Kapitel 43 - Schlaflos in der Stadt, die niemals schläft

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Kapitel 43 - Schlaflos in der Stadt, die niemals schäflt

Der Flughafen in New York war unvorstellbar riesig, doch trotzdem schien er überfüllt. So weit das Auge reichte nur Menschen mit Koffern hinter sich herziehend, gestresste Kaufleute, die ihren Flieger noch erwischen mussten und einige Kleinkinder, die an den Händen ihrer Eltern große Augen machten und alles genau beobachteten. Ich nahm mir nur wenig Zeit, um das Geschehen hier zu beobachten, da ich mich anschließend eilig zur Gepäckausgabe begab.

Ich wartete eine Weile auf meinen Koffer, während ich auf meinem Handy herumtippte und Max berichtete, dass ich nun in New York angekommen war, ehe ich meinen ankommenden Koffer vom Fließband nahm und mich bereit zum Gehen durch den Flughafen schlängelte. Dabei bemerkte ich auch einige junge Mädchen, die mich fragend musterten und teilweise auch ihre Handys zückten, um ein Foto von mir zu machen.
Obwohl ich erst drei Monate mit Louis zusammen war, erkannten sie mich offenbar bereits. Ich beschloss, einfach weiterzugehen, damit ich mich in keine peinliche Situation verrannte und außerdem war das einzige, nach dem ich mich gerade sehnte, ein Bett. Doch die Mädchen hatten einen anderen Entschluss gefasst.

„Eleanor?“, vernahm ich eine Stimme hinter mir, weshalb ich mich umdrehte. Hinter mir stand ein lächelndes Mädchen, das mich etwas unsicher anlächelte. Man konnte ihr die Aufregung praktisch an den etwas zittrigen Fingern, die sie um ihr Handy geschlungen hatte, ablesen, auch wenn ich nicht genau nachvollziehen konnte, weshalb sie aufgeregt war. 
„Hi“, begrüßte ich sie und hoffte, dass sie mir nicht ansah, dass ich todmüde und völlig fertig ich war.

„Können wir ein Foto machen?“
Überrumpelt verlagerte ich mein Gewicht auf mein Linkes Bein und schaute etwas unsicher um mich herum, wo sich ebenfalls ein paar Mädchen zusammen gefunden hatten und nun aufmerksam die Situation beobachteten. „Ich liebe Louis und dich zusammen“, fügte sie hinzu.
In ihrer Hand hielt sie bereits ihr Handy. Ich war mir zuerst nicht sicher, ob ich dem zustimmen sollte oder sie doch besser darum bat, mich schlafen zu lassen.

„Ich bin doch niemand, mit dem man ein Foto will“, entgegnete ich ihr und schüttelte meinen Kopf.
Entgeistert sah sie mich an. „Hast du nie deine Followerseiten auf Instagram gesehen oder Twitteraccounts, die nur Fakten über dich ganz allein posten?“, wollte sie wissen.
Die Situation entwickelte sich für mich immer unangenehmer, da sich nun noch mehr Leute um uns herumgesellten.

„Nein“, antwortete ich ihr ehrlich. Leute hatten Fanaccounts für mich erstellt?
„Dann solltest du das aber schleunigst ändern!“
Schmunzelnd nickte ich ihr zu und legte meine Hand um ihre Schulter, ehe wir beide in die Frontkamera ihres Handys lächelten, das sie über unsere Köpfe hielt.
„Danke“, meinte sie aufgelöst. Ich blickte in ihre funkelnden Augen und musste ehrlich gestehen, dass ich nicht wusste, ob sie begeistert war oder gleich weinen würde.
"Besuchst du Louis?", fragte sie mich neugierig. Ich drückte meine Tasche fester an mich und nickte.
"Das ist ja so schön. Also bist du auch auf den Konzert?"
Obwohl ich mir über die Konzerte noch nicht ein einziges Mal den Kopf zerbrochen hatte, seitdem ich in den Flieger gestiegen war, nickte ich ihr kurzerhand zu. Etwas anderes hätte sie nicht glücklich gemacht und mich ehrlich gesagt auch nicht.
"Dann sehen wir uns da, ich komme nämlich auch", teilte sie mir freudestrahlend mit, was ich zu einer Überleitung zum Gehen verwendete.
"Ich würde sehr gerne noch länger mit dir quatschen, aber Louis wartet schon auf mich", erklärte ich ihr, was sie ein entzücktes Fiepsen ausstoßen ließ. "Ich will dich nicht aufhalten, nicht, dass es zwischen euch noch krieselt", schmunzelte und zwinkerte mir zu, ehe sie sich umdrehte und ich ihr noch einmal hinterherwinkte.

Mit eiligen Schritten lief ich weiter und hoffte, dass dies die einzige Begegnung für heute wäre. Nicht, dass ich es nicht süß fand, wenn jemand ein Foto mit mir wollte, doch ich konnte es immer noch nicht nachvollziehen, wieso überhaupt? Schließlich waren Louis und seine Band die Berühmtheiten mit denen man gerne Fotos aufnahm und für die man Fanaccounts machte und nicht ich. Doch ich nahm mir vor, bald einmal nach solchen Accounts zu suchen. Der Gedanke daran ließ mich trotz unsagbarer Müdigkeit idiotisch vor mich hinlächeln.



