Kapitel 5 - Clarissa Calder

3.4K 249 13
                                    

Kapitel 5

Gelangweilt saß ich vor meinem aufgebauten Laptop und starrte meine Twitterseite an, in der Hoffnung, dass heute noch etwas passieren würde. Stundenlang lag ich auf meiner Couch und starrte auf die weiße Taube in der Ecke und hoffte, dass mein Freitagabend besser werden würde.

Die Sonne war schon lange untergegangen, der Mond war an den Himmel gerückt und ich wartete darauf, dass irgendetwas meinen Abend aufmuntern könnte. Für einen Freitagabend war heute ziemlich wenig los, wenn man bedachte, dass Max mich sonst regelmäßig auf Studentenparties mitschleppte. Seufzend stand ich auf und lief in die Küche, um mir ein Glas Wasser zu holen. Auf halber Strecke begann mein Handy zu klingeln und ohne einen Blick auf den Anrufer zu werfen, nahm ich den Anruf an.

„Hallo?", fragte ich, während ich mit meinem Glas wieder ins Wohnzimmer lief.
„Eleanor! Wie schön, deine Stimme zu hören!", begrüßte mich eine Frau am anderen Ende der Leitung. Ich ließ mich auf den Sessel fallen und drückte das Telefon auf mein anderes Ohr. „Hi Mum.", sagte ich und presste meine Lippen aufeinander. Sie hörte sich gestresst an, so als ob sie die monatliche Massage vergessen hatte.

Seit einem halben Monat hatte ich nichts mehr von ihr gehört, da sie mit meinem Vater auf Geschäftsreise in Indien war. Mum und Dad waren schon immer begeistert von den vielen Städten, die sie durch ihren Job besichtigen konnten, und als ich dann 18 Jahre alt war und auszog, war es für sie das Ticket für eine Weltreise gewesen. Nicht wortwörtlich eine Weltreise, doch sie machten ständig Kurztrips nach Asien oder Amerika.

Es störte mich nicht, dass ich sie selten zu Gesicht bekam, doch wenn meine Mutter mit mir redete, dann nervte es mich doch, dass sie immer so fröhlich war und so tat, als hätten wir die perfekte Mutter-Tochter Beziehung. Natürlich liebte ich sie, doch sie hatte diese Art an sich, mit der ich nicht klar kam. Seitdem ich denken konnte, machte sich meine Mutter sehr viel daraus, was andere von uns dachten und wie wir auf Außenstehende wirkten. Sicherlich ist das in gewisser Weise normal für eine Mutter, dass man sich eine harmonische Familie wünscht, die auch für Aussenstehende glücklich wirkt, aber sie war ein Extremfall. Nie war sie mit meinen Noten zufrieden, weil das Mädchen aus der Nachbarsfamilie vielleicht besser war und ich durfte nie abends weg gehen, da sie befürchtete, dass ich mich an irgendwelchen im Rausch zustande gekommenen Straftaten beiteiligen würde  und wir das Gespött der Nachbarn wären würden.

Es fühlte sich an, als ob sie mir nicht vertrauen würde und befürchtete, dass ich ihren Anforderungen nicht gerecht werden würde, was auch stimmte. Meine Mutter versuchte krampfhaft die vorgetäuschte, perfekte Beziehung zueinander, die wir in der Umgebung von anderen hatten, auch wenn wir allein waren aufzubauen, doch sie scheiterte. Ich war es gewohnt, kontrolliert zu werden und so sehr ich es früher gehasst habe und jedes Mal fast an die Decke sprang, verdrehte ich heute nur noch meine Augen und akzeptierte es, da ich nichts dagegen machen konnte.

„Sag, Eleanor, wie läuft die Universität?", fragte sie mich. Ich schloss meine Augen und wappnete mich für das monatliche Kontrollgespräch. „Gut. Die Kurse sind schwer und ich habe nur wenig Zeit für mich, aber ich bekomme das schon hin.", antwortete ich ihr knapp meine Standartantwort, die ich meinen Eltern immer auftischte. „Die Universität ist auch nicht dafür da, dass du Freizeit hast und dir wird das Wissen sicherlich auch nicht in den Kopf fliegen. Sonst könnte das jeder." Kurze Stille erfüllte das Telefonat, während ich stossweise die Luft aus meinen Lungen presste und meine Augen rollte.

 „Ich hoffe sehr, dass du deine Punktzahl seit der letzten Prüfung wieder gesteigert hast.", gab meine Mutter von sich. Sie war einfach – es klang fies – verbittert. Ich habe ihre Erwartungen nicht erfüllen können und somit war sie einfach unzufrieden mit mir und konnte sich nicht für mich freuen, da es nicht genug war.

Eleanors ShoesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt