Kapitel 14 - Alte Freunde

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Kapitel 14:                               Alte Freunde



„Hier bitteschön.“, sagte Harold konzentriert, während er die Zwei Tassen voll Tee auf seinen Händen zu unserem Tisch balancierte. Ich rutschte etwas auf der schmalen Bank, um ihm Platz zu machen und schloss meine Hände um die gewärmte Tasse.

„Seit wann trinkst du schwarzen Tee?“, fragte ich ihn. Früher konnte man ihn mit Schwarztee davon jagen, denn er trank nicht einen Schluck davon. Harold begann zu lachen und lehnte sich nach hinten. „Weißt du, es hat sich einiges geändert, nach Sommer 2009.“

Seufzend starrte er die Wand an, senkte seinen Blick und sprach weiter. „Ich habe mich verändert, du hast dich verändert. Es fühlt sich so an, als ob ich dich nicht mehr kenne. Damals in Holmes Chaple wussten wir jedes kleinste Detail über den anderen und jetzt sitzt du neben mir und ich weiß noch nicht mal, was du gerade beruflich machst.“

Kichernd brachte ich ihn zum Schweigen, indem ich meinen Finger hob. „Ich studiere. Auch wenn es mir eher weniger Spaß macht, lasse ich es über mich ergehen und erfülle die Wünsche meiner Eltern.“

Schon damals waren sie streng und völlig übervorsichtig, was mein Leben anbetraf. Doch Holmes Chaple war die Zeit im Jahr, in der sie nicht die volle Kontrolle über mein Leben hatten.
Sie haben tagtäglich angerufen und gefragt, wie es mir ging, doch mehr konnten sie nicht überprüfen. Sie waren nicht da und konnten mir sagen, dass ich gefälligst um Elf Uhr zuhause sein sollte, sie waren nicht da und sagten mir, dass ich jeden Tag mindestens eine Stunde lang für die Schule lernen sollte.

Grandma und Grandpa ließen mich meistens das tun, was ich wollte. Solange ich am Sonntagmittag mit ihnen gegessen habe und mich danach mit meiner Großmutter in die Küche gestellt habe und gemeinsam mit ihr Kuchen gebacken habe, waren sie glücklich und zufrieden mit dem, was ich tat.
Ich liebte es, Zeit mit ihnen zu verbringen, obwohl ich schon seit einem Jahr nicht mehr bei ihnen war. Ich hatte ein unendlich großes Schlechtes Gewissen deshalb und setzte den Besuch in Holmes Chaple auf meine To-Do-List für diesen Sommer.

Ich hatte einen Grund gehabt, nicht mehr zu ihnen zu fahren, denn mit dem Besuch bei ihnen wuchs die Gefahr Dave zu sehen, was ich mit allen Mitteln vermeiden wollte. Jetzt aber, fiel mir auf wie unglaublich dumm das war.

 „Oh ja, das tue ich. Wohnen sie immer noch in Manchester?“, fragte er mit mitleidigem Lächeln.

„Nein, sie wohnen nirgends richtig, doch wenn sie einmal länger als Zwei Wochen an einem Ort bleiben, dann in London. Vor Drei Jahren haben sie Manchester komplett aufgegeben, nachdem auch ich nach London gegangen bin – du weißt ja, Vertrauen ist gut, aber Kontrolle ist besser. Sie haben ihr Haus verkauft und dafür eines in London gemietet. Sie wohnen also nur etwa eine viertel Stunde Fußweg entfernt von mir.“

Lachend hörte er mir aufmerksam zu und mir fiel wieder auf, dass das genau das war, was ich an ihm so schätzte. Offensichtlich hatte sich sein Äußerliches um einiges geändert, doch sein Charakter und sein innerer Kern waren gleich geblieben. Das war die Eigenschaft, die ihn auf eine besondere Art und Weise ausmachte. Schon immer war er ein guter Zuhörer gewesen und handelte meist überlegt, was mir so oft geholfen hat. In Holmes Chaple war er größtenteils noch ein verschmitzter Junge gewesen, doch ich konnte ihm schon damals alles anvertrauen ohne einen einzigen Zweifel. Er hat immer ein offenes Ohr gehabt, selbst nachdem ich nach der Sache mit Dave ohne eine Verabschiedung meine Sachen gepackt habe und Hals über Kopf wieder nach London gereist bin, um ein mögliches Treffen mit Dave zu vermeiden.

„Ich habe gestern mit Gemma telefoniert. Sie wollte sofort deine Nummer und ich hoffe es ist nicht schlimm, dass ich sie ihr gegeben habe. Du hättest ihre Reaktion sehen sollen, sie hat gekreischt und ich schwöre dir, sie ist auf und ab gesprungen!“, lachte er.

Allein wenn Harold ihren Namen aussprach, machte mein Herz einen Sprung und genau in solchen Momenten merkte ich, wie sehr sie mir doch fehlte. Ich vermisste Gems. Wir waren in diesem einen Sommer so gute Freundinnen geworden, dass wir dachten, wir würden mit 80 Jahren gemeinsam in Holmes Chaple sitzen und in unseren Schaukelstühlen über die Jugend lachen. Doch leider hatten wir uns alles ohne Probleme und jegliche Komplikationen vorgestellt, sodass wir nachdem wir beide wieder in unser Alltagsleben eingetaucht waren, den Kontakt einschlafen ließen.  

Harold legte seine Hand auf meine und schaute mich nun ernst an. „Darf ich dich etwas fragen?“
Unschlüssig was ich Antworten sollte, nickte ich einfach und wartete darauf, dass er begann zu sprechen.
„Hast du nach Dave wieder eine Beziehung gehabt? Es tut mir unendlich leid, dich das jetzt so direkt zu fragen, aber die Frage brannte mir schon länger im Gedächtnis. Wenn du nicht antworten willst-“

„Ja.“, lachte ich und rutschte ein Stück an ihn heran. „Ja, ich hatte noch eine Beziehung, die aber relativ schnell auseinandergebrochen ist.“

Nach Dave fiel es mir sehr schwer Menschen wieder zu vertrauen, sodass ich mich immer mehr abschottete. Vor allem Beziehungen schienen lange Zeit fast unmöglich. Ich konnte den Gedanken, dass es vielleicht noch jemanden neben mir gab, nicht ertragen und hatte ein wirklich großes Problem mit der Eifersucht, welche mit schließlich immer im Weg stand.

„Das tut mir leid, Eleanor.“, hauchte er und legte seinen Arm um meine Schulter. Er zog mich ein Stück an sich heran, während ich meinen Kopf auf seiner Schulter platzierte.

„Du verdienst etwas ganz Besonderes.“, flüsterte er weiter. Ich wusste nicht wieso, doch in diesem Moment stiegen mir Tränen in meine Augen. Ein paar von ihnen huschten über meine Wangen, doch ich konnte sie stoppen, bevor es noch mehr werden würden.
Ich wusste nicht, ob es wegen der Erinnerung an Dave war, die mich eine Zeit lang beschäftigt hatte. Er hatte einige Wunden an mir hinterlassen, die langsam und schleppend zu Narben wurden. Ich konnte i denn ich konnte nicht verstehen, wie er mich die ganze Zeit über so hinhalten konnte. Wie konnte er so kaltherzig sein und mich während seine Freundin im Urlaub war als Ersatz benutzen?
Oder meine Augen wurden wegen den liebevollen Worten von Harold wässrig, weil ich bemerkte, wie sehr ich ihn vermisst hatte und wie wertvoll er doch für mich war.

„Du doch auch, Harold. Es wundert mich, dass es den Damen noch nicht aufgefallen ist. Oder hat dich keine fasziniert?“, fragte ich ihn verwundert.

