Eleanors Shoes - Epilog

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Epilog - Eleanors Shoes

Der Herbst war schon lange in England angebrochen. Man bemerkte es daran, dass sich die Blätter von grün zu rot, gelb und orange gefärbt hatten und allmählich, ganz langsam abgefallen waren, sodass man am Ende, wenn man die nackten Baumäste betrachtete, das Gefühl hatte, die Blätter wären über Nacht verschwunden. Noch nicht alle, aber bereits ein großer Teil waren jetzt schon vom Wind von den Bäumen getragen worden.

Der Winter rückte verdächtig nahe und wurde an allen Ecken und Enden angeläutet. Daher war es mir auch nur minimal peinlich, im Oktober meine Lederjacke anzuhaben und dazu einen dicken Schal, der nicht nur meinen Hals sondern auch meinen Oberkörper verdeckte. Normalerweise war das ein Schal, den ich nur trug, wenn es stark geschneit hatte, aber heute war mir irgendwie kalt. Außerdem musste ich gestehen, hatte der graue, buschige Schal ziemlich gut zu dem groben Material der Lederjacke gepasst. Ich hatte meine Hände in den Seitentaschen vergraben und meinen Blick auf meine Füße gesenkt, sodass ich all die Dinge, die sich neben mir nicht mitbekam. Lange hatte ich hin und her überlegt, was genau ich heute anziehen wollte, hatte mir sogar von Alana ein dunkelrotes Kleid ausgeliehen, das kurz über meinem Knie endete und es mindestens eine Stunde lang vor dem Spiegel begutachtet. Aber irgendwann - nachdem ich mich zig mal hin und her gedreht hatte und mich aus jedem Winkel betrachtet hatte - war ich dann zu dem Entschluss gekommen, dass es wohl einfach besser war, etwas zu tragen, was ich auch ansonsten an jedem Tag gern anhatte. Ich wollte nicht zu herausgeputzt wirken, wenn ich nicht wusste, wie das Niveau eigentlich sein sollte und dann kam mir einfach der Gedanke, etwas anzuziehen, in dem ich mich wohl fühlte.

Ich wusste, dass ich spät dran war. Das lag aber ausnahmsweise nicht an mir, sondern an Mum. Mum und Dad hatten vor ein paar Stunden einfach ohne mich irgendwie vorzuwarnen an meiner Haustür geklingelt und standen völlig unangekündigt vor meinem Haus. Ich war ziemlich überrumpelt gewesen und hatte sie etwas unwohl hereingebeten. Mum hatte die ganze Zeit über nett gelächelt, woran ich ihre Unsicherheit bemerkte. Mum war nur selten sehr ruhig. Entweder, wenn sie etwas extrem traurig machte und sie sich über etwas den Kopf zerbrach oder wenn sie ein schlechtes Gewissen hatte. Und ich glaubte, ich wusste, was hier der Fall war.

Dad hatte sie in mein Wohnzimmer geschoben, wo ich rasch ein paar Bücher aufräumte und zusammenstapelte, da ich wenig Lust auf eine weitere Lektion von ihr hatte. Ich hatte Mum nicht mehr gesehen seit der Sache in Holmes Chapel. Weder ich, noch sie hatten versucht, Kontakt aufzubauen, auch wenn es bei uns beiden wahrscheinlich aus unterschiedlichen Gründen gewesen ist. Ich wollte nicht anrennen und ihr das Gefühl geben, ich wäre falsch gelegen oder würde meine ehrlichen Aussagen bereuen, denn das tat ich nicht. Das tat ich ganz und gar nicht.

Aber Mum war entweder zu stolz gewesen, um über ihren Schatten zu springen und in Betracht zu ziehen, dass ich gar nicht so falsch lag mit meinen Bekundungen oder sie hatte es wirklich nicht eingesehen. Ich wusste nicht, was es gewesen war, jedenfalls hatte sie sich aufgerappelt und war bei mir zuhause aufgetaucht, um sich zu entschuldigen. Sie hatte mir erklärt, dass sie das nie so gesehen hatte wie ich und dass sie die ganze Zeit über nur das Beste für mich wollte und mein ganz eigenes, persönliches Ziel dabei aus den Augen verloren hatte. Irgendwie hatten sich unsere Ziele für mich mit der Zeit von einander entfernt und sie war so verbissen und stur gewesen, dass sie ihren Plan für mich durchziehen wollte.
Sie hat mir aber auch gesagt, dass sie nun mal hohe Erwartungen an mich hatte, weil sie der Meinung war, dass ich sie erfüllen konnte und dass man mich vielleicht manchmal zu meinem eignen Glück zwingen musste.

Wir hatten lange geredet, während Dad sich komplett zurückgehalten hatte, aber am Ende lagen wir alle in einanders Arme und haben gemeinsam gelacht. Einfach weil wir wieder eine Familie waren und es nun probieren wollten, ganz normal miteinander klar zu kommen. Jeder von uns würde Distanz zu dem Leben der Anderen nehmen, würde Entscheidungen nicht mehr beeinflussen wollen und sie stattedessen akzeptieren und wir würden einander in unseren eigenen Angelegenheiten unterstützen.

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