6. Die Anhörung
Die nächsten zwei Tage vergingen wie im Fluge und bald war der Tag der Anhörung gekommen. Elenora hatte sich etwas herausgeputzt, schließlich würde sie heute vor dem gesamten Zauberergamot sprechen. Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihren Versuch, ihren Mantel zuzuknöpfen, was mit zittrigen Fingern gar nicht so einfach war. Draußen murmelte jemand das Passwort, die Tür schwang auf und Severus steckte seinen Kopf durch die Tür. „Bist du soweit, McGonagall? Unser Portschlüssel geht bald." „Ja, ja, bin fertig." Elenora stieg durch den Türrahmen und ihre Tür fiel hinter ihr wieder automatisch zu. Severus sah kurz an ihr hoch und runter und kommentierte ihr Outfit nur mit einem knappen „Schick." Auch er hatte nicht seine übliche Lehrerrobe an, sondern einen schwarzen Mantel und eine ebenso schwarze Cordhose. „Du auch.", erwiderte Elenora und zusammen verließen sie das Schulgebäude und liefen zu Fuß bis zur Grenze des magischen Schutzwalls, der das Apparieren für jeden unmöglich machte. Außer man war Schulleiter, natürlich. „Bereit?", fragte Snape, als sie sich einem unauffällig aussehenden Eimer näherten. Elenora nickte und hakte sich bei dem Tränkemeister ein. Zusammen berührten sie den Eimer und Sekunden später standen sie in einer geschäftigen Gasse von London. Elenora ließ Snape jedoch nicht los, da dieser anfing etwas zu schwanken. „Geht's wieder?", fragte sie ihn besorgt und erhielt nur ein leises Stöhnen zur Antwort. Apparieren fiel Severus mit seinen Verletzungen immer noch schwer, und es sah aus als würde es ihm auch immer noch ziemlich Schmerzen bereiten. Severus schnaufte einmal kurz durch und richtete sich dann wieder auf. „Geht wieder. Du kannst mich jetzt loslassen." Grinsend verhakte sich Elenora nur noch fester unter seinem Arm und erwiderte süffisant: „Oh nicht doch, sonst fällst du mir nachher noch um." Snape tat das mit einem Augenrollen ab und zusammen schritten sie die Gasse entlang auf eine Telefonzelle zu, die für Muggel auch nichts weiter als eine Telefonzelle darstellte. Für Magier kennzeichnete sie jedoch einen der Besuchereingänge des Zaubereiministeriums, und genau da wollten die beiden jetzt hin. Sie stellen sich in die Kabine, und als die Luft rein war, schmiss Elenora ein paar Münzen in den Kasten und die Zelle setzte sich in Gang. Immer tiefer ging es hinab, bis die Zelle in den großen Eingangsflur des Ministeriums schwebte und am Boden stehen blieb. Die Tür öffnete sich und die zwei Lehrer stiegen heraus. Als Passanten Snape erkannten, breitete sich sofort Getuschel aus, doch Severus ignorierte sie gekonnt. Ohne ein Wort mit irgendjemandem zu wechseln schritten die beiden zügig zum Verhörsaal voran. Es musste nicht unbedingt jeder erfahren, dass sie hier waren, um die berühmt-berüchtigten Malfoys zu retten, die sich zurzeit nicht gerade großer Beliebtheit erfreuten. Am Ende bekam noch die Presse Wind davon und Elenora wusste, wie sehr Snape es hasste im Mittelpunkt zu stehen. Sie stiegen in den nächsten Lift und ließen sich zum Verhörsaal transportieren. Zum Glück stieg niemand sonst zu, die Stille wäre sonst noch unangenehmer geworden als sie es sowieso schon war. Eine Glocke bimmelte und eine Frauenstimme kündigte das Erreichen der gewünschten Etage an. Severus und Elenora stiegen aus und liefen den langen Gang zum Saal entlang, jedoch in etwas langsameren Tempo als vorher. Zum einen, weil Severus Atemprobleme bekam und zum anderen, weil keiner von beiden sonderlich erpicht auf das war, was jetzt folgte. Vor der Tür des Saals stand ein Sicherheitsmann und verlangte ihre Ausweise, dann wies er sie an, im Warteraum Platz zu nehmen. Elenora half Severus, sich auf der niedrigen Sitzbank niederzulassen, dann setzte sie sich neben ihn und gemeinsam starrten sie die gegenüberliegende Wand an. „Viel Glück nachher" murmelte Elenora und sah Snape von der Seite an, der ihr einen unergründlichen Blick zurückwarf. Bevor er irgendwas erwidern konnte, trat der Sicherheitsmann hinzu und verkündete: „Mr. Snape, wir wären dann soweit." Schwerfällig erhob sich