Schmunzelnd und doch mit traurigem Gesichtsausdruck schüttelte Harold seinen Kopf und wandte sich an mich. „Nein, niemand bestimmtes. Wie sieht es bei dir aus? Gibt es jemand bestimmtes in deinem Leben?“

Nachdem ich mir den gesamten gestrigen Tag Gedanken über Louis gemacht hatte, war ich gegen Abend zu dem Entschluss gekommen, dass ich nichts überstürzen sollte und mir vollem keine Hoffnungen bei ihm machen sollte.
Der Kuss war wahrscheinlich nur ein Versehen, sowohl seiner- als auch meinerseits. Er war mit großer Wahrscheinlichkeit nicht darauf aus, sich eine ernste Beziehung mit mir vorzustellen und das war es, was ich wollte. Nicht dass ich jetzt schon von einer echten Beziehung zu Louis träumte, ich war einfach durch mit den offenen und lockeren Verbindungen, die nichts als Kummer brachten. Ich suchte nicht nach jemanden und es gab auch niemanden.

„Nein, ich bin glücklich so wie es ist.“, antwortete ich ihm mit neu gewonnenem Selbstvertrauen. Harold lächelte mich an und verpasste mir einen kleinen Stoß gegen meine Schulter. „Wirklich niemanden, nicht mal in deinem Kopf?“
„Nicht mal jemanden in meinem Kopf, Harold. Ich bin glücklicher Single und bin nicht darauf aus, das jetzt so schnell zu ändern.“

Ich wusste nicht wieso, doch plötzlich sah er etwas unruhig aus und begann unwohl durch den Raum zu schauen. Hatte ich etwas Falsches gesagt?
Seine Augen wanderten durch den Raum, als würden sie etwas zum Festhalten suchen und kamen dann wieder zu mir zurück, während auf seinen Lippen ein gestelltes Lächeln lag.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte ich ihn vorsichtig. Ich führte die Tasse mit Tee vorsichtig an meinen Mund und nahm einen Schluck, damit ich Harold etwas Zeit zum Antworten lassen konnte.
"Was sollte denn sein?“, lachte er und versuchte seinen Unmut zu überspielen, doch scheiterte.
Ich spielte mit dem Gedanken, weiter nach zu fragen und weiter nachzubohren, doch ich konnte meinen Mund nicht dazu bewegen weiterzureden.
Wenn er mir etwas nicht sagen wollte, dann würde er wenn die Zeit gekommen war sicherlich davon erzählen, oder?
„Wann geht ihr wieder auf Tour?“
Ich versuchte das Thema zu ändern und die unangenehme Stille zwischen uns zu lösen. Harolds Augen leuchteten auf, allein beim Erwähnen der nächsten Tour. „In 2 Monaten geht es los. Wir haben gerade Pause und gönnen uns alle eine Auszeit.“

Wenn Harold oder ein anderer der Jungs von der Tour, der Bühne oder den Fans sprach begannen ihre Augen zu leuchten, in einem Schimmer, den ich noch nie gesehen hatte. Es war eindeutig, dass ihr Beruf auch gleichzeitig ihre Berufung war und sie für One Direction lebten.
Auch wenn ich nicht alle ihrer Lieder kannte, war ich mich fast sicher, dass sie gut waren. Schon allein aus dem Grund, da sie ihre Lieder mit voller Leidenschaft und ganzen Herzen sangen. Sie lebten dafür und genau das war, wofür ich sie bewunderte.

„Hast du dir mittlerweile unser Album angehört?“, fragte er mich und riss mich aus meinen Gedanken. Ich hob meine Schultern etwas an und versteckte meinen Kopf dazwischen. Wenn ich im Boden versinken könnte, dann wäre das der Moment gewesen. Während meine Wangen glühten, murmelte ich unverständliche Sachen wie „Die Schule war so fordernd in letzter Zeit“ und „Ich wollte es jeden Tag anhören, doch mir kam immer etwas dazwischen“.

Harold begann zu lachen und mir wurde bewusst, dass meine Ausreden bei ihm nicht wirkten.
„Du wolltest es dir nicht anhören, oder?“, lachte er und schaute mich enttäuscht an. Ich wusste, dass er gerade nur Spaß machte, doch ich konnte in seinen Augen sehen, dass es ihm wirklich wichtig war.

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