglich breitete sich aus in Gelächter. Ich lachte fröhlich vor mich hin, auch wenn ich den ernsten und genervten Blick meiner Mutter direkt auf mich gerichtet spüren konnte. Ich wusste, dass sie ihre Aussage todernst gemeint hatte und jedes Wort ihren Vorstellungen entsprach, doch ich weigerte mich, sie ernst zu nehmen. Vielleicht war das mein eigener Schutzmechanismus, sie nicht anzufahren und sie zu fragen, was sie sich denn dabei dachte, zu glauben, dass sie immer noch über mich entscheiden könnte, als wäre ich sieben Jahre alt.

Nachdem ich mich lange genug an ihrem verständnislosen Blick erfreut hatte, stoppte ich mit dem Gelächter und kam allmählich zur Ruhe.
„Sorry Mum, aber ich bin längst aus dem Alter herausgewachsen, in dem du mir noch sagen konntest, was ich tun und was ich gefälligst lassen soll. Außerdem hast du keine Ahnung von der Beziehung zwischen ihm und mir, denn wenn du eine hättest, dann wärst du nicht mal in denen kühnsten Träumen auf einen Gedanken, der deinen Worten auch nur im geringsten ähnelt, gekommen“, erklärte ich ihr ganz ruhig und langsam, damit sie nicht dachte, ich würde sie allen Ernstes zu einem Streit auf der Geburtstagsfeier meiner Großmutter provozieren.

Mum fuhr sich ordentlich über ihr Etuikleid und streich die wenigen und kaum auffallenden Falten des feinen, blauen Stoffes glatt.
„Oh nun ja, das wusste ich nicht.“
Sie stoppte. Ich bemerkte die Ironie in ihren Worten auf der Stelle.
„Es ist mein Ernst, Eleanor. Du wirst am Ende dieser kleinen Liebelei mit Tränen in den Augen angelaufen kommen und mir sagen, dass du dich getäuscht und ich Recht hatte. Es wird langsam Zeit, dass du dich wenigstens ein bisschen nach dem entwickelst, was dein Vater und ich gerne von dir hätten und nur zu deiner Information, Groupie irgendeiner dahergelaufenen Boyband zu sein, gehört nicht dazu. Du wirst später einen angesehenen Mann heiraten, der dir etwas bieten kann und gutes Geld verdient und das nicht auf die Weise, wie er es tut.“

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