Severus, warf ihr einen letzten Blick zu und humpelte dann dem Sicherheitsmann hinterher. Als die schwere Tür hinter den beiden zufiel, überkam Elenora ein mulmiges Gefühl. Du bist eine McGonagall, und die haben vor gar nichts Angst, schalt sie sich selbst, doch das mulmige Gefühl wurde von Minute zu Minute stärker. Sie konnte an gar nichts mehr anderes denken und rutschte unruhig auf ihrem Sitz hin und her. Eine schier endlose Zeit später öffnete sich die Tür und der Sicherheitsmann trat wieder heraus. „Ms. McGonagall? Sie sind dran." Elenora stand auf, räusperte sich und strich ihren Stiftrock glatt, dann trat sie durch die Tür in den großen runden Saal. Sämtliche Augen des Zauberergamots lagen auf ihr und sie fühlte sich noch unwohler als im Wartebereich, sodass sie den Blick senkte. Der Sicherheitsmann wies auf den Zeugenplatz in der Mitte des kreisrunden Raumes. Sie setzte sich und strich aus lauter Nervosität ihren Rock erneut glatt, dann nahm sie all ihren Mut zusammen und sah hoch zu Kingsley Shacklebolt, der sich noch Notizen in seinen Unterlagen machte. Er sah auf und schenkte Elenora ein kurzes Lächeln. „Einen Moment noch, Ms. McGonagall." Sie nickte und knetete nervös ihre Hände. Da fiel ihr Blick auf eine Bankreihe auf der linken Seite des Raums, auf der Harry und Snape fast einen Meter auseinander saßen. Harry nickte ihr grüßend zu und Severus bedachte sie wieder mit diesem ruhigen, ausdruckslosen Blick aus dem Warteraum. Die beiden hatten wohl immer noch Probleme, miteinander umzugehen. Direkt vor den beiden saß die Familie Malfoy eng beisammen und starrte sie an. Lucius hatte tiefe Augenringe und Narzissa sah auch nicht besser aus, Draco aber war ein reines Nervenbündel. Seine Haare waren nicht wie sonst feinsäuberlich gegelt, sondern etwas verwuschelt und er war bleich wie die Wand hinter ihm. Sein Blick war starr auf den Boden gerichtet, während Lucius und Narzissa Elenora nervöse, schon fast ängstliche Blicke zuwarfen. Natürlich, denn das Schicksal ihres Sohnes lag in Elenoras Händen, wie ihr eben erschreckend bewusst wurde. Das half ihr nicht wirklich, sich zu beruhigen, im Gegenteil, ihr Herz setzte kurz aus und pochte danach in doppelt so schnellem Rhythmus weiter wie vorher. Schnell lenkte auch sie ihren Blick wieder auf den Boden vor ihr und betete, dass sie jetzt keinen Flashback bekommen würde. Da räusperte sich Shacklebolt plötzlich und fing an zu sprechen. „Nun gut. Mr. Malfoy, Sie haben das Prozedere ja bereits gesehen. Bitte treten Sie vor." Draco starrte den Zaubereiminister kurz an, dann erhob er sich langsam und trat zu einem ihm bereitgestellten Stuhl vor der Bank. Als er sich gesetzt hatte, wandte sich Kingsley wieder an Elenora. „Ms. McGonagall, ich danke Ihnen, dass Sie heute zu dieser Anhörung erschienen sind. Zunächst muss ich Sie bitten, den Eid abzulegen." Elenora erhob sich und sprach mit erstaunlich fester Stimme: „Ich, Elenora Isobel McGonagall, gelobe die Wahrheit zu sagen, und nichts als die Wahrheit." Der Minister hob den Kopf. „Danke. Nun, wie Sie wissen, wurde Draco Lucius Malfoy wegen Folgendem angeklagt: Zugehörigkeit zu Lord Voldemorts Todessern, versuchter Mord an Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore und Verdacht auf Beihilfe für Voldemort im Zweiten Zaubererkrieg. Da wir nur Ersteres eindeutig bezeugen können, sind wir auf Zeugenaussagen angewiesen. So frage ich: Können Sie bezeugen, dass Mr. Malfoy die Dinge die er tat, nicht aus Treue zu Voldemort, sondern aus reinem Selbstschutz tat?" „Ich..." Elenoras Blick kreuzte den von Draco, der sie jetzt zum ersten Mal richtig ansah. In seinen Augen konnte man die blanke Angst sehen. Elenora hielt diesem Blick einen Augenblick stand, dann fuhr sie fort: „Das kann ich in der Tat, ja." Sie pausierte um kurz Luft zu holen und begann dann: „Ich habe Draco Malfoy bereits in meiner Zeit als Schülerin an der Schule Hogwarts kennengelernt. Er ist ein wahrer Slytherin, und das meine ich nicht auf den ungerecht schlechten Ruf dieses Hauses bezogen. Er war stets ein ehrgeiziger und stolzer Schüler, sehr loyal seinen