Kapitel 61 - Schatten, die zu Farben werden

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Schatten, die zu Farben werden

Ich wusste, dass der heutige Tag eine Herausforderung sein würde. Ich wusste es einfach, denn das, was ich heute zutun hatte, schob ich schon seit Wochen vor mir her.

Bereits als ich am Morgen meine Augen geöffnet hatte und widerwillig etwas gegessen hatte, wusste ich, dass es heute für mich nicht einfach werden würde. Selbst die Uni war eine Herausforderung, denn der ganze Tag hat sich einfach unendlich in die Länge gezogen, die Blicke der Leute stachen in meine Haut wie Messerstiche und Alana war nicht anwesend, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Auch Max hat sich dieses Wochenende eine ziemlich schlimme Erkältung eingefangen, was dazu führte, dass er auf dem Sofa in einer Decke eingekuschelt Tee trank. Er hatte es mit dem Feiern etwas übertrieben, denn wenn man ohne Jacke, nur im Hemd, die komplette Nacht zum Tag macht und erst mit den ersten Sonnenstrahlen ins Bett kriecht, war es nicht verwunderlich, die Woche danach flachzuliegen. Mir war mittlerweile auch bewusst, was Grund dafür war, dass ich momentan schlimmer auf die Blicke der anderen reagierte.

Wenn Max an meiner Seite war, bemerkte ich sie oftmals schon nicht mehr, denn ich war zu viel damit beschäftigt, über ihn zu lachen. Er war immer eine Ablenkung für mich und wenn ich dann doch mal allein durch die langen Gänge der Universität laufen musste, spürte ich die Blicke der anderen wieder auf mir. Eigentlich hatte ich mich damit angefreundet und es machte mir meist nichts mehr aus. Ich konnte damit leben, schaffte es sogar, die negativen Kommentare von mir fernzuhalten, aber heute war es mehr als normalerweise. Ich wusste nicht, welche Gerüchte im Internet und in den Klatschzeitungen momentan über Louis und die Band kursierten, aber anscheinend war es etwas, was auch mich betraf. Normalerweise versuchte ich, nicht zu oft nach Neuigkeiten über die Band zu schauen, denn ich glaubte, dass ich alles wichtige durch die Telefonate mit Louis mitbekam, aber manchmal interessierte es mich einfach, welche zum Teil völlig sinnlosen und weithergeholten Dinge Journalisten als Indizien für Gerüchte verwendeten.

Ich hatte eigentlich gedacht, dass man mich mittlerweile oft genug genau beobachtet hatte, dass es jetzt mit den kritischen, musternden Blicken reichen würde und dass sie sich jetzt sicher sein konnten, dass es ein Rätsel war, wieso zur Hölle Louis Tomlinson mit mir zusammen war. Aber scheinbar warteten sie auf eine bestimmte Sache an mir, die mich endgültig als Witzfigur dastehen lassen wird, oder einen Tag, an dem etwas Aufregendes passieren wird, das alle dazu auffordert, zu denken, dass ich Louis nicht verdiene.

Und der Gedanke daran, dass ich heute meine Grandma anrufen wollte und mit ihr darüber reden wollte, was damals auf ihrer Geburtstagsparty vorgefallen war, machte es nicht besser. Bevorstehende Anrufe an sie wühlten mich meist nicht auf, da ich mich immer freute, ihre ruhige Stimme zu hören, aber irgendwie wollte ich nicht wirklich gern über die Geschehnisse damals reden. Es war so, als wären sie genau jetzt wieder verheilt und ich wollte die Erinnerung nicht wiederaufleben lassen. Eigentlich sollte es nicht so schlimm für mich sein, darüber zu reden, dass mir das Herz damals gebrochen wurde, merkte ich mir selbst an. Schließlich ist das mittlerweile Ewigkeiten entfernt, außerdem hatte ich Louis, der mir mein gebrochenes Herz wieder zusammengeflickt hat - besser, als Dave es jemals geschafft hätte können. Mir war es aber immer noch unangenehm über den Fehler an dem Wochenende zu reden, auch wenn ich natürlich wusste und oft genug gehört hatte, dass man aus Fehlern lernen musste und auch sie teilweise etwas positives haben konnten, war es mir peinlich, damals auf diese Weise gehandelt zu haben.

Als ich nachhause kam, beschloss ich, mir zuerst eine Tasse Tee zu machen und gönnte mir nebenbei auch gleich eine Tafel Schokolade, denn gerade an einem solchen Tag schien es mir, als wäre eine kleine Leckerei nebenbei wirklich nicht verzichtbar.

Ich wechselte meine Kleidung in etwas Bequemeres und setzte mich anschließend mit dem Telefon, der Schokolade und dem Tee auf das Sofa.

Vielleicht belastete es mich, dass ich genau wusste, wie Grandma auf all die Dinge reagieren würde. Womöglich hat sie Dave danach noch getroffen und wusste schon, was passiert war. Ihre meist positiven Ratschläge schätzte ich an ihr, aber heute wollte ich davon wirklich nichts hören, weil ich wusste, dass Dave keine Chance mehr verdient hatte. Dave, meine Mom und mein Dad, Louis - ich wusste Grandma würde zwar das Richtige sagen, aber manchmal stellte sich einfach die Frage: Wollte ich das Richtige tun oder das, was sich am besten anfühlte?

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