Eine halbe Stunde später ertönte hinter mir endlich das sehnsüchtig erwartete Klicken der Zimmertür, die in ihr Schloss fiel. Ich schälte mich aus meiner Jacke und stellte meine Taschen mitten im Raum ab, da das einzige, das mich gerade wirklich interessierte ein Bett war, in das ich mich schließlich legen konnte und wenigstens ein paar Stunden schlafen konnte. Alena hatte mich gestern mit ihrem Vorschlag so überrumpelt und ganz schön sprachlos hinterlassen, als sie im folgenden Augenblick - nachdem sie mir eröffnet hatte, dass ich nun ohne Widerrede nach New York fahren würde - aufsprang und meinen Kleiderschrank öffnete, um die nötigsten Dinge in einen Koffer zu packen. Viel Gepäck war es daher nicht, denn ich hatte keine Ahnung, wie lange ich bleiben würde - auch wenn ich innig hoffte, dass ich Louis eine Weile auf Tour begleiten würde. Nachdem ich die Jalousinen zugezogen hatte, setzte ich mich erschöpft an den Rande des Bettes und schlüpfte aus meinen Schuhen, ehe ich mich erleichter in die weichen Kissen fallen ließ, die zahlreich am oberen Ende des Bettes trappiert worden waren.
Ich kuschelte mich unter die Decke und schloss meine Augen. 
Wie Louis wohl reagieren würde, wenn er mich vor seinem Hotel stehen sehen würde? Würde er sich freuen oder würde er mich einfach ignorieren? Was würde er sagen?
Meine Gedanken waren lauter als der Wunsch, endlich einschlafen zu können und so verbrachte ich noch eine halbe Stunde lang damit, mir darüber den Kopf zu zerbrechen, was Louis wohl zu meinem plötzlichen Aufkreutzen in New York sagen würde.



Frischer Wind umhüllte meine Schultern und Arme, die nur von einem Strickcardigan warm gehalten wurden und verwehte meine Haare in alle Richtungen, als ich ein paar Stunden später aus dem Hotel in die Sonne trat. Ich war etwas überfordert mit dem chaotischen Straßenverkehr der Hauptstraße, an welcher auch immer ich mich gerade befand und starrte aus diesem Grund einige Sekunden einfach nur auf die vielen Autos, die sich hintereinander stauten.
Die Gehwege waren von Menschen überfüllt, die telefonierend, in Gedanken, lächelnd, grimmig guckend und auch teilweise ausgelaugt ihrem Weg folgten und sich von der Masse nicht einschüchtern ließen. Menschen mit Hunden, Menschen mit Shoppingtüten liefen den Straßenweg entlang.
Obwohl New York als die Stadt schlechthin galt, war die Atmosphäre hier ziemlich entspannt. Wenn ich aus einem anderen Grund hier gewesen wäre, hätte ich mir mehr Zeit genommen, um diese Entspannung und die Stadt an sich in mir aufzusaugen, doch vor meinem inneren Auge sah ich die ganze Zeit über nur Louis. In den Menschen, die an mir vorbeiliefen, suchte ich nach ihm und hielt nach seinem Gesicht Ausschau.
Ich atmete tief durch und schloss für einen kurzen Moment meine Augen, um mich noch einmal daran zu erinnern, weshalb ich hier war, was ich zu Louis sagen wollte und wie glücklich ich mich schätzen konnte, ihn getroffen zu haben.
Ich wurde wortwörtlich aus meinen Gedanken geschubst, da jemand unsanft gegen meine Schulter prallte und ich meine Augen aufriss.

„Oh Gott, Entschuldigung, das wollte ich nicht. Verdammt, Minnie“, stammelte eine junge Frau vor mir, die offensichtlich gerade gegen mich gelaufen war, und tadelte ihren Hund, der mich mit großen Augen vom Boden aus anstarrte. Sie hatte einen entschuldigenden Gesichtsausdruck aufgelegt und lächelte mich etwas unsicher an. Ihre Hand legte sie auf meine Schulter. „Tut es weh?“, fragte sie schuldbewusst, obwohl sie mich nicht einmal richtig erwischt hatte..

Etwas überrumpelt schüttelte ich meinen Kopf. „Das ist doch nichts“, meinte ich abtuend und schüttelte meinen Kopf. Sie zögerte einen Moment und schürzte ihre Lippen, ehe sie mir lächelnd ihre Hand reichte. „Danielle Bernstein“, stellte sie sich vor und platzierte ein echtes Lächeln auf ihren Lippen, welches das entschuldigende ersetzte.
Ich reichte ihr meine Hand. „Eleanor“, erwiderte ich ebenfalls lächelnd. Ich war etwas erstaunt, dass man in New York so schnell Menschen kennenlernen kann. Vielleicht war das nur ein Klischee, das ich gerade zufällig erfüllt bekommen habe, doch ich schob es auf die magischen Auswirkungen der Stadt.
„Was machst du in New York?“, fragte sie mich.
Überrascht zuckte ich mit den Schultern, während schmunzelte. „Ist es so auffällig, dass ich nicht von hier bin?“, stellte ich ihr eine Gegenfrage.

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