Freunden und seinem Haus gegenüber. Auch als ich Lehrerin wurde, behielt er diese Werte immer bei, jedoch hatte er sich verändert." Dracos Kopf schoss nach oben und Panik machte sich in seinem Gesicht breit. Elenora ließ den Blick fest auf Shacklebolt gerichtet und erzählte weiter: „Aus dem aufgeweckten Schüler war ein gespaltener junger Mann geworden, wessen Gründe ich zunächst nur erahnen konnte. Als Albus Dumbledore dann starb und Draco mit den Todessern verschwand, wurde mir klar, was ihn verändert hatte: Lord Voldemort hatte ihn auf seine Seite gezogen." Ein leiser Aufschluchzer ging durch den totstillen Raum, es war Narzissa, die sich mit Tränen in den Augen fest an ihren Mann klammerte. Elenora gab sich alle Mühe, keinen der Malfoys anzuschauen, sonst würde ihre perfekt eingeübte Rede vermutlich scheitern. „Aber als er dann zusammen mit dem neuen Schulleiter Professor Snape wiederkehrte, kam es mir nicht so vor, als wäre er mit seiner neuen Rolle glücklich. Er bemühte sich natürlich stehts, allen Zweifelnden das Gegenteil zu beweisen, jedoch war es nur ein verzweifelter Versuch, sein Leben zu retten. Ja, er wollte Dumbledore töten, jedoch nur um nicht selbst getötet zu werden. Und ja, er wechselte nach dem Kampf kurzfristig die Seite, aber nur um sich selbst und seine Eltern nicht in Gefahr zu bringen. Außerdem hat er, genau wie seine Eltern, während der ganzen Schlacht von Hogwarts niemandem etwas getan. Das Einzige, was er abgefeuert hat, waren Verteidigungszauber." Sie brach ab und holte noch einmal tief Luft, die Worte ihrer Tante im Gedächtnis: „Draco ist ein guter Mensch, der unter schlechten Umständen aufgewachsen ist. Er hatte gar keine andere Wahl als sich Voldemort anzuschließen. Er verdient die Freiheit.", beendete sie ihre Aussage. Mit zusammengekniffenen Lippen saß sie nun da, den Blick auf Kingsleys Umhang gerichtet. Sie hatte viel zu viel Angst, um jemandem in die Augen zu sehen, in Sorge, sie könnte die Rettungsaktion ruiniert haben. Eine Weile war in dem Saal nichts zu hören, dann setzte leises Getuschel ein. Der Zaubereiminister ließ es für eine Weile laufen, dann beendete der die leisen Diskussionen seiner Kollegen mit einem Räuspern. Er sah einen Augenblick zu Draco, mit einem abschätzenden Blick, der Elenora zittrig ausatmen ließ. Dann hob er seine Stimme und sprach: „Verehrte Kollegen, Sie haben die Aussage gehört. Wer Draco Malfoy dennoch als schuldig betrachtet, möge jetzt die Hand heben." Ein paar Hände gingen hoch, dann immer mehr, bis ungefähr der halbe Saal seine Hand erhoben hatte. Elenoras Herz setzte erneut aus, als sie flüchtig die Stimmen zählte und Kingsley bestätigte ihren Verdacht, als er überrascht die Augenbrauen hob und sagte: „Fünfundzwanzig." Das war genau die Hälfte, Kingsley nicht mitgezählt. Was bedeutete... „Nur fürs Protokoll, wer für die Freilassung stimmt, möge jetzt die Hand heben." Die andere Hälfte hob die Hand. Shacklebolt nickte andächtig. Jetzt lag alles an ihm. Elenoras Hände waren schweißnass und ihr Herz pochte so laut, dass sie fürchtete, der ganze Raum könnte es hören. Im Saal war es wieder totenstill geworden; alle starrten gebannt auf den Minister, der wiederrum Draco ansah. Der hatte seinen Blick zu Boden gerichtet, er war den Tränen nahe. Auch Narzissa liefen stumme Tränen die Wangen hinunter. Lucius hatte die Hände so fest um die Banklehne vor ihm geschlungen, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten. Shacklebolt blätterte in seinen Notizen, blickte dann noch einmal von Draco zu Elenora und hob seinen Gerichtshammer. Elenoras Nerven waren zum Zerreißen angespannt und sie konnte kaum stillsitzen. Kingsley ließ den Hammer auf das Podest hämmern und verkündete: „In allen Punkten freigesprochen."
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A Hogwarts Love Story
Fanfiction(ABGESCHLOSSEN) Nach dem Sieg über Voldemort wird Hogwarts wiederaufgebaut und eine neue Ära beginnt, doch was wird sie bringen? Dies ist eine Geschichte aus der Sicht der jungen Lehrerin Elenora, eine Geschichte über familiäre, freundschaftliche un...